
Stark aus der Krise? Was Beziehungen wirklich festigt
Wenn nach der ersten Verliebtheit, der Alltag einzieht, zeigt sich wie stabil eine Beziehung wirklich ist. Emotionale Intelligenz, ist das was sie trägt, sagen zwei Psychotherapeutinnen.
Zu Beginn einer Beziehung scheint vieles einfach: Körperliche Anziehung, gemeinsamer Humor, erfüllender Sex – das Fundament einer Partnerschaft scheint schnell gelegt. Doch was trägt sie wirklich durch Krisen, Missverständnisse und die Last des Alltags? Psychologinnen und Therapeuten sehen die Antwort zunehmend nicht nur in gelungener Kommunikation, sondern auch in einer Fähigkeit, die lange unterschätzt wurde: emotionale Intelligenz, auch emotionaler Quotient (EQ) genannt.
Empathie heißt nicht, alles zu verstehen oder gutzuheißen.
Die Paartherapeutinnen Ana Marin und Jennifer Brokopp aus Karlsruhe arbeiten täglich mit Paaren, deren Beziehung an emotionaler Intelligenz scheitert oder aber wächst. Für Marin bedeutet sie, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, ohne sie zu verdrängen oder zu dramatisieren. „Es geht darum, Emotionen einzuordnen, zu regulieren und konstruktiv zu nutzen“, sagt sie. Wer impulsiven Reaktionen nicht blind folge, sondern innehalte, verstehe sich selbst besser und handele bewusster.
Ebenso wichtig ist der Blick nach außen: Empathie, Zuhören, Reaktionen des Gegenübers wahrnehmen. „Empathie heißt nicht, alles zu verstehen oder gutzuheißen“, sagt auch Paar- und Familientherapeutin Jennifer Brokopp, „sondern die Gefühle des Gegenübers zu erkennen, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.“
Aktivität und Eigenverantwortung
Laut den Therapeutinnen zeigt sich emotionale Intelligenz unter anderem durch aktives Zuhören, den konstruktiven Umgang mit Kritik und durch Eigenverantwortung für Fehler. Warnsignale, dass die eigene emotionale Intelligenz möglicherweise nicht ausreichend ausgeprägt ist, sind hingegen ständige Schuldzuweisungen, impulsive Gefühlsausbrüche und das Bagatellisieren von Gefühlen.
Einige Menschen scheinen ein intuitives Gespür für Stimmungen zu haben. Doch emotionale Intelligenz ist kein angeborenes oder festgelegtes Talent, sondern entwickelbar. „Wir übernehmen viel mehr von unseren Eltern, als uns oft bewusst ist – gerade wenn es um den Umgang mit Gefühlen geht“, sagt Paartherapeutin Brokopp. Kinder beobachten, wie Erwachsene auf Wut, Trauer oder Scham reagieren, und ziehen ihre Schlüsse daraus. „Wenn ein Kind erlebt, dass seine Gefühle benannt und ernst genommen werden, dann lernt es: Ich darf fühlen. Ich bin sicher“, erklärt sie.
Emotionale Intelligenz ist also nicht genetisch festgelegt, sondern vor allem ein Ergebnis von Vorbildern und Erlebnissen. Das betont auch Ana Marin. „Wenn Kinder sehen, wie Eltern ihre eigenen Emotionen regulieren, sich gegenseitig zuhören, ehrlich, aber respektvoll streiten, dann prägt das ihr eigenes Verhalten viel nachhaltiger als jedes Erziehungsbuch.“ Wer dagegen schon als Kind erlebt, dass Gefühle ignoriert, bagatellisiert oder gar bestraft werden, sucht sich laut der Therapeutin später oft mühsam eigene Strategien, um mit ihnen umzugehen – nicht immer gesunde. Paartherapeutin Marin ergänzt: „In romantischen Beziehungen bedeutet emotionale Intelligenz, dass beide Partner nicht nur ihre eigenen Gefühle spüren, sondern auch die des anderen ernst nehmen – und entsprechend handeln.“ Es geht nicht um Harmonie um jeden Preis, sondern um das feine Gleichgewicht zwischen Ausdruck und Einfühlung.
Emotionale Intelligenz lässt sich trainieren
„Wenn wir unsere Gefühle nicht aussprechen, entsteht ein Vakuum“, sagt Marin. „Der andere spürt, dass etwas nicht stimmt, weiß aber nicht, was. Dann beginnt das große Rätselraten.“ Schweigen wird zum Rückzug, Rückzug zur Kränkung und schließlich zur Distanz. Jennifer Brokopp warnt vor emotionaler Entfremdung. Entscheidend sei nicht, jede Emotion zu analysieren, sondern sie anzuerkennen. Denn wer sich gesehen fühle, bleibe im Gespräch. Wer sich nicht verstanden fühle, ziehe sich zurück oder werde laut.
Emotionale Intelligenz schafft darüber hinaus emotionale Stabilität. „Wenn beide Partner in der Lage sind, ihre eigenen Gefühle zu regulieren und die des anderen einzuordnen, entsteht ein Beziehungsraum, in dem Sicherheit und Nähe wachsen können“, sagt Marin. Problematisch werde es, wenn emotionale Intelligenz in einer Beziehung ungleich verteilt ist. „Dann entsteht ein Ungleichgewicht“, so Marin. Laut der Therapeutin übernimmt oft der empathischere Partner die emotionale Hauptlast: Er erkennt Konflikte, bevor sie eskalieren, spricht sie an, beruhigt und erklärt. „Auf Dauer kann genau das erschöpfen.“
Die gute Nachricht: Wer sich selbst oder seinen Partner nicht für besonders einfühlsam hält, muss sich damit nicht abfinden. Emotionale Intelligenz lässt sich trainieren. Und dieser Prozess beginnt mit etwas ganz Einfachem: Hinsehen, Hinhören, Innehalten. „Schon das regelmäßige Aufschreiben der eigenen Gefühle kann viel verändern“, sagt Paartherapeutin Marin. „Es geht darum, sich selbst zu beobachten, ohne sofort zu urteilen.“ Das helfe, die eigenen Reaktionen besser zu verstehen und weniger impulsiv zu handeln. Auch ehrliches Feedback von Freunden oder Familienmitgliedern kann helfen, blinde Flecken zu erkennen.
„Die eigene Gefühlslage stimmt nicht immer mit dem überein, was andere wahrnehmen“, sagt Brokopp. „Ich kann mich innerlich verletzt fühlen, aber nach außen völlig unbewegt wirken.“ Wer verstehe, wie seine Emotionen beim Gegenüber ankämen, könne beginnen, sie klarer und bewusster zu kommunizieren.
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