Sex, Liebe, Libido: Warum es so wichtig ist, den Körper zu spüren
Unser Körper erzählt die wahren Geschichten – über das, was wir fühlen, und brauchen, um Begierde zu spüren.
Seltsames berichtet Leserin K. Unlängst hätte sie sich eine Massage gegönnt, und nein eh nichts Unanständiges, sondern was ganz Normales – siehe da: Sie fuhr in ihrem Smart nach Hause und verspürte von einer Sekunde zur anderen exzessive Geilheit. Da saß sie also, in ihrem kleinen Fahrzeug und es fühlte sich wunderbar satt an. Hintern auf Autositz, Unterleib auf Unterlage, good Vibrations. Nicht, dass sie das zum Orgasmus führte, das wäre wohl zu viel des Guten gewesen, aber: Ihr Unterleib war da, auf neue Weise präsent. Er rief: „Hier bin ich, spür mich.“ Sie war wirklich überrascht, von sich selbst, der Wirkung eines harten Autositzes und ihrem Unterleib sowieso. Dann drehte sie das Radio lauter und hörte nicht mehr auf, sich zu wundern. Absolute Krönung: Ihr Mann war nicht griffbereit, folglich schnappte sie sich ihren Vibrator und ließ sich gehen. Was da bitte passiert sei, fragt sie mich.
Ein Wunder? Eine Eingebung? Genitale Erleuchtung?
Naja, wollen wir nicht gleich abheben. Aber Hoffnung machen. Ich denke, sie hat durch die Massage etwas erlebt, das „Körperlichkeit“ ist. In tiefer Entspannung schien Energiefluss möglich, sie konnte sich nach langer Zeit wieder einmal in all ihren Einzelteilen spüren. Präsent, bewusst, hier und jetzt. Den Arm, die Muskulatur des Rückens, die Wangen, die Stirn – und ja, auch den Unterleib.
Daher lohnt es sich manchmal, dem Körper intensiv zuzuhören. Der lügt nämlich nicht, im Gegensatz zum Verstand. Der Körper führt uns dahin, wo wir hinwollen. Unmissverständlich.
Im Körper sein können
Im Grunde ist Sexualität ja vor allem eines: Man hat Lust auf den eigenen Körper, um damit zu experimentieren. Was dann alles noch als „Goodie“ dazukommt, wunderbar – aber das „im Körper sein zu können“ ist dabei zentral und wesentlich. Was heißt das? Ganz einfach: Manchmal ein bisschen weniger im Hirn herumzuschwirren, stattdessen fühlen, was da ist. Bei vielen Menschen hat der Verstand längst das Regime übernommen – und zwar so sehr, dass vom Rest des Lebe-Wesens kaum mehr etwas fühlbar bleibt. Wir denken uns um unser Wohlbefinden und unsere Lust. Das Gehirn gibt den Takt an: Mach dies, organisiere das, sei überzeugt, pass dich an, streng dich an, ich bin hier der Chef. Doch zu viel oben ist zu wenig unten. Irgendwann schwurbelt die Energie nur mehr in unserem Denkorgan herum und dominiert alles, trennt uns ab, von dem, was wir auch sind: fühlende, begehrende, lustvolle Wesen, die von diesem ganzen Alltagsscheiß wirklich genug haben. Dann haben wir uns vollends von unserem Fühlen und Empfinden entfernt, was gar nicht gut ist. Weil Sex das pure Fühlen und Empfinden ist – und genau das zwingend braucht. Ohne Körper geht gar nix, auch wenn der Geist keine unwesentliche Rolle dabei spielt, im Sinne von Fantasien und Sehnsüchten.
Daher lohnt es sich manchmal, dem Körper intensiv zuzuhören. Der lügt nämlich nicht, im Gegensatz zum Verstand. Der Körper führt uns dahin, wo wir hinwollen. Unmissverständlich. Und zwar abseits von allem, was wir uns an Bildern, an gesellschaftlichen Vorgaben und Konstrukten über uns selbst im Laufe der Zeit zusammengebastelt haben. Unser Körper schreit nach der Wahrheit. Umso mehr lohnt es sich, ihn zu feiern und zu achten. Ihm Raum zu geben. Sich in ihn hineinzuentspannen, womit wir wieder bei diesem speziellen Gefühl nach der Massage gelandet wären. Ohne Entspannung ist nix, ohne Momente der Stille und der Pause, in denen wir atmen dürfen, um uns in uns selbst hineinfallen zu lassen, geht nix. Weil der Körper dann nicht erzählen kann, was er will. „Embodiment“ heißt das – und es bedeutet, im Augenblick zu sein, um mehr zu fühlen und weniger zu denken. Ein Fest der Freude. Mit oder ohne Autositz.
Positive Sexualerziehung
Das „Pleasure Project“ setzt sich seit vielen Jahren für das Einbeziehen von Lust und Spaß in der Sexualerziehung ein. In einer Metastudie mit der WHO zeigte sich, dass bei vielen Programmen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit die Aspekte Erotik und Lust vernachlässigt werden. Meist geht es bei Sexualerziehung um Angst und Gefahr vor Krankheiten und viel zu wenig um die schönen Seiten. Das gehört geändert - weil beide Aspekte ihre Berechtigung haben.
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