Wo Frauen über missglückte Dates ablästern können

Unter dem Hashtag #DatingTok finden Frauen Trost, indem sie Dating-Missgeschicke in virale Inhalte verwandeln.

45 Sekunden dauerte das Date von Rachel Wilson in einem Buffalo Wings-Restaurant: Ihr Date wollte nur schnell das Auto parken und kehrte nicht mehr zurück. Stattdessen schickte er eine Nachricht aus dem Fluchtwagen: "Tut mir leid, ich hatte einfach keine Lust :(".

Fassungslos löschte Wilson seine Nummer und ging nach Hause. Mit ihrem Handy mache sie anschließend ein Tiktok-Video, in dem sie den Abend Revue passieren ließ und mit einem scherzhaften Plädoyer endete, dass Männer das Date wenigstens zu Ende bringen sollten, bevor sie Ghosting betreiben.

"Du hast gesagt, wenn die Verabredung schlecht ausgeht, kann ich sie für Inhalte nutzen", erinnert Wilson das Date. Das Video wurde über Nacht Zehntausende Male angeschaut. Vier Tage später machte sie ein weiteres Video über dasselbe Date. Es wurde mittlerweile 4,2 Millionen Mal angesehen.

Jetzt berichtet die renommierte New York Times über den neuen Tiktok-Trend, den Wilson mit dem Hashtag #DatingTok ausgelöst hat. "Ich habe das Gefühl, dass dieses Video meine kleine Belohnung war", sagt die 28-Jährige.

Feedback, Mitgefühl oder Gehör sind in der Welt des Datings nur schwer zu bekommen. Aber unter dem Hashtag können Dating-Enttäuschte potenziell Millionen von Zuschauern erreichen, indem sie Details über ihr Liebesleben - insbesondere die Mühen - preisgeben. Von bissigen Kommentaren über Dates, bis zu Kritik von Dating-Apps sowie ausführliche Berichte über Trennungen und Heilung: In der Regel ist ein Mann Mitte 20 der Bösewicht und die Mitteilende eine junge Frau.

Die Aussicht, dass der Bericht viral gehen könnte, scheint ein kleiner Trost und eine kleine Form der Vergeltung zu sein. "Das ist der Reiz der sozialen Medien, nicht wahr?", sagte Wilson, eine Studentin aus North Carolina. "Diese köstlichen kleinen Dopaminschübe, die man bekommt, wenn die Leute im Internet mit einem kommunizieren."

Einige der Video-Produzentinnen haben eine große Fangemeinde und konnten sogar Sponsorenverträge mit Partnerbörsen an Land ziehen, wie Mariah Grippo erzählt. "Es begann mit Liebeskummer", so die 29-jährige Grippo im Interview mit der New York Times.

Ende 2021 begann sie nach dem abrupten Ende einer Beinahe-Beziehung mit dem Posten auf Tiktok, es folgten zahlreiche Beitrage: Heute hat die US-Amerikanerin mit großem komödiantischem Talent mehr als 100.000 Follower, von denen die überwiegende Mehrheit Frauen sind: "Ich bin einfach ein verletzter Mensch". Sie habe ihre Videos vom Bett aus gefilmt und nachvollziehbare Erfahrungen geteilt, "die Mädchen hören wollen".

Mittlerweile arbeitet die Marken-Managerin mit Unternehmen wie Tinder zusammen.

Als mittlerweile erfolgreiche Tiktokerin kann auch Mimi Shou bezeichnet werden: Die 28-Jährige erzählte in einigen Beiträgen über ihre Dates mit einem typischen Finanzier und machte sich auch darüber lustig, dass sie sich überhaupt von ihm angezogen fühlte. "Ich habe gemerkt, dass die Leute über die Verletzungen sprechen wollen, die sie erlebt haben, und sich vergewissern wollen, dass sie nicht alleine sind", sagt sie. "Also habe ich angefangen, mehr über Dating-Ratschläge und meine eigenen Erfahrungen zu sprechen." Inzwischen hat sie mehr als ein Dutzend Markenpartnerschaften und überlegt ihren Job als Schmuckdesignerin einzustellen.

Wilson, die vor Kurzem ein weiteres erstes Date hatte, glaubt, dass es sich für ihre Fans gelohnt hat, ihre Geschichte des 45-Sekunden-Dates zu teilen: Es sei "das Peinlichste, was ich je auf Tiktok gepostet habe".

Die Leute wollen wissen, wie das neue Date gelaufen ist, sagt sie. "Und das gibt mir ein warmes und kuscheliges Gefühl." 

Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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