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Warum es für viele Paare ein Problem ist, wenn die Frau größer ist

Melanie lehnte lange Zeit kleinere Männer ab – bis sie Esmat traf. Wieso in Beziehungen die Körpergröße eine zentrale Rolle spielt.

Von Alina Juravel

Melanie und Esmat sind nun schon seit sechs Jahren ein Paar – und lieben sich noch immer wie am ersten Tag. Seit drei Jahren sind sie verheiratet und haben mittlerweile zwei kleine Töchter. Doch Vorurteile und Klischees hätten ihnen dieses Beziehungsglück fast verbaut. 

Melanie hatte einen Vorsatz: Sie wollte nur Männer daten, die größer sind als sie. „Ich wollte zuerst keine Beziehung mit Esmat, weil er kleiner ist“, gesteht die 33-Jährige.

Vier Zentimeter trennen die beiden. Sie ist 1,77 Meter groß, er 1,73 Meter. „Der Größenunterschied war für mich lange Zeit ein Pro­blem, da ich mir immer einen größeren Mann an meiner Seite wünschte“, erzählt Melanie. Und ihr Wunsch ist keine Seltenheit bei Frauen. Auch wenn sich die meisten eine gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe wünschen, gilt das nicht für die Körpergröße. Sie spielt bei der Partnerwahl eine übergeordnete Rolle, betont auch Psychologe Guido Gebauer, der auf diesem Gebiet forscht. Doch er warnt vor dieser Haltung, und auch Melanie hat eine klare Botschaft.

"Kleine Männer haben es schwerer"

Gebauer befragte für eine Dating-Plattform je 500 Männer und 500 Frauen im Alter zwischen 18 und 86 Jahren nach ihrer Vorliebe zur Körpergröße des Partners. Das deutliche Ergebnis überraschte selbst ihn. Ganze 70 Prozent der Frauen gaben an, dass der Mann an ihrer Seite größer sein sollte. Keine von den befragten Frauen wollte einen kleineren Freund haben. Damit steht für den Psychologen fest: „Kleine Männer haben es auf dem Single-Markt schwerer als kleine Frauen.“

Besonders ernüchternd daran war: Mehr als ein Drittel der Frauen würde von der Größe nicht einmal absehen, wenn alle anderen Eigenschaften am Mann für sie passen würden – so wie anfangs auch Melanie. Bei Esmat war die Körpergröße dagegen nie ein Thema. „Mich hat es nie gestört, dass Melanie größer ist als ich“, sagt er. „Was einen Menschen ausmacht, ist sein Charakter und nicht seine Körpergröße.“

Auch hier bestätigt das Paar die Erkenntnisse des Forschers. Laut Gebauer spielt bei Männern die Körpergröße bei der Partnerwahl keine große Rolle. Nur etwa ein Drittel gab an, die Partnerin solle kleiner sein. Und: Die meisten von ihnen wünschten sich das nur, weil sie befürchten, von größeren Frauen abgelehnt zu werden, erklärt er.

Traditionelle Vorstellungen

Doch warum spielt für Frauen die Körpergröße ihres Partners noch immer eine so wichtige Rolle? „Der Mann muss nicht mehr den großen Beschützer und Ernährer spielen, doch die Präferenzen nach Körpergröße sind geblieben“, erläutert Psychologe Gebauer. Seine Erklärung: „Die Vorstellung, dass Männer in einer heterosexuellen Beziehung größer sein sollten, wird häufig mit bestimmten Erwartungshaltungen und Stereotypen verbunden.“ Diese Erwartungshaltung werde oft unbewusst durch Erziehung und Medieneinflüsse weitergegeben.

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Melanie und Esmat sind verheiratet und haben zwei gemeinsame Töchter.

©Theo Klein

So ging es auch Melanie. „Ich hatte lange Zeit diese traditionelle gesellschaftliche Vorstellung im Kopf, dass der Mann in einer Beziehung größer zu sein hat als seine Frau“, gesteht sie. Und dieses Bild habe sie lange Zeit gar nicht hinterfragt. Deshalb kam es für sie zuerst gar nicht infrage, Esmat eine ernste Chance zu geben, als sie ihn bei der Arbeit kennen und lieben lernt. Selbst als sie starke Gefühle für Esmat entwickelte, hatte sie Sorgen, mit ihrem Größenunterschied aufzufallen. „Ich hatte Angst, die Leute würden uns anschauen und blöde Kommentare machen.“

Es dauerte fast zwei Jahre, bis Esmat und Melanie ein Paar wurden. „Ich musste erst lernen und einsehen, wie oberflächlich meine Haltung ist und dass es nicht darauf ankommt, ob man der gesellschaftlichen Idealvorstellung entspricht“, erzählt die 33-Jährige. Erst diese Selbstreflexion habe ihr geholfen, ihre innere Erwartungshaltung abzulegen: „Mein Glück soll schließlich nicht von dem abhängen, was Leute über mich sagen könnten.“

Es braucht mehr positive Beispiele

Auch Psychologe Gebauer sagt: „Es hilft schon, sich einfach mal zu fragen, woher diese Vorstellung eines größeren Mannes eigentlich kommt und ob das wirklich so wichtig ist.“ Vor allem beim Online-Dating rät er, nicht von Vornherein ganze Gruppen auszuschließen, nur weil sie der eigenen Idealvorstellung und der Größenpräferenz nicht entsprechen.

„Manche derjenigen, die Matches wegen der Körpergröße gleich ausschließen, bleiben deshalb womöglich sogar für immer alleine“, warnt der Psychologe und verweist auf die hohe Single-Rate. Auch mehr Sichtbarkeit und offene Diskussionen könnten dazu beitragen, die Akzeptanz für alle Arten von Partnerschaften zu erhöhen. Gebauer betont: Je mehr Menschen in den Medien sehen, dass Größenunterschiede normal und schön sein können, desto eher könnten sie diese auch in der Realität akzeptieren und wertschätzen. „Wir brauchen mehr Beispiele, dass Liebe und Partnerschaft nicht von Körpermaßen abhängen“, sagt der Psychologe.

Melanie jedenfalls ist sehr glücklich darüber, dass sie ihre eigenen Vorsätze, keine kleineren Männer zu daten, über Bord werfen konnte. Das Einzige, was das ungleiche Paar manchmal immer noch spüre, erzählt Melanie, seien die Blicke der anderen, wenn sie verwundert oder abschätzig beäugt würden. Anfangs sei das belastend gewesen, aber mittlerweile kann Melanie mit den Vorurteilen umgehen.

„Es ist in Ordnung, wenn wir auffallen. Und mir ist es mittlerweile völlig egal, was andere Menschen über mich denken könnten“, sagt die 33-Jährige.

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