Wie ein Psychotherapeut das Backen mit Sauerteig neu erfindet

Psychotherapeut und Kräuterpädagoge Rudolf Kallinger über seinen neun Jahre alten Sauerteig, übertriebene Hygiene und die besten Tipps aus seinem neuen Backbuch.

Sein Sauerteig ist zehn Jahre alt und hat schon einiges mitgemacht: So stellte Rudolf Kallinger das Gläschen schon mal ohne Deckel in den Hühnerstall – die neugierigen Hendldamen lugten in das Glas und pickten gierig nach der gärenden Masse. Dann durften seine Katzen ein bisschen schnuppern, schließlich verschloss der Psychotherapeut das Glas nach verbrachter Gartenarbeit mit schmutzigen Fingern und stellte es in den Kühlschrank.

"Aber es geschah absolut nichts. Ich habe mein Glas noch nie gespült – es hat noch nie geschimmelt." Was der leidenschaftliche Bäcker uns damit sagen will? Keine Angst vor Backen mit Sauerteig, übertriebene Hygiene sei nicht notwendig.

©Braumüller Verlag

Sein Wissen gibt der backende Niederösterreicher in Kursen weiter und vor Kurzem erschien sein erstes Backbuch (Braumüller Verlag). Wenn wir den Mikroorganismen genügend Zeit schenken, für angenehme Temperaturen und vor allem für anständige Nahrung sorgen, dann erledigen sie für uns die Arbeit, ist der Buchautor überzeugt.

Ein Teig entfaltet laut dem 57-Jährigen auch dann eine feine Krumenstruktur und ein intensives Aroma, wenn er nicht zigmal in geregelten Zeitabständen gedehnt und gefaltet wird: "Das Backen soll sich meinem Alltag anpassen und nicht umgekehrt. Ich verstehe Rezepte als Wanderkarten: Die Gehzeiten von acht bis zwölf Stunden sind Richtwerte. Ist es im Zimmer sehr warm, reichen sogar nur gut vier Stunden, ist es hingegen eher kühl, kann der Teig auch länger als zwölf Stunden gehen."

In acht Stunden ein frisches Sauerteigbrot

Als der gelernte Kfz-Mechaniker und studierte Philosoph mit dem Backen anfing, fühlte er sich gestresst, wie er im Interview mit dem KURIER erzählt: "Ich habe zu backen begonnen, weil ich Brot nicht vertragen habe. Aber die Rezepte waren mir zu kompliziert, bis ich sie stark vereinfacht habe. Heute macht es Spaß und ich brauche fünf Minuten für ein gutes Brot."

Abends füttert Kallinger seinen Sauerteig, den er als eine Art Haustier bezeichnet: "Als Frühaufsteher setze ich den Sauerteig meist so gegen 7 Uhr an. Dazu nehme ich das Anstellgut aus dem Kühlschrank und vermische es nach den Rezeptangaben mit Mehl und Wasser. Diesen Brei verrühre ich, decke ihn ab und lasse ihn bei Zimmertemperatur rund acht Stunden reifen. Abends nach der Arbeit wird gebacken."

Zwar steht im Garten ein Holzofen, der auch für Backkurse angeheizt wird, aber am liebsten bäckt der Autor in einem herkömmlichen Ofen ohne Dampffunktion eines schwedischen Möbelhauses – und in Töpfen: "Bei Töpfen mit Deckel gleicht der Topf einem Herd im Herd. Die Hitze bleibt vorwiegend im Topf, und die Teighaut kann sich durch den entweichenden Dampf im Teigling besser ausdehnen, wodurch das Brot wunderbar aufgeht."

Rudolf Kallinger

©Braumüller Verlag

Im Topf backen für mehr Saftigkeit

Kallinger rät zu alten Emailletöpfen vom Flohmarkt: Es eignet sich jeder hitzebeständige Topf mit mindestens 9 Zentimeter Höhe ohne Plastikgriff. Der Topf muss nicht eingefettet werden, allerdings muss er gut 20 Minuten aufgeheizt werden, bevor der Teig hineinkommt.

Was macht man mit so viel Brot, wenn jeden Tag gebacken wird? "Falls wirklich etwas übrig bleibt, mache ich Knödel, Brösel oder verschenke auch – und die Pferde von den Nachbarn freuen sich immer über Altbrot."

Rudolf Kallinger

Sauerteig

€ 28,80

zum Buch
©Braumüller Verlag

Das perfekte Roggen-Dinkel-Nussbrot

Zutaten:
80 g Anstellgut
200 g Roggenvollkornmehl
80 g Dinkelvollkornmehl
80 g Roggenmehl Type 960
50 g Haselnüsse, grob gehackt
 340 ml Wasser
8 g Salz

 

  1. Alle Zutaten gut verrühren.
  2. Teig in eine eingefettete und mit Mehl bestäubte Kastenform füllen und mit nassen Händen glatt streichen.
  3. Nach Belieben mit Saaten bestreuen.
  4. 4–8 h an einem warmen Ort gehen lassen.
  5. Backofen vorheizen.
  6. Bei 240 Grad Ober- und Unterhitze ca. 50 Minuten backen.
  7. Zu Beginn ein Stamperl Wasser auf den Ofenboden schütten, nach 10 min. den Ofen kurz öffnen und Dampf ablassen.
  8. Nach 25 min. Brot aus der Form nehmen und am Rost fertig backen
Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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