Schulbeginn

Warum ist der Schulbeginn der eigentliche Jahresbeginn?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die Sie überraschen werden

Da sind sie wieder: Der Kitzel in den Fingerspitzen, das Kribbeln im Bauch und eine Leichtigkeit im Schritt, der wieder schneller, energischer passiert. Neue Outfits werden zurechtgelegt, Fitnesskurse gebucht, überteuerte Notizbücher besorgt. 

Und in diese Büchlein lange Listen, in anfangs sorgfältiger, dann aber doch wieder hektischer Schrift, angefertigt. Will man sie doch am besten sofort umsetzen, die vielen Pläne. Denn im Kopf flattern Ideen in dichten Schwärmen wie aufgeregte Schmetterlinge. Aber wieso fühlt sich der Schul- wie der eigentliche Neujahrsbeginn an?

Eine Erklärung bietet Psychotherapeutin Ines Gstrein vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie: "Wir kommen im September aus einer gefühlten Auszeit." Nicht nur die Schule, auch der Yogakurs im Turnverein, die Spanischstunde an der Volkshochschule und der Geigenunterricht an der Musikschule hatten Ende Juni ihr Programm beendet und uns mit zwei unberührten Monaten alleingelassen.

Für Schulkinder streckt sich die Leere der Sommerferien dann oft ins Unendliche. Man baut Staudämme in kleinen Bächen, spielt Räuber und Gendarm, bis es finster wird, und erzählt sich Gruselgeschichten am knisternden Lagerfeuer. Wenn man am Ende der Ferien ins heimische Kinderzimmer zurückkehrt, erkennt man es für einen Moment nicht wieder. Weil man an der Aufregung der Sommertage gereift ist.

Wenn man später einmal kein Schulkind mehr ist und kein Schulkind betreut, wenn man in diesen neun Wochen vielleicht gar nicht auf Urlaub fährt, macht einen die Hitze der Sommertage dennoch träge. Man hat wahrscheinlich ein bisschen weniger Termine und gönnt sich ein bisschen mehr. "Vielleicht", meint Ines Gstrein, "erlaubt man sich noch ein Glas Aperol oder noch eine Kugel Eis, um das Fein-Haben zu verlängern." Die Tage sind ruhiger und vergehen in einem Paradoxon der Zeit schneller.

Und so liegt es wohl an der Leere, die man bloß an diesen gleißenden Sommertagen, niemals in der hektischen Weihnachtszeit, findet. Denn in dieser Leere finden sie Platz, sich einzunisten, die neuen Ideen. Die von Möglichkeiten flüstern.

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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