Sisi und ihre Extrem-Mode: Was "Die Kaiserin" anders macht

Die Serie startete in die 2. Staffel. Für die Kostüme gab es viel kreative Freiheit, die wahre Sisi lebte in einer strengeren Modewelt.

Täglich in ein Korsett gezwängt. Von Kindheit an. Ein Leben lang. "Das war damals in der Aristokratie ganz normal. Mädchen ab zehn, zwölf Jahren trugen täglich Korsett", schildert Kunsthistorikerin Katrin Unterreiner über das Symbol einer Epoche, die die weibliche Silhouette stilisierte und zugleich unterdrückte. 

Mit dieser historischen Last hatten Darstellerinnen in "Die Kaiserin" nicht zu kämpfen. Die österreichische Designerin Michel Mayer und Schnitttechnikerin Monica Ferrari-Krieger haben 40 Kleider für die Erstausstrahlung entworfen, weitere 15 für die Figur der Erzherzogin Sophie (Sisis Schwiegermutter) in den aktuellen Folgen.

Zunächst lediglich als Miniserie konzipiert, startete die Netflix-Produktion ob des weltweiten Erfolges am 22. November in die zweite Staffel. Der Kult um Sisi ist ungebrochen und aktuell wie nie, gefüttert durch die vielen Film- und Serienadaptionen der letzten Jahre.

Soll nicht historisch akkurat sein

Auf historischer Genauigkeit lag das Hauptaugenmerk der Modemacherinnen nicht, auch wenn sie sich in das Thema eingelesen haben. Artdirektorin Gabriela Reumer schickte Stimmungsbilder, "dann aber waren wir sehr frei in der Gestaltung der Kleider. Korsetts gab es keine, aber natürlich war eine betonte Taille gepaart mit weiten Reifröcken wichtig", so Mayer über die Film-Arbeit. 

Michel Mayer und Monica Ferrari-Krieger mit ihrem Kleid für Sophie

©Costumes Couture

Schauspielerin Melika Foroutan als Erzherzogin Sophie 

©Jan Rasmus Voss/Netflix

Sisis legendäre 51 Zentimeter umfassende Mitte kam durch die tägliche Extrem-Schnürung und war weniger die Ausnahme als man vermuten möchte, klärt Unterreiner auf, die als Habsburger-Expertin und Autorin von Büchern wie "'Oh, wie schön sie ist!' – Sisi, Kleider einer Kaiserin" Details über die Garderobe der Kaiserin Elisabeth kennt

"Es war damals ein Schönheitsmerkmal eine schmale Taille zu haben, die durch das ständige Tragen von Korsetts entstand, nicht durch Hungern." 

Sisis Epoche nahm Frauen Bewegungsfreiheit

Die pompösen, schweren Kleider jener Zeit entsprachen auch den Lebensumständen und dem politischen Wandel. "Waren nach der Französischen Revolution unter Napoleon erstmals Empire Kleider modern, die keine Mieder brauchten und nur noch unter der Brust abgenäht waren, erstarrte die weibliche Mode wieder nach dem Wiener Kongress und darauffolgenden zweiten Rokoko."

Sisi hatte den Ehrgeiz

Sisis Epoche war also im wahrsten Sinne des Wortes einschnürend und raubte durch Korsett und Reifröcke Bewegungsfreiheit. Körperliche Aktivitäten oder Sport waren kein Thema bei Hofe, so Unterreiner. Die große Ausnahme war tatsächlich Kaiserin Elisabeth.

Sie orderte für ihre Reitleidenschaft aufwendig hergestellte elastische Mieder in Paris. "Sie trainierte zwei Jahre, um mit den Männern bei Fuchsjagden mithalten zu können. Im Damensattel und mit diesen speziellen Korsetts", so die Historikerin. Sie war die einzige Frau, die bei Fuchsjagden mithielt und gewann auch einige. "Sie hatte das Geld, die Zeit und den Ehrgeiz." Elisabeth erkämpfte sich eine Freiheit, die die damaligen Grenzen sprengte.

Couture-Mieder mit vier Lagen

In der Serie sind die Frauen nicht derart in ihren Kleidern gefangen. Die Stoffwahl für die aktuellen Folgen fiel vermehrt auf leichte Seide und weicht damit von den schweren Kreationen der ersten Staffel ab, für die Michel Mayer festen Baumwoll-Stoff verwendete. "Von der heimischen Firma Backhausen, die es nun leider nicht mehr gibt und die vor allem Stoffe für Möbel hergestellt haben." Kunstfaser kam selten zum Einsatz, wie zu Sisis Zeit arbeitete man mit Baumwolle, Seide, Leinen und Wolle.

Mayer war für die voluminösen Röcke zuständig, Ferrari-Krieger für die Oberteile. "Die Mieder bestehen zum Teil aus vier Lagen. Das ist so viel Handarbeit, man kann von echter Couture sprechen", erzählen die Mode-Expertinnen, die unter dem Label Costumes Couture miteinander arbeiten.

Dreharbeiten im deutschen Bamberg

©Jan Rasmus Voss/Netflix

Das Kleid bei Mayer und Ferrari-Krieger ...

©Costumes Couture

... und in der zweiten Staffel von "Die Kaiserin"

©Netflix The Empress S2

Jede Saison ein anderer Trend

Die damaligen Kleider waren nicht weniger aufwendig. Das gesellschaftliche Leben der Aristokratie war getrieben von oberflächlichen Mode- und Festkulturen und ließ Kleidung zu einem essenziellen Ausdruck von Reichtum und Status avancieren – ein Phänomen, das vor allem die Hitserie "Bridgerton" treffend widerspiegelt, auch wenn die Geschichten um die Londoner High Society im 19. Jahrhundert sehr fantasiereich und historisch wenig akkurat sind.

"Jede Saison war eine andere Farbe und andere Blüten und Broschen angesagt, die auf Kleider geschneidert wurden. Wer es sich leisten konnte, schmückte sich im Winter mit echten Blumen. Ein Zeichen, dass man genug Geld hatte, um ein Glashaus und einen Gärtner zu besitzen", erzählt Unterreiner.

Kein Schmuck für Sisi

Sisi selbst aber hob sich vom Rest der Gesellschaft gerne ab, bevorzugte unaufgeregte Töne und setzte mit ihrer Vorliebe für Schwarz, Grau und Mauve (rosiges Flieder) modische Akzente, die Trends ihrer Zeit bestimmten.

Auf Schmuck verzichtete sie privat. "Als Kaiserin brauchte sie diese Art von Statussymbol nicht, sie fand Schmuck eher unpraktisch und trug ihn nur zu offiziellen Zeremonien."

Staffel 2: Erherzogin Sophie, Franz Josephs Mutter, was am Wiener Hof sehr einflussreich

©Netflix

"Natürlich schade"

Knallige Farben gibt es auch in der aktuellen Produktion nicht zu sehen. Mayer und Ferrari-Krieger setzten bei Erzherzogin Sophie auf Schwarz und Grau. Für die Anproben ging es nach Prag. Viele finale Stylings haben die Modemacherinnen aber selbst noch nicht gesehen und schauen die neuen Folgen mit Spannung. 

Zur Enttäuschung von Mayer sind ihre Röcke oft nur für Sekunden zu sehen. “Das ist natürlich schade, weil so viel Zeit und Arbeit in die Stücke geflossen ist.“ 

Dennoch mache die Arbeit wahnsinnigen Spaß und sei ganz anders, als etwa eine Abendkollektion zu entwerfen. "Ein Filmkostüm muss viel mehr gebrochen werden, um Spannung zu erzeugen. Es ist eine andere Welt." Eine, in die die beiden auch noch gerne für eine dritte Staffel eintauchen würden. 

Christina Michlits

Über Christina Michlits

Hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert. Nach Kennenlernen des Redaktionsalltags bei Profil und IQ Style, ging es unter anderem zu Volume und dem BKF. Seit 2010 bei KURIER für die Ressorts Lebensart und Freizeit tätig. Schwerpunkte: Mode, Design und Lifestyle-Trends.

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