Haute Couture in Paris: Fashion Week mit Überraschungseffekt

Ausgefallene Neuinterpretationen und unerwartete Models gab es diese Woche in Paris zu sehen.

Es ist Mitte April im Pariser Nobelrestaurant LouLou. Am Rande der intimen Terrasse sitzen zwei Größen der Modebranche tuschelnd über ihrer Trüffelpizza: Designer Jean Paul Gaultier und sein Kollege Olivier Rousteing, Kreativdirektor von Balmain.

Das Ergebnis dessen, was die zwei Männer an diesem Abend besprechen, gab es am vergangenen Mittwoch zu sehen. Rousteing ist von Gaultier dazu eingeladen worden als einmaliger Gastdesigner der Haute-Couture-Kollektion des Modehauses Jean Paul Gaultier zu fungieren. Letzterer hat sich vor einigen Jahren offiziell in den Ruhestand verabschiedet.

Flakon als Kleid

Der Balmain-Chef zeigt an diesem Tag seine ganz persönliche Interpretation einiger ikonischer Designs seines Freundes: Der berühmte Flakon des Parfums „Le Male“ wird von ihm zum Leben erweckt: Das blaue Glas, das in einer geriffelten Dose verkauft wird – beides findet sich in Form eines Oberteils mit passendem Rock an einem Model wieder. Auch Madonnas Kegel-BH, der 1990 für Schlagzeilen sorgte, interpretiert Rousteing neu.

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Es handelt sich um nur eines von vielen Show-Highlights während der Haute-Couture-Präsentationen, die diese Woche in der französischen Hauptstadt stattfand. Viel gesprochen wurde auch über Balenciaga. Dort wurden jene Personen, die normalerweise in der ersten Reihe sitzen, zu Models erkoren. Chefdesigner Demna Gvasalia setzte auf einen ungewöhnlichen Mix aus Popsängerin Dua Lipa, Reality-TV-Star Kim Kardashian und Schauspielerin Nicole Kidman, um seine hautengen, wie aus Knete geformt wirkenden Catsuits und an Aluminium erinnernden Roben vorzustellen.

©Balenciaga

Nicht nur bei Balenciaga gab es einen Rollenwechsel zu beobachten. Bei Georges Hobeika geschah das, was vor ein paar Jahren noch viele Brancheninsider für unerhört gehalten hätten. Die Deutsche Leonie Hanne, mit 4,3 Millionen Instagram-Followern eine der erfolgreichsten Fashion-Influencerinnen, durfte die Show des Labels eröffnen. Eine Ehre, die normalerweise nur den besten Models zuteilwird.

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Tief ins Archiv tauchte Virginie Viard für ihre neuesten Chanel-Kreationen ein. Die Designerin ließ sich für ihre Tweed-Sets und Abendkleider sowohl von der Arbeit Coco Chanels in den Zwanziger-, Dreißiger- und Vierzigerjahren als auch den Skizzen ihres Vorgängers Karl Lagerfeld inspirieren. Ihre größtenteils gedeckte Farbpalette frischte Viard mit ein wenig kräftigem Grün und Rosa auf. Und dürfte in puncto Schuhwerk bereits einen Trend für die kommende Herbst/Winter-Saison gesetzt haben: Als Referenz an die Show-Location, eine Reitschule mitten in Paris, liefen die Models in Cowboyboots über den Laufsteg.

©Chanel

Zeichen setzen

In der Modemetropole mag dieser Tage zwar alles so wirken, als ob die Fashionbranche die Weltgeschehnisse einfach weglächelt – dem ist jedoch nicht so. Maria Grazia Chiuri ließ sich für ihre Couture-Kreationen von der ukrainischen Künstlerin Olesia Trofymenko inspirieren, die im Gespräch mit der Designerin vorschlug, den Baum des Lebens als Symbol in den Mittelpunkt der Kollektion zu stellen. In Ergänzung zu den Werken Trofymenkos, die im Show-Zelt im Garten des Musée Rodin aufgehängt wurden, kreierte sie eine romantische Kollektion mit Patchwork aus Spitze und 3D-Perlenstickereien.

©Dior

„Es geht um den Kreislauf des Lebens“, sagte Chiuri nach der Show im Gespräch mit der US-Vogue. „Wir müssen uns immer wieder daran erinnern. In gewisser Weise müssen wir jetzt neu denken, um in die Zukunft zu gehen.“ Nach vorne sehen – das tat bereits Gründer Christian Dior, der nach dem Zweiten Weltkrieg sein Modehaus gründete.

Maria Zelenko

Über Maria Zelenko

Seit 2015 beim KURIER. Schreibt seit über einem Jahrzehnt über alles, was die Mode- und Kosmetikwelt bewegt.

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