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Alles am Schirm: Erfunden von Männern für Männer

Der Regenschirm hat sich seit seiner Erfindung vom unhandlichen Stock zum praktischen „Knirps“ entwickelt. Er wurde zum Modeaccessoire und Laufstegmodell. Mini- oder Stockschirm? Eine Frage des Stils.

Nur ein Knopfdruck entscheidet, ob man im Regen steht oder trocken bleibt. Immer wieder schlägt das Wetter Kapriolen und man benötigt das schützende Objekt, das  heute oft ganz selbstverständlich selbst aus der kleinsten  Laptoptasche geholt werden kann: den „Knirps“. 
Klein und handlich passt der Mini-Schirm sogar fast in eine Clutch und ist immer dabei. Groß und stattlich kommt  hingegen der Stockregenschirm zum Einsatz. Heute vor allem bei offiziellen Events oder Empfängen am Red Carpet, wenn Bodyguards damit  Royals oder Stars wie Lady Gaga, die bekannt für ihre auffälligen Schirme ist, nicht im Regen stehen lassen wollen. Doch kaum jemand denkt darüber nach, wie aus einem kleinen Faltenwurf aus Stoff ein schützendes Dach über dem Kopf wurde.

Fendi - Mens Fall 2018 Runway - Milan Menswear Fashion Week

Fendis Minischirm am Laufsteg 2018

 

©Getty Images/Catwalking/Getty Images

Im wahrsten Sinne des Wortes erinnerte Fendi vor einigen Saisonen am Laufsteg daran:   als Kopfbedeckung der Models diente ein aufgespannter  Mini-Schirm, als historisches Accessoire zur  modernen Funktionsregenkleidung.

Aber wer hat den Paraplü, früher auch Parasol genannt, eigentlich erfunden? Ein Stück Plane wurde schon vor dem  17. Jahrhundert über Federkiele gespannt, um vor der Sonne zu schützen, daher stammt der Name Parasol, französisch „für die Sonne“. Später war der Stoff meist aus leichter Seide. Getragen wurden diese starren Schirme  bis ins frühe 20. Jahrhundert. Immer häufiger sieht man auch heute wieder im urbanen Raum Männer wie Frauen mit einem „Parasol“  in der Hand, zum Schutz gegen UV. Zum Glück sind diese heute leicht und faltbar. Trug man sie früher wegen  des damaligen Schönheitsideals, der hellen Haut, ist es heute klimabedingt: Sonnenbräune gilt als  ungesund. Der Sonnenschirm steht somit auch im Dienst der Volksgesundheit.

Vom Frauenobjekt zum Männer-it-Piece

Aus dem starren  Paraplü des 17. Jahrhunderts wurden nach und nach mit wasserfesten Textilien bespannte Stockschirme.  Und schließlich soll um 1702 der Pariser Kaufmann Jean Marius in Frankreich den faltbaren Regenschirm erfunden haben.  Er machte aus dem bislang fixen Stockschirm einen leichteren und zusammenklappbaren Regenschutz. Der  1750 dank Katharina von Medici, die an den französischen Hof reiste und den Schirm mitbrachte, in Europa zum beliebten Modeaccessoire wurde, das die meisten Frauen bei sich hatten. 1793  sollen einige von ihnen das Accessoire der Zeit sogar als Waffe benutzt und damit die französische Revolutionärin und Feministin Théroigne de Méricourt in Paris attackiert haben. 

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Werbeplakat der 1960er-Jahre von Knirps: ein Modell mit Bambusgriff

©Knirps

In den 1750er-Jahren machte der englische Kaufmann und Poet Jonas Hanway den Regenschirm wiederum in England zum ständigen Begleiter der Männer und codierte ihn vom weiblichen Medici-Accessoire zum männlichen Must-have der Zeit um. 1830  eröffnete schließlich das erste Fachgeschäft für Regenschirme, James Smith and Sons, in London. Und 1852 erfand  der Brite Samuel Fox, Gründer der English Steel Company Fox, einen Regenschirm mit leichterem, faltbarem Stahlgestell und Speichen. Ein Modell , wie wir es bis heute kennen, das dem Erfinder ein  Vermögen einbrachte. Der Schirm galt als  teures und vor allem schweres Luxusaccessoire. Wie schon davor der Sonnenschirm, schützte er seine  Besitzer  vor  Krankheiten. Grippale Infekte und Schimmelbildungen nahmen ab. So half  er ein weiteres Mal mit, die Lebenserwartung aller, die sich  einen Regenschirm leisten konnten, zu verlängern. Doch er war noch immer zu teuer in der Produktion und blieb lange der Upper Class vorbehalten. Da kam eine kleine, aber entscheidende Innovation  der deutschen Ingenieurskunst, nach der Erfindung des Zeppelins um 1900, zur rechten Zeit: der „Knirps“, eine Meisterleistung an technischem Know-how.

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Erfinder Hans Haupt mit seinem Knirps

©Knirps

Der schwäbische Ingenieur Hans Haupt suchte 1928 nach einer Lösung, um seinen Regenschirm leichter transportieren zu können. Wegen seiner Kriegsverletzung musste er einen Stock benutzen und brauchte deshalb einen Schirm, der in seine Manteltasche passte. So tüftelte er an einem genialen Konzept: ein faltbares Modell mit Teleskopstange und Speichen, das im eingeklappten Zustand deutlich kleiner war als herkömmliche Stockschirme.

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Das komplizierte Knirps-Patent von Hans Haupt

©Knirps

Haupt meldete sein Patent auf einen „verkürzbaren Schirm“, als „Knirps“ GmbH, nach Kriegsende in den USA auch als  „Collapsible umbrella“ an. Der Knirps wurde weltbekannt, nachdem der Erbe des gleichnamigen Traditionsunternehmens in Solingen, Fritz Bremshey, 1932 die erste Serienherstellung auf den Markt brachte. 

Vom Knirps zu Dalí: eine Stilfrage

Bald darauf wurde auch ein Lady-Modell von Knirps herausgebracht. 1938 wurde dann die  Herrenlinie wieder modisch aufgewertet: Der erste Gentlemen-Knirps wurde gefertigt. Während der Mini-Schirm für Ladys mit langem Griff, Kordeln und Quasten versehen war, ähnelte der für den Herren dem heutigen Klassiker: kompakt, elegant, mit dunkler Bespannung und einem gebogenen Griff.  

 

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Immer dabei: der Knirps in den 1960er-Jahren

©Knirps

Mit der Serienherstellung wurde der Knirps erschwinglich für alle, die 1950er-Jahre brachten den endgültigen Durchbruch. In den 1960er-Jahren kamen neue Textilien wie Nylon dazu, die wasserabweisender und robuster waren als Baumwolle.

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Im angesagten Camouflage-Look, Knirps Toger-oak von Knirps, 69,99 €

©Hersteller

Die Bevölkerung wurde mobiler, die Freizeitaktivitäten vielfältiger. Modisch machte der erste Automatikschirm von 1965 mit gemusterten Nylonbespannungen bei jedem Wind und Wetter gute Figur. Ein Modell, das bis heute  Standard ist. Und es passt praktisch in jeden Rucksack. Leichtmetalle wie Aluminium machten den  Knirps handlicher und leichter, ohne an  Stabilität zu verlieren. Doch auch  der starre Stockschirm war weiterhin gefragt. In der Männerwelt prägten etwa Fred Astaire und Frank Sinatra als klassische Gentlemen mit Hut und Anzug den Stil der Zeit und machten Werbung für das Accessoire in Stockform: Zum gediegenen Outfit gestylt, wurde der schwarze Regenschirm zum Symbol des eleganten Herrn. Auch die Kultfilmserie von 1961 „Mit Schirm, Charme und Melone“, in der John Steed alias Patrick Macnee als Gentleman-Agent das Fernsehpublikum faszinierte, hob den Regenschirm in die elegante Modewelt der gehobenen Mittelschicht.

Salvador Dali

1965 entwarf Salvador Dali eine Modekollektion für Jack A. Winter -inklusive „Sonnen“-Schirm

©Photo12/Universal Images Group v/Photo 12/Universal Images Group/Getty Images

Selbst Künstler wie Salvador Dalí  interessierten sich für das Thema Regenschirm: Er entwarf 1965 eine Strandkollektion mit einem transparenten Schirm, der eher als Regen- denn als Sonnenschirm einsetzbar war. Surreal eben. Solche  transparenten Modelle sind bis heute ein Dauerbrenner, sogar George Clooney (auf dem Foto ganz oben) wurde vor kurzem damit gesichtet. Der Stockschirm gilt also bis heute als elegantes Accessoire der VIPs, Royals und – Türsteher.

Burberry Mens AW21

Burberry erinnerte mit dem klassischen Stockschirm 2021 an sein Heritage 
 

©CAMERA PRESS / Camera Press / picturedesk.com

Modedesigner von Fendi bis Burberry holen Regenschirme immer wieder auf die Laufstege, um damit auch an ihre soziale Funktion zu erinnern: etwa bei der Burberry-Show 2024 an Englands Klima und dem damit verbundenen Heritage der Marke.

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Dieser Heritage-Schirm kommt mit edlem Etui von Burberry, über farfetch, 330 €

©Hersteller

Im Alltag wurde das starre Modell dank neuer Freizeitaktivitäten und cooler Streetwear immer unbeliebter. Der kleinste Knirps aller Zeiten, das Modell  US.050, misst nur 21 Zentimeter und soll sogar Windböen bis zu 100 km/h aushalten. Knirps gehört übrigens zu der österreichischen Firma Doppler & Co.  

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Florentina Welley

Über Florentina Welley

Mag. Florentina Welley schreibt seit 2006 als Lifestyle-Autorin über ihre Lieblingsthemen: Mode, Reise, Design und Kunst. Darüber hinaus konzipiert sie Shootings, kuratiert auch Kunst- und Designevents. Auch Film-Erfahrung hat sie, etwa als Co-Produzentin für den Spielfilm „Die toten Fische“, darüber hinaus ist sie in Werbung und Medien bekannt für Konzepte, Textierungen jeden Genres und Modeproduktionen samt Styling, Regieassistenz, Ausstattung und Kostümbild.

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