Hier posiert ein Model im Hosenanzug für die Kollektion von Stella McCartney

Verboten gut: Wie der Hosenanzug Frauen ermächtigt

Oversized, knallbunt oder mit Shorts: Der Hosenanzug ist auf dem Vormarsch. Wie ein Skandaloutfit zum Statement-Piece wurde.

Dieser Sommer hat die Hosen an. Denn besser als ein Sommerkleid ist diese Saison - so zeigen es die Stars derzeit vor – der sommerliche Zweiteiler

Alexa Chung erschien zur exklusiven Max-Mara-Präsentation im Venediger Dogenpalast Anfang Juni etwa in einem sandfarbenen Herrenanzug mit riesiger Blumenbrosche. 

Vor einigen Wochen wurde Heidi Klum in froschgrünem Zweiteiler mit extra markantem Schulterelement gesichtet. Und Designerin Stella McCartney präsentierte nicht nur bei ihrer Frühling/Sommer- sowie der Herbst/Winter-Kollektion ihre Models in übergroßen Hosenanzügen. Sondern auch sich selbst. 

Konkret: in einer fließenden, haselnussbraunen Kombination aus weiter Anzugshose und übergroßem Blazer.

Locker, luftig, lässig

Die Hosen-Blazer-Kombi gewinnt seit einigen Jahren kontinuierlich an Beliebtheit. Vergangenen Sommer fielen etwa bei den Society-Events rund um Wimbledon elegante Zweiteiler auf – damals jedoch noch mit anliegenderem Schnitt. 

Fashionshow von Stella McCartney

Fashionshow von Stella McCartney

©REUTERS/Benoit Tessier

Sängerin Lady Gaga sorgte bereits 2018 mit einem riesigen Nadelstreif-Anzug für Furore. Doch erst heuer halten die Zweiteiler, oft mit Shorts anstelle einer Anzugshose oder lockerem Oberteil anstelle eines steifen Blazers, so richtig Einzug in den Schaufenstern der großen Modeketten. 

Und so wählt man sie in knalligen Farben fürs Büro, in Leinenvariante zum Sommerfest, in romantischen Pasteltönen zur nächsten Hochzeit.

Junge Frau im gelben Anzug

Junge Frau im gelben Anzug

©Getty Images/iiievgeniy/istockphoto

Vor 90 Jahren wäre all das undenkbar gewesen. 

Während Jeans –  Levi’s Ladies – bereits in den 1930ern an Beliebtheit gewannen, waren Hosenanzüge für Frauen bis in die 1960er nicht nur verpönt, sie konnten ihnen eine Anzeige einbringen. Sich "als Mann auszugeben" war verboten.

Marlene Dietrich und die Pariser Polizei

Als am 19. Mai 1933 der Ozeandampfer "Europa" aus New York im französischen Cherbourg anlegte, lagen deshalb alle Augen Marlene Dietrich. Denn die Schauspielerin trug – ja, gab's denn sowas! – einen Herrenanzug

Der Pariser Polizeichef hatte ihr deswegen schon während der Überfahrt gedroht - so erzählte es Kuratorin Kate Lemay gegenüber CNN. Als Marlene Dietrich in weißem Anzug am Deck abgelichtet wurde, habe er erklärt: Würde sie Paris in Hosen betreten, werde er sie festnehmen. Ein Gesetz aus 1800 verbot es den Frauen von Paris Hosen zu tragen. Dieses Verbot wurde übrigens erst 2013 aufgehoben.

Marlene Dietrich

Marlene Dietrich

©APA/AFP

Doch Marlene Dietrich ließ sich nicht einschüchtern. Und erreichte Paris in Anzug, Herrenmantel, Baskenmütze und runder Sonnenbrille. "Sie stieg aus dem Zug", erzählte Kate Lemay weiter, "packte den Polizeichef am Arm und ging mit ihm vom Bahnsteig."

Urlaub im Anzug

Noch im selben Jahr druckte Vogue erstmals ein Foto von ihr im Anzug. Bald folgten Katharine Hepburn oder Greta Garbo in ähnlichen Ensembles. Und dann brach Eleanor Roosevelt eine Lanze. 

Ein Seidentuch passt gut zum Blazer

Ein Seidentuch passt gut zum Blazer

©APA/AFP/ANNE-CHRISTINE POUJOULAT

Die amerikanische First Lady war dafür bekannt, morgens gerne auszureiten. Für Termine wählte sie dann aber doch noch Kleid oder Rock. Bis zum Osterwochenende 1938, als nach dem Ausritt keine Zeit zum Umziehen blieb und sie am traditionellen "Ostereier-Rollen" in Reithosen teilnahm. 

Französische Revolution

Doch die Trendwende läutete dann doch wieder Paris ein. 1966 präsentierte der französische Designer Yves Saint Laurent eine Revolution. "Le Smoking". Ein eleganter Hosenanzug für die Abendgarderobe. "Das Symbol", so der Designer, "der modernen Frau."

Frau im Hosenanzug

Frau im Hosenanzug

©APA/AFP Archives

Doch die High Society lehnte das Modell zunächst ab. Nur ein Stück wurde verkauft. Popsängerin Françoise Hardy wurde in der Oper damit ausgepfiffen. Socialite Nan Kempner wurde im New Yorker Szenelokal La Côte Basque vom Oberkellner der Eintritt verwehrt. Um zu zeigen, wie albern das war, ließ sie die Hosen fallen und machte die lange Jacke zum Minikleid.

Aber dann gab es noch ein zweites Modell in YSLs preisgünstigerer Konfektionswaren-Linie "Saint Laurent: Rive Gauche". Und dabei verkaufte sich der Anzug bei der jüngeren Kundschaft wie verrückt. Am Ende zogen dann auch die Couture-Kunden nach. Und heute ist Le Smoking einer der ikonischste Modelle des Labels. "Coco Chanel", brachte es der französische Unternehmer und YSL-Mitbegründer Pierre Bergé einmal auf den Punkt, "gab den Frauen Freiheit, Saint Laurent gab ihnen die Power."

Und das geben Hosenanzüge den Frauen noch immer. 

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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