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Haute Couture am Kirtag: auf die echte Lederne wartet man ein halbes Leben

Jetzt sollten die Lederhosen längst fertig sein. Die besten Lederhosenschneider Österreichs sticken oft monatelang an einer einzigen Hose. Warum sie Tradition mit Luxus verbinden

Spätestens wenn in der Mitte des Sommers die ersten Waldfeste und Kirtage stattfinden, werden die kurzen Ledernen mit dem Hosenlatz wieder aus dem Kasten geholt. Aber was tun, wenn sie nicht mehr passt oder man noch  gar keine besitzt?  Spätentschlossene haben da gar keine guten Karten, denn wer  auf die Qualität von traditionellen, bestickten, handgemachten Lederhosen  steht, braucht Geduld. Meist jahrelang. Zumindest wenn sie von den besten Lederhosenmachern im Salzkammergut per Hand gefertigt werden. Denn diese Hosen sind nicht nur schön, sondern auch  eine Wertanlage, die man weitervererben könnte.

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Haute Couture von Rudolf Daxner: Er stickt persönlich 3D-Effekte mit grünem Garn ins Hirschleder

©Leder Daxner/bader-images.com

„Wir haben eine Lieferzeit von 15 Jahren für handbestickte Lederhosen. Die haben noch echte Werte, weil alles von Hand bestickt ist“, erzählt Rudolf Daxner aus Ebensee am Traunsee.

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Erst wird angezeichnet, dann geschnitten und genäht, Wartezeit: 15 Jahre, Rudolf Daxner

©Leder Daxner

„Unsere Kunden sind durchschnittlich etwa 45 Jahre alt, wenn sie bei uns bestellen. Die jüngste Kundschaft ist drei Jahre, da möchten die Eltern ihrem Buben eine Lederhose zur Matura schenken“, lacht Daxner. Er produziert Lederhosen aus sämisch gegerbtem Hirschleder und bestickt 80 Prozent der Bestellungen selbst.

Die restlichen 20 Prozent werden von einer Stickerin, die Daxner ausbildete, erledigt. „Genau deshalb haben wir die jahrelange Warteliste, denn wir schaffen zu zweit ja nicht mehr.“ Warum er nicht mehr Angestellte hat? „Ich hatte 10 Lehrlinge, aber nur einer davon war gut genug. Es gehört nämlich eine Portion Talent dazu, die Stickereien so wie ich es möchte, anzubringen, damit sie auch den Wulst mit dem 3D-Effekt haben. Das Tüpfchen auf dem I ist die Begabung – die habe ich.“

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Typisch für Daxners Kunsthandwerk ist der 3D-Effekt bei der Stickerei. Kosten ab ca. 8.000 €

©Leder Daxner

Erzherzog Johann trug Haute Couture

Für die gestickten Blumen und Muster kommen Schablonen, teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert, zum Einsatz. Das sämisch gegerbte Hirschleder bezieht Daxner von regionalen Gerbereien, bestickt wird ausschließlich mit grünem Garn. Für so eine Lederne fängt man am besten auch schon früh an zu sparen. Für durchschnittlich bestickte Hosen sind ca. 80 Stunden, für die aufwendigste, die  neun-nähtige Erzherzog Johann Hose, sind 160 Stunden Handstickzeit, plus 40 Stunden zum Hosenfertigen, nötig. „Erzherzog Johann hat die Lederhose salonfähig gemacht“, erzählt Rudolf Daxner.  Der Preis  seiner Haute-Couture-Ledernen liegt heute zwischen  8.000 und 14.000 Euro (inklusive der Hosenträger). Seine oft berühmten Kunden pilgern aus der ganzen Welt zu ihm nach Ebensee am Traunsee.

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Auch Klaus Traninger fertigt alles per Hand an: Vom Zuschnitt bis zur Stickerei

©Leder Traninger

„Wer bei uns eine Lederne bestellt, bekommt sie aus feinstem Hirsch- oder Gämsenleder aus unserer Gerberei“, erzählt Klaus Traninger aus Bad Aussee. Auch er fertigt alles per Hand an, aber mit drei Mitarbeitern. „Der Abschluss am Hosenrand unten ist besonders und zeigt an, woher die Hose kommt.

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Klaus Traninger bestickt die Lederhosen mit traditionellen Salzkammergut-Mustern

©Leder Traninger

Jede Ortschaft hier, Bad Aussee, Alt Aussee und Grundlsee, hat einen anderen Rand. Farbe in Farbe bedeutet Grundlsee, Schwarz mit gelbem Rand Bad Aussee und schwarze Hose mit weißem, schwarz unterlegtem Rand Alt Aussee. Nur hier gibt es auch das sogenannte Bürsel“, so Traninger.

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Klaus Traninger bestickt die Lederhosen mit traditionellen Salzkammergut-Mustern 

©Leder Traninger

Das Bürsel oder Scharnier, ist eine am Hosenbein angesetzte Leiste aus demselben Leder der Hose. „Wenn jemand einen Hirsch erlegt, kann er bei uns das Leder verarbeiten lassen.“ Ob mit drei, fünf, sieben oder neun Nähten ist Geschmackssache; der Preis hängt vom Stick-Aufwand ab.

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Gegerbt wird in der eigenen Gerberei von Klaus Traninger 

©Leder Traninger

Wartezeit: bis zu eineinhalb Jahren. Die Hosen sind in jeder Altersklasse beliebt, es kauft, wer traditionelles Handwerk schätzt. „Manche stehen auf helle Lederhosen, die sind dann schon alt, denn die Hose wird mit der Zeit  heller. Das muss man sich selbst hart erarbeiten.“

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Monika Ebner macht alles per Hand: vom Zuschneiden, bis zur Stickerei. Die Salzburgerin bestickt auch maschinell – dann wird es günstiger

©Jan Hetfleisch

In Salzburg stehen Kunden hingegen nur 2 bis 3 Monate auf der Warteliste der Maßschneiderei „Wimmer“. Der Familienbetrieb in Schleedorf wird von Monika Ebner, gelernte Säcklerin und erste Frau in der 300-jährigen Geschichte der Manufaktur, geleitet. Auch hier stammt das sämisch mit natürlichen Gerbstoffen gegerbte Hirschleder aus der Umgebung. „Salzburger Lederhosen haben die charakteristische braune Lederfarbe, ein typisch helles Stickmuster und die Teller- oder Bogennaht im Gesäß. Wir haben 20 Mitarbeiter und brauchen etwa 40 bis 50 Stunden Arbeitszeit für eine Lederhose“, erzählt Ebner. Das Stück  kostet dann circa 4.000 bis 6.000 Euro. Aber Wimmer bestickt auch maschinell, dann kostet die Lederne  etwa 2.500 Euro.

Rettl 1848

Modisch von Rettl. Maß-Hirschlederhose Artem mit Handytasche,  1.490 €

©Hersteller

Wer auf modischere Designs setzen und etwas günstigere Hirschlederne erwerben will, muss zwar auf Handstickerei verzichten, findet aber dezent bestickte Modelle mit Handytasche und Silberknöpfen statt rustikalem Horn etwa bei Rettl 1868 (auch auf dem Foto ganz obe). Das Kärntner Traditionsunternehmen eröffnete seine „Civil-Schneiderei“ in Dietersdorf, Steiermark. Maß genommen wird im Shop, Wartezeit: etwa 6 Wochen.

Florentina Welley

Über Florentina Welley

Mag. Florentina Welley schreibt seit 2006 als Lifestyle-Autorin über ihre Lieblingsthemen: Mode, Reise, Design und Kunst. Darüber hinaus konzipiert sie Shootings, kuratiert auch Kunst- und Designevents. Auch Film-Erfahrung hat sie, etwa als Co-Produzentin für den Spielfilm „Die toten Fische“, darüber hinaus ist sie in Werbung und Medien bekannt für Konzepte, Textierungen jeden Genres und Modeproduktionen samt Styling, Regieassistenz, Ausstattung und Kostümbild.

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