Schuhdesigner Christian Louboutin: Die roten Sohlen waren Zufall
Im exklusiven "freizeit"-Gespräch verrät der Franzose, wie ein Nagellack ihn auf die zündende Idee brachte und warum Wien für ihn einzigartig ist.
Es braucht für Modefans nur einen kurzen Blick auf die Sohlen, um zu erkennen, ob jemand Schuhe von Christian Louboutin trägt. Seit über 30 Jahren sind die Kreationen des Franzosen mit dem roten Markenzeichen Synonym für Luxus und Sex-Appeal.
Die Liste seiner prominenten Fans ist lang: Prinzessin Caroline von Monaco zeigte sich bereits in den Neunzigerjahren mit seinen ersten Entwürfen, Lady Gaga trägt sie nicht nur auf dem roten Teppich, sondern auch im Tonstudio und Schauspielerin Priyanka Chopra verriet jüngst, dass sie während der Quarantäne täglich in Louboutins zur Jogginghose schlüpfte. Ab September will Christian Louboutin mit seiner ersten Filiale in Wien auf der Tuchlauben die Füße der Österreicherinnen schmücken.
Christian Louboutin: Als Teenager habe ich es geliebt, mich gemeinsam mit einem Freund in Pariser Varietés zu schummeln und Showgirls beim Tanzen zuzusehen. Für mich waren diese Frauen wie exotische Vögel. Eines Tages besuchte ich gemeinsam mit meinen Eltern das Museum im heutigen Palais de la Porte Dorée, wo derzeit auch meine Retrospektive zu sehen ist, und mir fiel am Eingang sofort ein Schild auf. Darauf war eine durchgestrichene Zeichnung eines High Heels mit Pfennigabsatz zu sehen. Damals war es Frauen an vielen Orten verboten, solche Schuhe zu tragen, um teure Böden vor Beschädigungen zu schützen.
Ich habe danach angefangen, dieses Schild nachzuzeichnen. Es sollten Schuhe für die Showgirls sein. Mit 14 Jahren bekam ich ein Buch geschenkt, das Schuhe von Roger Vivier (Anm.: 1998 verstorbener Schuhdesigner) zeigte. Zu diesem Zeitpunkt realisierte ich aber noch nicht, dass das Entwerfen von Schuhen ein Beruf sein könnte.
Mit 18 Jahren habe ich ein Praktikum beim französischen Designer Charles Jourdan ergattert, der damals unter anderem sämtliche Schuhe für Dior produzierte. Das war das erste Mal, dass ich den komplizierten Prozess kennenlernte, der hinter der Entwicklung eines Schuhs steckt. Es ist nicht dasselbe wie das Entwerfen eines Kleides, welches danach gleich genäht wird. Sondern um einiges komplexer.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits für einige Unternehmen gearbeitet. 1988 stellte mich Roger Vivier als Assistent für die Planung seiner Retrospektive ein und wurde so zu meinem Mentor. Danach konnte ich mir nicht mehr vorstellen, für jemand anderen tätig zu sein, um dort Schuhe zu entwerfen. So fiel der Entschluss, etwas anderes zu machen. Ich habe mich schon immer für Architektur interessiert. Sie war mir aber mit zu viel Verantwortung verbunden, deshalb habe ich mich eine Zeit lang der Landschaftsgärtnerei gewidmet.
Ehrlich gesagt vergleiche ich mich nicht mit der Konkurrenz und bin nicht sehr kompetitiv veranlagt. Was aber auf jeden Fall positive Auswirkungen auf meine Arbeit hatte, ist, dass ich größtenteils mit Frauen aufgewachsen bin. Mein Vater war viel unterwegs und die meiste Zeit habe ich mit meiner Mutter und meinen vier großen Schwestern verbracht. Frauen, die unter sich sind, sind ganz anders, als wenn Männer dabei sind. Und umgekehrt. Ich behaupte, dass ich Frauen ganz gut verstehe.
Für meine eigene Marke habe ich von Beginn an viele bunte Modelle entworfen. Als ich damals den ersten Prototypen kontrollierte, hatte ich das Gefühl, dass der fertige Schuh nicht so beeindruckend war wie meine Skizze. Ich habe ihn umgedreht und mir die schwarze Sohle angeschaut. Meine Assistentin saß gerade neben mir und lackierte sich die Nägel rot, weil sie ihre Arbeit für den Tag bereits beendet hatte. „Lass mich etwas ausprobieren“, habe ich zu ihr gesagt. Ich wollte einfach dieses Schwarz mit etwas Nagellack überdecken.
Plötzlich kam der Schuh genauso zur Geltung wie auf Papier. Zuerst dachte ich mir, dass wir auch grüne Sohlen machen könnten, habe mich dann aber dagegen entschieden. Denn Rot hat etwas, das andere Farben nicht haben. Selbst wenn man Farben eigentlich nicht mag, mag man Rot. Frauen, die sich komplett in Schwarz kleiden, tragen dazu oft roten Nagellack und roten Lippenstift. Die roten Sohlen wurden schnell zu meinem Markenzeichen – und ich habe keinerlei Intentionen, irgendwas daran zu ändern.
High Heels waren immer die deutlich sichtbare Spitze des Eisbergs meiner Kollektionen. Aber ich habe schon immer auch flache Schuhe designt. Mit dem Entwerfen von Turnschuhen habe ich angefangen, nachdem viele meiner Mitarbeiterinnen beim Blick auf die Männermodelle „Was ist mit mir? Ich will auch solche Sneakers!“ gesagt hatten. Und mir war aufgefallen, dass die kleinen Männergrößen, also 39 oder 40, immer sehr schnell ausverkauft waren, weil so viele Frauen sie in der Herrenfiliale kauften.
Ja, definitiv. Das hängt von der Person ab, die sie trägt. Es geht letztendlich um die Persönlichkeit und zu der muss der Schuh passen. Ein Schuh alleine kann nicht sexy sein. Das wird er erst, wenn er von jemandem getragen wird. Es ist die Frau, die den Schuh macht – nicht umgekehrt.
Ich muss zugeben, dass ich kein besonders großer Fan von Clogs bin. Ich mag das Geräusch nicht, das sie machen.
Das war eine Spezialanfertigung für eine Hochzeit. Die Braut hat sich wahnsinnig darauf gefreut, zu heiraten – wollte jedoch zeigen, dass sie sich selbst treu bleiben würde. Deshalb hatte sie sich für ein Brautkleid mit einem Panzer entschieden. Die Schuhe sollten auch einen Schutzschild haben. Sie wollte, dass nicht nur das Herz geschützt wird, sondern auch die Füße. Es ging darum zu zeigen, dass sie fest im Leben steht. Es war eine Herausforderung, einen Panzer aus Metall für die Schuhe anzufertigen.
Jacinda Ardern, die neuseeländische Premierministerin. Sie ist eine tolle Führungspersönlichkeit und sieht gut aus. Ich würde mich freuen, sie in Louboutins zu sehen.
Ja, ein Schuh in der Farbe des eigenen Hauttons. Wenn man genau hinsieht, sieht man einen schönen Schuh. Von Weitem verschwindet er optisch förmlich.
Ich war schon oft in Österreich, nicht nur in Wien. Sogar in einer Viva Mayr Klinik (lacht). Wien mag ich vor allem für die Museen, die Musik ... und das Essen! Ich bin kein großer Fan von Schokolade, aber Wien ist die einzige Stadt der Welt, wo ich sie täglich esse.
Das erste, was mir immer einfällt, sind die vielen Stickereien. Die Techniken in Österreich sind wirklich schön. In den meisten Ländern werden nur sehr feine Stoffe bestickt. Ich mag die österreichische Tradition, raue Stoffe wie Filz oder Flanell zu verschönern. Und das nicht nur bei Frauen-, sondern auch Männermode.
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