Für immer - oder vielleicht doch nicht?

Ein Comedy-Sketch als Anregung für Heiratswillige: Was wäre alles anders, gäbe es so etwas wie eine „Schnupperehe“?

Von Gabriele Kuhn & Michael Hufnagl

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Unlängst stieß ich auf das Konzept der „Schnupperehe“: eine Comedy-Szene, in der Anke Engelke als Braut last minute vor dem Altar (samt Bräutigam) die Idee eines „für immer“ anzweifelt. Man könne einstweilen nur bis zum nächsten Sommer heiraten, im Sinne der Flexibilität. Herrlich. Und passend. Denn als der Mann gegenüber und ich anlässlich unseres Hochzeitstages im Schatten eines alten, verbogenen Baumes auf mich das Glas erhoben, fühlte ich mich ein bisserl wie dieser Baum: knorriger und älter, stark, aber auch ein bisserl schief. Und dann sagte er (der Mann, nicht der Baum): „Ich würde dich sofort wieder heiraten.“

Romantische Dichtung

Ich weiß, er meint das genauso – als praktizierender Euphoriker mit ausgeprägtem Talent für romantische Dichtung. Schön, aber tückisch. Doch wie wäre es umgekehrt? Mich räuspernd nahm ich mir ein Herz und sagte: „Ich auch, aber nur bis zum nächsten Sommer.“ Schnupperehe, quasi. Wobei sich das ebenso als kapitaler Schwachsinn entpuppen könnte, zumal der Mann mehrfacher Oscarpreisträger in der Kategorie „Tarnen, täuschen, glänzen & brillieren“ ist. Ich bin fix überzeugt, dass er es schaffen würde, ein Jahr lang meinen sorgfältig befüllten Geschirrspüler NICHT murrend umzugestalten. Oder ein Jahr lang so zu tun, als wäre er ein Gartenenthusiast. Auch, dass es ihm gelingen würde, den „Freiraum“, den er als Lösung für eh alles erachtete (Ischiasweh, Migräne, Schluckauf), als „dumme Jugendsünde“ hinzustellen. Den ehelichen Kerker hingegen als Elysium, in dem es nur zwei Dinge gibt, die ihn beglücken: mich und mich. Lediglich in Sachen Fußball würde es misslingen, seine Besessenheit als „gelegentliches Interesse“ darzustellen. Eine Schnupper-Eheschließung im Juni 2024 wäre also maximal ungünstig gewesen. Vermutlich hätte er heute alles auf einmal: Ischias-Aua, Migräne, Schluckauf, Seelentrauma. Daher also: Finale statt Schnupperliebe.

Er

Meine Frau bleibt auch nach vielen gemeinsamen Jahren unberechenbar, und das ist schön. So habe ich am Hochzeitstag unmittelbar nach dem Anstoßen weit ausgeholt, um mit Erzählungen über das Gelungene eine würdige Atmosphäre zu schaffen. Und während ich die bunten Girlanden eines Ehelebens zu einem prächtigen Wortkranz flocht, dachte ich daran, wie ich dem zu erwartenden Tränenstrom der Rührung am besten begegnen würde. Aber was geschah? Die Gattin lauschte, lächelte und nützte meine erste Atempause zu dem merkwürdigen Satz: Hast du eigentlich „Schnupperehe“ gesehen? Meine Irritation offenbarte sich in jener Sprachlosigkeit, die gnä Kuhn – durchtrainiert wie sie bezüglich Dialog-Raffinesse ist – zur erstaunlichen Themenwende nützte. Schon saßen wir über das Handy gebeugt und sahen uns das komische Video an. In dem der Bräutigam vor dem Altar am lebenslangen Konzept zweifelt und sagt: „Für immer, also, das kann ja unter Umständen ziemlich lange sein.“ Die Braut ergänzt: „„Man kann ja heute so schwer im Voraus planen.“ 

Humor-Offensive

Nun bauten wir das Szenario einer Heirat auf Bewährung aus. Mein Beitrag dazu war eine Analogie zum Fußball, wo die Verbindung zwischen Verein und Spieler ja auch zeitlich begrenzt wird, um zu sehen, ob das Zusammensein erfolgreich ist. Wenn ja, gibt’s Vertragserneuerung. Umgelegt auf uns hätte das bedeutet, dass ich nach angemessener Zeit gesagt hätte: „Passspiel zwischen Klugheit und Leidenschaft funktioniert, Humor-Offensive immer in Bewegung, Familiendribblings vom Feinsten, lass’ uns verlängern!“ Wer weiß, vielleicht hätte sich solcherart auf der Spielwiese des Alltags  manch gelbe Karte vermeiden lassen? Andererseits ist das Vertraute und Verlässliche so liebenswert wie unverzichtbar. Zum Beispiel heute Abend, wenn das Finale der EURO angepfiffen und meine Frau fragen wird: Wer spielt denn? Dann weiß ich: Die Ehe ist ein ewiges Schnuppern. 

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