Frage der Freizeit: Wieso spazieren wir so gerne durch buntes Herbstlaub?

Der vielleicht schönste Moment im Herbst: Wenn man durch einen leichten Haufen buntes Laub laufen kann. Aber warum machen wir das eigentlich so gerne?

Der schönste Moment im Herbst (abgesehen vielleicht von der ersten verspeisten Schoko-Maroni): Wenn sich die bunt gefärbten Blätter am Fuße eines Baums zu einem leichten Hügel geformt haben und man (nachdem man sich bei fortgeschrittenem Alter eventuell verstohlen umgeblickt hat) mit dem Schuh unter den raschelnden Berg fährt, die trockenen, knirschenden Blätter in der Folge aufgeregt hochwirbeln und einen für einen klitzekleinen Moment eine verspielte Freude durchfährt. Bevor man sich ein bisschen albern fühlt, das Handy zückt und sich erinnert, welcher Termin als nächstes ansteht. Aber warum gehen wir eigentlich so gerne durch herbstliches Laub?

Objekte der Kindheit

Laubhaufen, sagt die Wiener Psychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak, sind für viele Objekte der Kindheit. Vielleicht hat man im Kindergarten das Laub zusammenrechen dürfen, um sich dann genüsslich in den weichen Laubberg zu schmeißen. Vielleicht hat man mit Laub Ketten, Laternen oder Karten gebastelt. Vielleicht war man mit den Eltern im Wald spazieren und ist von einem Haufen zum nächsten gehopst; leicht, kichernd, unbekümmert. „Bei Kindern sind die Emotionen sehr stark verankert.“ Wenn man als Kind eine starke (positive) Erinnerung hat, dann bleibt uns diese besonders lang erhalten.

Erfahrung mit allen Sinnen

Und warum empfinden wir aber genau den Laubhaufen als so angenehm? „Weil er verschiedene Sinne berührt“, erklärt Ehmayer-Rosinak. Wir sehen das gelbe, rote, orangefarbene Laub; ungewöhnliche Farben im Kontrast zu der grauen Stadt, dem grauen Herbst („Nicht umsonst gibt es den Ausdruck farbenfroh, sie machen etwas mit uns.“) Wir hören das knisternde Rascheln, ein heimeliger, sanfter, für die Stadt ungewohnter Klang. Wir spüren die vielen Blätter auf unseren Füßen, wenn wir hindurchpflügen, oder in unseren Händen, wenn wir einen Haufen aufheben und in die Höhe schmeißen. Dazu riechen wir eventuell den wohligen, trockenen Erdgeruch. Gemeinsam kommt das Glück: Denn, meint Ehmayer-Rosinak: „Je mehr Sinne im Positiven berührt werden, desto größer das Wohlbehagen, desto stärker das Glücksgefühl.“

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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