
Im Hintergrund: Die Macht von Stylistinnen
Sie agieren im Hintergrund, entscheiden aber maßgeblich mit, was uns modisch prägt. Wer die wichtigsten Stylisten sind und wie sie arbeiten.
Aufgeklebte Plastiknägel wie Hundepfoten, hellbraune kniehohe Socken zu Peep-Toes und ein weißes Netzkleid: Wenn Lotta Volkova einen Raum betritt, will sie nicht gefallen – sie will auffallen. So wie es der bekannten Stylistin einst von ihrer Mutter geraten wurde. „Meine Mutter hat mich immer ermutigt, anders zu sein als alle anderen. Das war total antisozialistisch und antikommunistisch und hat mich sehr geprägt“, erzählt die 41-Jährige über ihre Kindheit im abgeschirmten Wladiwostok.
Heute ist die Russin eine der stilprägendsten Personen der Modewelt. Sie war es, die gemeinsam mit Designer Demna Gvasalia und der Marke Vetements vor zehn Jahren den Ugly Chic in die High Fashion schleuste, dann folgte sie Demna zu Balenciaga.
Schöne Dinge langweilen
Die Kunststudentin, die in den Nullerjahren in London Techno-Partys veranstaltete, avancierte dank erster Jobs bei Fotografin Ellen von Unwerth schnell zu einer gefragten Mode-Assistentin. Hochglanz und Glamour interessierten sie ab er noch nie, sie arbeitet sich lieber am trashigen Stil ihrer Jugend ab und hat damit enormen Einfluss auf die Generation Z.
Sexy Kleidchen mit ironischem Twist, derbe Schuhe mit Orthopädie-Anmutung, Ultra-Miniröcke und Spitzennegligés zu Sportsocken – bei Volkova wird das „Hässliche“ und „Schlampige“ stilbildend. „Schöne Dinge, die jeder hübsch findet, langweilen mich“, sagt sie zum Guardian.
Macht Miu Miu noch erfolgreicher
Seit 2023 bringt sie ihren typischen Stil in neue Bahnen: Bei Miu Miu, wo sie eng mit Miuccia Prada zusammenarbeitet, ist ihre Handschrift sofort sichtbar. Schuluniformen werden dekonstruiert, dazu gibt es Oma-Style aus den Sechzigerjahren, der auf den Covern aller großen Magazine landet.
Die Marke gilt als aktuell coolstes Label und verzeichnete 2024 einen unglaublichen Umsatzanstieg von 93 Prozent. Auch dank Volkovas spezieller Laufsteg-Ästhetik und Inszenierung der Werbekampagnen.

Styling Fashionshow Miu Miu von Volkova
©APA/AFP/ALAIN JOCARD
Kampagne von Miu Miu von Volkova inszeniert
©Miu miuBereits vor 20 Jahren entwarf der umtriebige Modefan eine eigene Partygarderobe, versuchte sich also als Designerin. „Aber ich habe gemerkt, dass es mir eigentlich darum ging, ein bestimmtes Image zu schaffen. Das liegt mir und geht mir leicht von der Hand.“ Volkova ist inzwischen so begehrt, dass sie auch unter anderen Namen für Modefirmen als Beraterin tätig ist.
„Sie hat tatsächlich großen Einfluss auf die Mode und ist eine wichtige Figur“, erklärt auch Simon Winkelmüller, österreichischer Stylist zu dessen Kunden Schauspielerinnen wie Verena Altenberger, Sibel Kekilli oder Susanne Wuest gehören.
Stylist Simon Winkelmüller
Der leise Virtuose: Brian Molloy
Ganz anders, aber ebenfalls prägend ist Brian Molloy. Sein Name wirkt in den besten Häusern der Branche wie ein Gütesiegel. Der gebürtige Amerikaner, einst Redakteur bei Another Magazine, ist Runway-Stylist für Labels wie The Row, Tory Burch und Tod’s. Seine Looks sind keine lauten Statements und wirken dennoch.
Wer eine Show von The Row sieht, mit weichen Lagen-Looks, bodenlangen Mänteln und monochromen Texturen, spürt Molloys Handschrift: diskreter Luxus, der sich nicht erklären muss. Auch bei Tod’s hat er in den letzten Saisonen maßgeblich dazu beigetragen, das angestaubte Image zu modernisieren und die Marke wieder relevanter zu machen. Sein Stil verkörpert gerade den Zeitgeist der Post-Logo-Ära: leisen Luxus.

Molloy stylte die Show von Tod's
©APA/AFP/PIERO CRUCIATTIPionierin Rachel Zoe
Während Laufsteg-Stylisten wie Molloy und Volkova die künstlerische Vision eines Hauses schärfen, sind Celebrity-Stylisten eher so etwas wie die Schnittstelle zwischen Luxuslabeln und Mainstream. Sie entscheiden zu einem erheblichen Teil mit, ob ein Outfit oder ein Label virale Wellen schlägt.
Dass dieser Beruf überhaupt bekannt geworden ist, hat man Rachel Zoe zu verdanken. Sie bekam 2008 eine eigene TV-Show, die die Arbeit hinter großen Red-Carpet-Momenten von Promis zeigt. Zoe kleidete damals It-Girls wie Cameron Diaz, Lindsay Lohan oder Nicole Richie ein und war in den Nullerjahren dafür verantwortlich, dass der Boho-Chic in Form von weiten Vintage-Kleidern, Armreifen und übergroßen Sonnenbrillen zum weltweiten Trend wurde.
Heute ist sie Multi-Millionärin und selbst ein Star (auch in der TV-Show „Real Housewives of Beverly Hills“), ihre Kundinnen haben sich jedoch mit der Zeit abgewendet. Es gibt mittlerweile andere Trendsetter in der Branche, die mehr am Puls der Zeit sind.

Rachel Zoe
©APA/AFP/LISA O'CONNORJamie Mizrahi
Richie und Co. heuern heute lieber bei Jamie Mizrahi an. Adele für ihre Las Vegas Konzerte, Jennifer Lawrence für Auftritte auf dem roten Teppich aber auch privat, Jeremy Allen White, Pedro Pascal oder Dakota Johnson: Sie alle vertrauen auf die auch selbst immer top gestylte ehemalige Vogue-Büroangestellte und ewige Mode-Praktikantin.
Es sei ein langer, mühsamer Weg gewesen, sich schließlich vom Personal Shopper für die Reichen und Schönen in Los Angeles zu einer der wichtigsten Stylistinnen hinaufzuarbeiten, wie Mizrahi selbst erzählt.
Die erste Klientin war Eva Mendes, die andere Stars folgen ließ. Jamies Stärke: Für jeden Promi einen eigenen Style zu entwickeln. „Ich kleide nicht Riley Keough so ein, wie ich Suki Waterhouse einkleide.“ Trotz tougher Arbeitszeiten und magerer Bezahlung als Modeassistent bei Styling-Firmen ist es in Amerika noch immer leichter Fuß zu fassen als hierzulande.

Nicole Richie mit Jamie Mizrahi
©WWD via Getty Images/WWD/Getty Images
Jennifer Lawrence
©APA/AFP/SAMEER AL-DOUMYVerdienst
Während Stylistinnen in Hollywood auch von Filmstudios oder Brands finanziert werden, zahlen Künstler hier meist selbst. „In Österreich und Deutschland ist man weit von diesen Dimensionen entfernt, PR-Auftritte haben einen anderen Stellenwert“, sagt Winkelmüller. Wer jedoch in den USA einen Exklusivvertrag mit einem Top-Star hat, kann bis zu 20.000 Euro im Monat verdienen – Provisionen für Markenplatzierungen nicht eingerechnet.
Karla Welch
Karla Welch spielt in dieser Liga mit Kunden wie Olivia Wilde, Michelle Monaghan oder Justin Bieber – der jedoch vor Kurzem zu einer Newcomerin wechselte. „Welch ist als Person spannend, weil sie sehr politisch ist und nicht nur junge Mode-Girlies einkleidet, sondern gestandene, starke Frauen wie Sarah Paulson, deren individuellen und authentischen Stil sie verstärkt“, erklärt Simon Winkelmüller über die Top-Stylistin, die sich offen für die Demokraten und Queerness-Bewegungen ausspricht.

Anna Sawai und Karla Welch
©WWD via Getty Images/Stefanie Keenan/Getty Images
Olivia Wilde
©APA/AFP/MICHAEL TRANMethod Dressing
Das sogenannte Method Dressing – also Looks, die zur Filmfigur passen – beherrschen Einkleider wie Law Roach (für die gefeierten Outfits von Zendaya) oder Andrew Mukamal (für Margot Robbie) perfekt. Für Pressetouren, etwa zum Blockbuster Barbie oder dem neuen Film Freaky Friday, werden eigene Entwürfe geschneidert, die für Aufmerksamkeit sorgen.

Law Roach mit Zendaya
©APA/AFP/VALERIE MACON
Andrew Mukamal mit Margot Robbie
©Patrick McMullan via Getty Image/Gonzalo Marroquin/Getty ImagesDani Michelle
Sofort ausverkauft Wer es richtig hip und jung mag, der wendet sich an Dani Michelle. Ihren Diensten vertrauen Fashionvorbilder wie Hailey Bieber, Kendall Jenner oder Elsa Hosk. Ihr Stil steht für eine neue Art von Glamour: minimalistisch, hyperluxuriös, makellos. Sie versteht es, High Fashion mit digitaler Inszenierung zu verbinden. Ein Look von ihr auf Hailey kann innerhalb weniger Stunden vergriffen sein.
Während Designer als Genies gefeiert werden und weltweit bekannt sind, bleiben Stylisten oft im Hintergrund tätig. Zu Unrecht. Denn erst sie verwandeln Mode in Bilder, die den Zeitgeist prägen.

Dani Michelle
©WWD via Getty Images/Gregg DeGuire/Getty Images
Hailey Bieber, stets eingekleidet von Dani Michelle
©GC Images/TheStewartofNY/Getty Images
Neue Klientin für Michelle: Brad Pitts Freundin Ines de Ramon - hier in Fendi von Michelle eingekleidet
©REUTERS/Maja Smiejkowska
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