Neuer Karriereweg: Wie eine Profigolferin zur Juwelierin wurde

Marina Stütz zählte zu den Ausnahmetalenten des internationalen Golfsports. Heute ist sie in der Schmuckwelt zu Hause – und kann so manche Parallele ziehen.

Sie scheint bis heute selbst kaum fassen zu können, was ihr da gelungen ist – so bescheiden und doch mit Stolz zählt Marina Stütz die Eckpunkte ihrer sportlichen Karriere auf. Mit fünf Jahren nimmt die Linzerin zum ersten Mal einen Golfschläger in die Hand, ist mit zehn bereits die beste Spielerin des Linzer Golfclubs. Mit zwölf Jahren wird Stütz in den Nationalkader aufgenommen, holt sich in den kommenden sieben Jahren zwölf Mal den Titel der Staatsmeisterin.

Mit 18 Jahren gehört sie zur Spitze der europäischen Amateur-Golferinnen. „Ab da wollte ich wissen, wie viel mir noch bis zur Profiliga fehlt“, erinnert sich die Oberösterreicherin. Und beschließt 2012 in den USA die Qualifikation für die LPGA (Anm: höchste Spielklasse der Damen) zu spielen. „Mein Ziel war tatsächlich nie, dass ich es schaffe. Ich wollte einfach nur sehen, was ich daheim in Europa noch verbessern muss, um später irgendwann in den USA spielen zu können.“

„Später“ kommt früher als gedacht: Die damals 19-Jährige schafft es von über 1000 Teilnehmerinnen auf den elften Platz – als einzige Amateurin unter den Top 20. Bis heute ist sie damit eine von nur zwei Österreicherinnen, denen der Aufstieg in die Ladies PGA-Tour gelang.

Sprung ins kalte Wasser

Mittlerweile trifft man Stütz nicht mehr auf dem Rasen, sondern in einem Büro in der Linzer Innenstadt an. Statt teuren Golfschlägern hält sie nun andere Kostbarkeiten in der Hand: Diamanten. Sie ist als Juwelierin tätig.

Zum Wechsel in einen derart unterschiedlichen Beruf hat ein familiärer Schicksalsschlag geführt: „Vor einigen Jahren erkrankte mein Vater an akuter Leukämie“, erzählt Schütz. Zu diesem Zeitpunkt leitete dieser gemeinsam mit Schütz’ Mutter das familieneigene Juwelier-Unternehmen Goldwelt. Mit knapp 24 Jahren musste die Tochter von einem Tag auf den anderen die Firma mit rund 70 Mitarbeiterinnen übernehmen.

Aus den USA war sie schon weit vor der Erkrankung ihres Vaters zurückgekehrt: „Nachdem ich eine Saison als Golfprofi gespielt hatte, wurde mir klar, dass ich diesen Sport zwar liebe, aber das Leben aus dem Koffer nichts für mich ist.“ Obwohl beide Elternteile seit mehreren Generationen im Schmuckbusiness sind, hatte die Tochter nie den Beruf der Juwelierin angestrebt. „Ich fand Schmuck und Edelsteine schon als Kind faszinierend und habe nach der Rückkehr neben meinem Wirtschaftsstudium im Büro mitgearbeitet. Aber nie in dem Glauben, dass ich das einmal hauptberuflich machen werde.“

©APA/EXPA/ Sportida/ Klansek Velej

Die erste Zeit in ihrer neuen Position beschreibt die Juwelierin heute als eine Art Blindflug: „Alles war neu und extrem herausfordernd.“ Quasi über Nacht musste sie sich in Bereiche wie Einkauf und Mitarbeiterführung einfinden. Mittlerweile geht es ihrem Vater den Umständen entsprechend wieder gut, in die Firma zurückkehren kann er jedoch nicht mehr. Die 28-Jährige ist dennoch froh, dass das Familienunternehmen damals nicht verkauft wurde. Sie steckt mitten in der Ausbildung zur Gemmologin und arbeitet derzeit an neuen Kollektionen für die firmeneigene Schmucklinie.

Rückschläge akzeptieren

Dabei hinterfragt sie als junge Frau in einer nach wie vor stark männerdominierten Branche bewusst althergebrachte Arbeitsweisen: „Ich stelle den Produzenten und Lieferanten auch kritische Fragen, die sie früher von niemandem gehört haben: Wo kommt das Edelmetall her? Unter welchen Bedingungen wurde der Diamant geschliffen?“

So unterschiedlich die Golf- und Schmuckwelt auf den ersten Blick wirken mögen: Ihre Erfahrungen im Sport kann Stütz auch im Alltag als Juwelierin einsetzen. „Der Golfsport ist ein mentaler Kampf mit sich selbst. Man muss in der Lage sein, einen schlechten Schlag in wenigen Sekunden zu vergessen. Das hat mich sicher für das Unternehmerinnentum geprägt, mich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen. Auch im Berufsleben kann nicht immer alles perfekt laufen. “

Die Lust am Golfen ist ihr trotz Ausstieg aus dem Profisport geblieben: „Vor allem an sonnigen Tagen juckt es mich noch immer in den Fingern“, sagt die 28-Jährige. Auch auf dem Golfplatz kommt es manchmal vor, dass sie von Männern unterschätzt wird: „Ich werde immer wieder von Fremden angesprochen, dass ich am weiter hinten gelegenen Herren-Abschlag nichts verloren habe.“ Dann holt Marina Stütz ihr Eisen hervor – und straft sie Lügen.

Maria Zelenko

Über Maria Zelenko

Seit 2015 beim KURIER. Schreibt seit über einem Jahrzehnt über alles, was die Mode- und Kosmetikwelt bewegt.

Kommentare