Cartier Crash: Wie eine deformierte Armbanduhr Kultstatus erlangte

Die Uhr mit der zerronnenen Optik ziert inzwischen die Handgelenke zahlreicher Prominenter.

Der erste Blick lässt einen am eigenen Sehvermögen zweifeln. Mit dieser Armbanduhr stimmt doch etwas nicht? Tatsächlich ist die Cartier Crash – von der hier die Rede ist – voll funktionsfähig. Und nebenbei auch ein echter Verkaufsschlager am Uhrenmarkt.

Der tragbare Zeitanzeiger wird nicht nur von Sammlern geschätzt. Das sonderbare Stück, das wegen seines verzogenen Gehäuses und seiner zerlaufenen Kontur an ein surreales Gemälde von Salvador Dalí erinnert, schmückte in der Vergangenheit auch Stars wie Jay-Z oder Kim Kardashian.

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Aber alles von Anfang an. Die Erfolgsgeschichte des Schmuckstücks nimmt 1967 in London ihren Lauf. Ein Kunde brachte damals eine bei einem Autounfall beschädigte Uhr in ein Cartier-Geschäft zur Reparatur. Der Aufprall – bei dem wohl auch ein Brand ausbrach – hatte das einst ovale Gehäuse zum Schmelzen gebracht. Jean-Jacques Cartier, der Urenkel des Firmengründers Louis-François Cartier, war "von der Form so angetan, dass er beschloss, sie zu reproduzieren", steht in Dokumenten des Unternehmens geschrieben.

Zufall oder Maßanfertigung?

Die Geschichte ist umstritten. Auch innerhalb des Cartier-Clans. Francesca Cartier Brickell, die Enkelin des Gründers Jean-Jacques, schrieb etwa in ihrem 2019 erschienenen Buch "The Cartiers", es habe sich bei dem Modell ursprünglich um eine Maßanfertigung für treue Kundinnen und Kunden gehandelt.

Unabhängig von ihrer Entstehungsgeschichte: Die Cartier Crash umgibt bis heute eine gewisse Mystik, wie Benjamin Clymer, Gründer der Luxusuhrenseite Hodinkee, gegenüber CNN erklärt. "Ich denke, die Geschichte ist einfach so fesselnd, so wunderbar und romantisch und verrückt. Und dann der Name: Cartier Crash mit den doppelten Konsonanten – das hat einfach einen Klang."

Angenommen wird, dass in der ersten Produktionsserie nur etwa ein Dutzend Uhren hergestellt wurden. Die asymmetrische Form der Uhr erschwerte ihre Herstellung. Die für Cartier typischen römischen Ziffern und schwertförmigen Zeiger erwiesen sich am ebenfalls verzerrten Zifferblatt als schwer lesbar.

Kaum ablesbar

"Diese erste Crash-Uhr sorgte für eine Menge Kopfzerbrechen", schreibt Francesca Cartier Brickell in ihrem Buch. "Es ist ja schön und gut, ein ansehnliches Design zu entwerfen, aber sie muss auch die Zeit anzeigen."

Der Erfolg stellte sich entsprechend langsam ein. Stewart Granger, einer der größten Filmstars der Sechziger, gehörte zu den ersten Kunden. Allerdings gab er die Uhr nach nur einer Woche zurück. Sie war ihm "zu ungewöhnlich". Die Uhr sei "zu radikal" für die Kundschaft gewesen, schreibt auch Brickell.

Dennoch: die absonderliche Armbanduhr setzte sich durch. Die allererste Crash soll für rund 1.000 US-Dollar verkauft worden sein. Das entspricht heute etwas mehr als 8.000 Euro. Insbesondere in den vergangenen Jahren ist der Wert der Uhr auf dem Wiederverkaufsmarkt sprunghaft angestiegen.

©REUTERS/DENIS BALIBOUSE

Rekordpreise

Im Jahr 2021 erzielte ein Exemplar aus dem Jahr 1970 bei Sothebys in Genf einen Preis von über 806.000 Schweizer Franken (819.000 Euro) und stellte damit einen Rekord auf. Nur ein Jahr später brach ein außergewöhnlich seltenes Original aus dem Jahr 1967 den Rekord erneut, als es für über 1,65 Millionen Dollar über das Online-Uhrenauktionshaus Loupe This verkauft wurde.

Die astronomischen Preise lassen sich laut Uhrenspezialisten zum Teil auf die Seltenheit des Modells auf dem Sammlermarkt zurückführen. Obwohl Cartier die Gesamtzahl der hergestellten Uhren nicht veröffentlicht, gehen Experten davon aus, dass es nur ein paar Hundert Exemplare gibt.

Weißgold, Rotgold und Platin

Nach der ersten Serie produzierte Cartier die Crashes auf Anfrage. Es folgten neue Versionen in Weißgold, Rotgold und Platin. 2018 bot Cartier zwei neue Crashes in limitierter Auflage an: eine mit einem Gehäuse aus 18-karätigem Gelbgold, die andere aus Weißgold mit Diamanten besetzt.

Zwischenzeitlich flaute das Interesse an der Crash ab, wurde jedoch durch einen öffentlichen Auftritt von Kanye West mit der Uhr im Jahr 2018 neu entfacht. Auch andere Stars ließen sich mit dem Schmuckstück blicken: Schauspieler Daniel Levy etwa, aber auch It-Girl Kim Kardashian und Rapper Jay Z.

Wie bereits eingangs erwähnt, sieht die Cartier Crash aus, als wäre sie einem Gemälde des spanischen Malers Salvador Dalí entsprungen. Insbesondere die Ähnlichkeit zu den ikonischen Uhr-Abbildungen aus Dalís "The Persistence of Memory" ist frappant. Auf dem Ölgemälde aus 1931 scheinen Uhren in einer kargen Landschaft zu schmelzen.

Ob und inwieweit sich Jean-Jacques Cartier von Dalís Gemälden inspirieren ließ, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.

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