älteres Model läuft auf der Fashion Week

Graue Haare auf der Fashion Week: Wie divers sind die Laufstege wirklich?

Graue Haare werden sowohl auf den Laufstegen als auch in den sozialen Medien gefeiert. Um Diversität sind allerdings vor allem kleinere Designer bemüht. Ein Blick auf die Modeindustrie.

Maggie Smith wurde letztes Jahr als Model für die Marke Loewe als Ikone gefeiert. Immer wieder erkennt man Lichtblicke auf den Laufstegen, die unterschiedliche Gesellschaftsgruppen repräsentieren so auch auf der New York und der Londoner Fashion Week letzte Woche, wo einzelne Shows auch ältere Models zeigten. Sieht man sich Trends in den sozialen Medien an, so scheint diese Entwicklung nicht verwunderlich. Trotzdem ist die graue Haarfarbe noch immer mit vielen Erwartungen verbunden, und die inklusiveren Looks auf dem Laufsteg sind bis heute anscheinend noch immer eine Rarität. 

Graue Haare auf dem Laufsteg 

Hohe, auftoupierte Türme oder auch glatt zurückgekämmte Dutts im Wet Look Haare gab es auf der Fashion Week bereits in allerlei Variationen. Letzte Woche nutzten gleich mehrere Designer auf der Londoner und der New York Fashion Week graue Haare als Stilmittel. JW Anderson blieb auf der London Fashion Week bei einigen wenigen Models, die grau gelockte Perücken trugen. Für die Designerin Batsheva Hay liefen bei der New York Fashion Week allerdings gleich 14 Models mit grauen Haaren in unterschiedlichen Stadien des Ergrauens über den Laufsteg. 

Für das Casting wählte die Designerin einen eher ungewöhnlichen Ansatz: Sie bekam ihre Models nicht etwa von Agenturen, sondern veranstaltete ein Streetcasting. Ihre Suchkriterien? Die Frauen sollten über 40 Jahre alt sein, ihre Haare dementsprechend ein Abbild ihrer natürlichen Schönheit. "Weil ich 42 bin", begründet sie im Gespräch mit der New York Times ihre Auswahl. "Ich finde, dass das Altern für mich und meine Freunde eine große Sorge darstellt. Es ist ein Bereich, in dem es in der Mode Unbehagen gibt." 

älteres Model mit weiß-grauen Haaren auf dem laufsteg

Batsheva zeigt die Herbst-Winter-Kollektion 2024 auf der New York Fashion Week

©Arturo Holmes / Staff

JW Anderson präsentiert die Herbst-Winter-Kollektion 2024 auf der London Fashion Week

©APA/AFP/HENRY NICHOLLS

Nicht nur das Altern, auch die grauen Haare als Symbol für die Vergänglichkeit der Menschen wird in der Mode- und Schönheitsindustrie vermieden und sogar bekämpft angefangen beim Haarefärben. Eine Umfrage aus Österreich verdeutlicht, dass die Hälfte aller Menschen, die ihre Haare färben, dadurch hauptsächlich graue oder weiße Haare abdecken möchten (Frauen 49%, Männer 44%). Dabei ist der Verlust von Melatonin in den Haarzellen ein natürlicher Prozess, der bei den meisten in den Dreißigern, bei manchen auch schon in den Zwanzigern beginnt. 

"Eine Sache ist mir aufgefallen, als ich Frauen angehalten habe“, sagte Batsheva Hay. "Sie sagten: 'Ich?‘ Es gibt dieses Gefühl der Unsichtbarkeit oder des Nicht-Gesehen-Werdens. Wenn man gesehen wird, ist das sehr überraschend." Diesen Gedanken würde vermutlich jede Person, die sich in ihrem Alltag als durchschnittlich wahrnimmt, als Erstes haben: Ich soll ein Model sein? 

Der Grund ist der bestehende Gedanke, dass Models nicht durchschnittlich sind, vielmehr verkörpern sie ein Ideal unserer Gesellschaft: schlanke, junge Frauen. Das Durchschnittsalter der Models auf den Laufstegen war 23 im Jahr 2019, eine Verbesserung im Vergleich zu 21 im Jahr 2014. Diversität und Inklusivität auf den Laufstegen ist eine Baustelle, die sich vor allem größere Unternehmen in der Modeindustrie nicht unbedingt zu Herzen nehmen. Ältere Models werden dabei ebenso stigmatisiert wie Plus-Size-Models oder Models mit körperlichen Beeinträchtigungen. 

Ein bleibendes Problem: Gefühlte oder gelebte Inklusivität und Diversität?

In den letzten Jahren ist die Modebranche scheinbar inklusiver geworden. Nicht nur ältere Models wurden auf den Laufstegen willkommen geheißen, vor allem in den Kleidergrößen hat man einige Veränderungen gesehen. Plus-Size- und Mid-Size Models sind zwischen den sonst üblichen schlankeren Modelgrößen zu sehen, Models verschiedenster Nationalitäten laufen für die großen Designer. 

Bis zu diesem Grad an Inklusivität hat es auch lange genug gedauert: Eine der ersten Verfechterinnen von Hautfarben-Diversität auf dem Laufsteg war beispielsweise Bethann Hardison, die 1973 bei der berühmten Fashion Show 'Battle of Versailles' lief. So wurde sie eines der ersten schwarzen Models, die auf europäischen Laufstegen als Model arbeiten durfte ein Durchbruch nach jahrelanger aktivistischer Arbeit. 

Und obwohl in kommerziellen Werbespots und bei den Fashion Shows im Jahr 2024 immerhin einige Models mit größeren Größen im Fokus stehen... bei einer diversen Modebranche ist man trotz allem noch nicht angelangt. Der Report der Vogue Bussiness über die Frühling-Sommer-Kollektionen für 2024 (für die die Fashion Shows bereits letzten Herbst stattfanden) verdeutlichte diese harten Tatsachen. Für die letzte Saison haben Plus-Size- (UK-Größe 18 und größer) und Mid-Size-Models (UK-Größe 10-16) lediglich insgesamt 4,8 Prozent der Laufstege ausgemacht. 

Im Vergleich zur Saison davor haben sich die auf den Fashion Weeks gezeigten Marken nur um 0,4 Prozent verbessert eine Veränderung, die im Angesicht des lange bestehenden Wunsches nach Diversität gering scheint. Nicht nur das: Den Drang zur Inklusivität verkörpern bei den Modewochen in New York, Mailand und Paris auch eher kleinere, unabhängig geführte Marken. Vorreiterin ist beispielsweise die ursprünglich aus Brasilien stammende Londoner Designerin Karoline Vitto, die auf der Milan Fashion Week letzten Herbst 56,7 Prozent Mid-Size- und 43,3 Prozent Plus-Size-Models auf dem Laufsteg zeigte. 

Positive Reaktionen: Eine Stimme der Mehrheit?

Selbst an den Reaktionen der Öffentlichkeit merkt man: Diversität ist ein Thema, das vielen am Herzen liegt. Beispielsweise nahm ein Foto der Schauspielerin Maggie Smith letztes Jahr die sozialen Medien ein, das sie als Gesicht der Marke Loewe zeigte. "Sie verkörpert wirklich Eleganz, zeitlose Schönheit und am wichtigsten dass man das Alter mit Würde willkommen heißt. Hollywood sollte sich etwas abschauen", schreibt ein Nutzer unter den Post, mit einer Begeisterung, die viele zu der Kampagne teilen. 

➤ Hier mehr lesen: Model mit fast 90 Jahren: Maggie Smith in der neuen Loewe-Kampagne

Studien bestätigen die positive Resonanz: Eine repräsentative Umfrage aus dem amerikanischen Raum zeigt, dass 91 Prozent der Befragten sich mehr Diversität und Inklusivität wünschen. In den sozialen Medien wiederum bilden sich Bewegungen heraus, die sich natürliche Schönheit und vor allem graue Haare zu Herzen nehmen. Unter Hashtags wie #greyhairtransformation oder #proageing findet man zahlreiche Beiträge, die auch ältere Frauen repräsentieren und feiern.

Über Jennifer Sandhagen

Redakteurin bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit.

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