Wie Gucci den Albtraum jedes jugoslawischen Kindes um 400 Euro verkauft

Ende der 1970er Jahre verbreiteten sich diese Plastikdinger wie ein Virus an der Adria-Küste. Nun ahmt sie Gucci nach.

Es gibt sie, diese Sachen, die eine Kindheit prägen. Über die meisten, die längst im eigenen Gedächtnis erloschen sind, stolpert man irgendwann im Erwachsenenalter ganz zufällig und wird dann von einer Lawine an Erinnerungen zugeschüttet. Dann sind da auch jene Sachen, die so tief im kollektiven Gedächtnis verankert sind, dass sie einem immer noch erstaunlich lebendig vorkommen. Gefühlt zum Greifen nahe. Nach ihrer Form, Farbe, Geschmack oder Geruch muss man in den Tiefen des eigenen Gehirns nicht graben. Ihre Erwähnung genügt, um sie auf Anhieb vor einem erscheinen zu lassen. 

So wird bei jedem Menschen, der in den späten 1970er bis in die frühen 1990er Jahre in Jugoslawien groß geworden ist, allein der an sich unbestimmte Begriff "Badesandalen" mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Assoziation auslösen. Vor den Augen können eigentlich nur die Gummisandalen, die der jugoslawische Riesenkonzern "Jugoplastika" herstellte, erscheinen. Ob in Blau, Rosa (Bub oder Mädchen, eh klar), Gelb (neutral) oder durchsichtig (extravagant) - diese Plastikdinger MUSSTE jede/r in seiner/ihrer Kindheit zumindest einmal getragen haben. 

Geborgenheit vs. Blasen

Tief in kollektiver Erinnerung verankert sind die vollen Strände an der ex-jugoslawischen (heute kroatischen) Riviera, der kokosartige Geruch der Sonnencreme, der süße Duft der Wassermelone - und das Glitzern dieser Sandalen in der prallen mediterranen Sohne. Damit verbinden die einen heute Geborgenheit und Sicherheit, denn die feste Sohle bot einen guten Schutz vor Seeigeln, die im seichten Meer der doch vorwiegend felsigen und steinigen kroatischen Küste zahlreich vertreten sind. Die anderen, sie werden in deutlicher Überzahl sein, assoziieren diese Gummidinger mit Blasen an Zehen und Fersen, boten sie doch alles andere als Tragekomfort. Die Eltern pochten jedenfalls darauf, dass die Kinder sie stets anhaben, um a) eventuelle Verletzungen vorzubeugen (womit auch der eigene Urlaubsfriede gesichert war) und b) die Verwechslungsgefahr mit hunderten anderen Kindern am Strand zu mindern. 

©Gucci

Der Preis der Sandalen, die keinen Namen hatten, denn alle wussten, was mit gumene sandale (Gummisandalen) gemeint ist, dürfte heute den wenigsten (Eltern) bekannt sein. Zum einen gibt es ja den jugoslawischen Dinar gar nicht mehr. Zum anderen erlebte diese Währung so viele Devalvationen, die ein Umrechnen unmöglich machen. Ein aus der Steiermark stammender Kollege, bei dem es beim Anblick der Sandalen sofort Klick machte, erinnert sich, dass ihm seine Eltern zu Beginn jedes Kroatien-Urlaubs diese Sandalen kauften. Der Preis war für österreichische Verhältnisse mickrig. Dafür hielten die Schuhe zwei Wochen, also genau einen Urlaub lang. 

Eine Pension für Gummidinger

Die Sandalen gibt es ebenso wie "Jugoplastika" und Jugoslawien nicht mehr. Die Legende behauptet, dass manche Jugo-Nostalgiker sie immer noch in den Tiefen ihrer Keller gemeinsam mit Buchbändern über Tito und Broschüren der kommunistischen Partei aufbewahren. Ob sie wohl schon erfahren haben, dass die Gummidinger wieder produziert werden. Das italienische Luxus-Modeunternehmen Gucci stellt seit einigen Saisonen, zumindest vom Aussehen her, exakt dieselben Sandalen - mit Ausnahme des Doppel-G vorne - her. Kostenpunkt: 400 Euro. Fast genau so viel wie die aktuelle Durchschnittspension in Kroatien. 

Mirad Odobašić

Über Mirad Odobašić

In Bosnien-Herzegowina zur Welt gekommen, im deutschen Ruhrgebiet aufgewachsen, in Wien seit 2003. Bei KURIER.at seit 2007. Berichtet über den Balkan und die ausländischen Communitys in Wien. LIMVO LIKČE!

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