Burda bis Klitschko: Späte Scheidungen und (zu) hohe Ansprüche
Während die Scheidungsrate sinkt, steigt sie bei Paaren, die 25 Jahre oder länger verheiratet sind. Warum auch (zu) hohe Ansprüche und Narzissmus eine Rolle spielen.
„Wir leben bereits seit Jahren getrennt“, erklärt Vitali Klitschko zur offiziell eingereichten Scheidung von Natalia nach 26 Jahren Ehe. Als Bürgermeister von Kiew lebt er in der Ukraine, sie mit den drei Kindern in Deutschland. Nur zwei Tage davor hat ein anderes Society-Paar öffentlich seine Trennung nach 30 Jahren Paarlauf erklärt.
Der 85-jährige deutsche Medien-Millionär Hubert Burda und die 55-jährige Schauspielerin Maria Furtwängler „gehen bereits seit geraumer Zeit getrennte Wege. Sie sind einander, auch angesichts der beiden gemeinsamen Kinder, freundschaftlich und familiär verbunden“, lässt Furtwänglers PR-Team wissen.
Emotional bei Null
Still und heimlich hatte man sich also schon jahrelang voneinander entfernt. „Grundsätzlich geht es vielen Paaren so, wenn die Kinder erwachsen sind und man in der Beziehung emotional bei Null gelandet ist“, analysiert Paartherapeut Christian Beer (www.wienercouch.at). Immer mehr Paare lassen sich auch in Österreich nach mehr als 25 Jahren Ehe scheiden. Die Zahl hat sich seit den Neunzigerjahren auf etwa 13 Prozent verdoppelt. In den Sechzigerjahren waren es gerade einmal vier Prozent.
Romantik ist triebhaft
„Damals kam Scheidung noch einem Hochverrat gleich“, so Beer. In traditionellen Gesellschaften werden Familie und religiöse Aspekte bei Eheschließungen in den Vordergrund gestellt. In der modernen Welt ist der Stellenwert von Romantik und der Befriedigung von sexuellen Bedürfnissen aber immens gewachsen. Und: „Narzissmus spielt auch eine Rolle. Man will das Maximum von einer Beziehung für sich herausholen, die ultimativen Gefühle erfahren. Die Romantik ist aber triebhaft, sie geht nach einigen Jahren flöten“, erklärt Beer.
Männer bereuen schnelle Trennung
Auch wenn Frauen oft den Schritt zur endgültigen Abkapselung machen, sind es viele Männer, die sich während einer langen Ehe in eine sexuell aufregende Beziehung mit jüngeren Gespielinnen stürzen. So wie es im Trennungsfall von Tech-Tycoon Bill Gates und seiner nunmehrigen Ex Melinda gewesen sein soll. „Das ist eine Zeit lang sexuell spannend. Aber ich kenne viele Männer, die der alten Beziehung nachtrauern, wenn sie zu Weihnachten alleine sind – ohne Hund, Kinder und der Frau, die lange Zeit eine enge Freundin war“, erzählt der Experte aus der Praxis.
Frauen fühlen sich befreit
Wenn die späte Separation von der Frau ausgeht, will sie meist ihre eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund stellen, nachdem sie sich jahrelang um Haushalt und Kinder gekümmert hat, skizziert Susan Brown die weiblichen Beweggründe nach ihrer Beziehungsstudie mit 20.000 Männer und Frauen. Die US-Soziologin hat den Begriff „Grey Divorce“ geprägt, die „Graue Scheidung“.
Ohne den Partner besser
Bei Paaren, die beruflich viel auf Achse sind, erschwert die räumliche Entfernung gemeinsame Zeit – wie bei den Klitschkos. Im Idealfall merken beide, dass es sich ohne den Partner gut oder gar besser leben lässt.
Bei dem Ex-Boxer kommen aber vielleicht auch noch viele andere Optionen hinzu, so der Paartherapeut. „Männer mit Status werden von Frauen nach wie vor als attraktiv empfunden. Das schafft Versuchungen, noch dazu, wenn man räumlich getrennt ist.“
Gelegenheit macht also Affären – die zu Trennungen führen können, aber nicht müssen. „Jeder ist gut beraten, wenn man bei einer so schwerwiegenden Entscheidung auf seine Werte bedacht ist und nichts aus einer Laune heraus passiert.“
Zahlen, Infos
Weniger Scheidungen
Die Scheidungsrate lag in Österreich 2021 bei 36,7 Prozent, damit sank sie das dritte Jahr in Folge und ist auf einem erneuten Tiefststand in den letzten zehn Jahren. 2011 lag die Rate noch bei 43 Prozent.
Frauen reichen häufiger die Scheidung ein als Männer.
Mehr „Grey Divorces“
Derzeit wird jede siebente Ehe nach 25 Jahren (Silberhochzeit) geschieden – und ist damit eine „Grey Divorce“. Hier ist die Tendenz steigend. Die US-Soziologin Susan Brown prägte den Begriff und führt den Grund auch auf die bessere finanzielle Absicherung von Frauen zurück: „Die Qualität der Ehen ist heute nicht schlechter als vor einer Generation. Aber die Frauen können sich eine späte Scheidung schlicht besser leisten“
Geld
Der Lebensstandard von Frauen sinkt jedoch nach der Scheidung um etwa 40 Prozent, der von Männern um 20 Prozent
Stimmung
Depressive Symptome steigen nach einer Scheidung signifikant an, bessern sich jedoch nach etwa vier Jahren
39,2 Prozent
von 43.000 befragten Single-Frauen gaben bei einer Umfrage von NextLove an, dass sie sich wegen Untreue vom letzten Partner getrennt haben. Nur ein Grund wurde noch häufiger angegeben: „Wir haben uns auseinandergelebt.“ Weitaus seltenere Beweggründe: ständiger Streit (10,9 %), Erkrankungen (5,6 %) oder wenn das Sexleben zu wenig erfüllend ist
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