Warum wird man als Beifahrer auf der Autobahn oft so müde?

Ein Schlafforscher erklärt, was auf langen Strecken im Auto in unserem Kopf passiert. Achtung, das kann auch gefährlich werden

Onkel Erwin ist kein guter Beifahrer. Er kommentiert zu viel: „Es ist Rot!“; „Achtung, Kurve!“; „Da vorne ist eine blöde Stelle!“; „Bremmmsen!“ Sorry, lieber Onkel Erwin, das nervt.
Letztens fuhr ich ihn auf der Autobahn nach Hause, er schlief ein. Das fand ich schön – und erstaunlich. Was gab ihm diese Ruhe? 

Schlafforscher Jürgen Zulley hat sich mit der Müdigkeit beim Autofahren beschäftigt.  „Es ist nicht, wie man oft glaubt, die völlige Stille, die uns schläfrig werden lässt, sondern monotone Geräusche“, so der Psychologe und Autor. Dazu gehört das Brummen der Reifen auf der Autobahn, aber auch ein ruhig atmender schlummernder Beifahrer. Das alles kann einlullen. „Man kennt das  vom Zugfahren“, sagt Zulley. „Manche erinnern sich vielleicht an das Tam-Tamm-Tam-Tamm der Gleise von früher.“ Oh ja, gähn.

Warum  monoton rhythmische, nicht zu laute Geräusche uns in den Schlaf wiegen können, hat einen Grund. Jürgen Zulley: „Auf diese Art bekommt unser Gehirn Futter und hat eine Beschäftigung, auf die es sich konzentrieren kann.“ Wenn das nichts Aufregendes ist, wie etwa ein tropfender Wasserhahn, der mit seinem Ping! weit weg von entspannend ist, werden wir schläfrig und können  unsere Gedanken so leichter loslassen. „Das Gegenteil davon kennt jeder, der versucht, vor dem Einschlafen  an nichts zu denken“, sagt  Schlafforscher Zulley. „Es funktioniert nicht, wir können nicht  an nichts denken.“ Beispiele aus der Praxis des Psychologen zeigen, welche Geräusche so manchen in die Nacht gleiten lassen: Einer Klientin etwa half die sanft wogende Schiffsreise auf hoher See, einem Klienten das „Gebrabbel“ politischer Diskussionsrunden, um nachts Ruhe zu finden. 

Onkel Erwin sollte als Mitfahrer auf langen Strecken lieber wach bleiben, geht es nach Zulley: „Es gilt, sich bewusst zu machen, dass man am Steuer das gleiche sanfte Schaukeln, die gleiche positive Stimulation erfährt wie der passive Beifahrer.“ Das kann zu viel Entspannung sein. Deshalb sei die wichtige Aufgabe des Beifahrers, dafür zu sorgen,  dass der Fahrer nicht einschläft.“ Also, lieber Onkel Erwin: Sag an, wo wird’s Rot?

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

Kommentare