Streit um vegane Kochlehre geht in die nächste Runde

Die Arbeitnehmer-Vertreter befürchten eine geringe Arbeitsmarktmobilität von vegan/vegetarisch ausgebildeten Köchen.

Nachdem es zuletzt rund um die Pläne zu einer vegan/vegetarischen Kochlehre stiller geworden ist, herrscht hinter den Kulissen weiter ein Tauziehen. Denn die Arbeitnehmervertreter im Bundes-Berufsausbildungsbeirat (BBAB) haben sich zuletzt gegen die Einführung ausgesprochen. Aus Sicht der Grünen Wirtschaft könnte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) die Initiative ergreifen, doch ohne Sozialpartner-Okay ist die Einführung unrealistisch.

Es gibt weiteren Gesprächsbedarf.

Die Fachverbände Gastronomie und Hotellerie hatten bei der FH Wiener Neustadt eine repräsentative Studie zu Essgewohnheiten von Herrn und Frau Österreicherin beauftragt. Die Ergebnisse wurden vor Weihnachten im BBAB beraten. Danach sprachen sich die Arbeitgebervertreter der Wirtschaftskammer für eine vegan/vegetarische Kochlehre aus, die Arbeitnehmervertreter aber dagegen. Genannt wird die angedachte neue Lehre in den Sitzungen "Fachkraft für vegetarische und vegane Kulinarik".

Wirtschaftsminister soll eingreifen

Die Studienergebnisse zeigen, dass es für die Betriebe der Gastronomie und Hotellerie wichtig sein kann, den Gästen ein gutes fleischloses, insbesondere veganes, Angebot zu machen. Aus Sicht der grünen Wirtschaft haben die Arbeitgebervertreter erkannt, dass es gute Geschäftsmöglichkeiten mit einer fleischlosen Produktpalette gibt und ihre Positionierung positiv zum Ja hin geändert. Vor allem bei vegan Lebenden sind die Haushaltsausgaben für die Ernährung deutlich höher als bei "Normalessern", zeigt die Studie.

"Wir freuen uns über diese Entwicklung beim ÖVP-Wirtschaftsbund", so die Chefin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, zur APA. "Für ein zeitgemäßes Angebot im Tourismus ist es enorm wichtig, dass die Ausbildung zur vegetarisch-veganen Fachkraft nun von Minister Kocher auf Schiene gebracht wird", fordert Jungwirth. "Zudem unterstützt eine moderne Gastronomie damit auch den Klima- und den Tierschutz."

Gewerkschaft befürchtet geringe Jobaussichten

Sie bedauert ebenso, dass sich die Arbeitnehmerseite in ihrer Stellungnahme schlussendlich gegen die neue Lehre ausgesprochen hat. Argumentiert wird unter anderem mit der geringen Arbeitsmarktmobilität von rein vegan/vegetarisch ausgebildeten Köchinnen und Köchen. "Das halte ich für verfehlt", sagt Jungwirth. Steige die Nachfrage nach fleischlosen Alternativen in der Gastronomie allgemein, so brauchten auch mehr klassische Betriebe spezialisierte Fachkräfte, argumentiert sie.

Eine neue Lehre einführen - so funktioniert es

Die Vorschläge für neue Berufsbilder kommen in der Regel von Sozialpartnerorganisationen wie Fachverbänden oder Innungen. Diese ergehen an das zuständige Wirtschaftsministerium. Dieses schickt Vorschläge nach einer Erstprüfung an den Bundes-Berufsausbildungsbeirat (BBAB). Der Beirat gibt nach Expertengesprächen unter Sozialpartnereinbindung eine Einschätzung ab.

Wichtig ist grundsätzlich die Einschätzung des Bedarfs des eingebrachten Berufsbildes durch die BBAB-Vertreter. Sie machen - bei positiver Einschätzung - weitere Vorschläge zum neuen Job.

Mit Fachleuten geht es dann an eine detaillierte Ausarbeitung. Dazu gibt es Workshops, die laut Wirtschaftsministerium wissenschaftlich begleitet werden - in der Regel vom ibw (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft). So soll sichergestellt werden, dass alle neuen Berufsbilder den aktuellen Standards entsprechen. Es geht auch um das im Nationalen Qualifikationsregister (NQR) erreichende Niveau.

Eingebunden sind Expertinnen und Experten aus dem jeweiligen beruflichen Umfeld sowie Fachleute der Sozialpartner. Es geht um einen kompetenzorientierten Vorschlag für Inhalte einer neuen Ausbildungsordnung für den Lehrberuf. Dieser besteht aus Berufsprofil, Berufsbild, Lehrplan, Prüfungsordnung, Prüfungsablauf, Berufsschulausbildung, Anrechnungsbestimmungen, Unterrichtsmaterialien. Bedingung für die Organisation eines Berufsschullehrgangs ist, dass an einem Standort mindestens 25 Lehrlinge pro Lehrjahr gefunden werden. Die Gastro-Sparte rechnet in Wien mit der größten Nachfrage.

Die Ausbildungsordnung wird dem BBAB zur abschließenden Behandlung und Stellungnahme übermittelt. Dort findet dann eine abschließende sozialpartnerschaftliche Abstimmung statt. Wenn nötig, wird noch ein Ausschuss eingerichtet, um Details zu klären. Neben den Sozialpartnern und dem Wirtschaftsministerium sind auch Vertreterinnen und Vertreter der Berufsschulen involviert.

Ist alles unter Dach und Fach, erfolgt eine Beschlussfassung im BBAB. Darin enthalten ist eine Empfehlung an den Wirtschaftsminister auf Erlass der Ausbildungsordnung. Die zuständige Abteilung im Wirtschaftsministerium führt schließlich den erforderlichen legistischen Prozess durch.

Die Arbeitnehmer-Kurie argumentiert auch damit, dass man sich gegen eine weitere kleinteilige Zersplitterung des Lehrlingswesens stelle. In jetziger Form wolle man diese Lehre nicht einführen. Grundsätzlich unterstütze man das Ziel der Initiatoren, vegetarische und vegane Kulinarik stärker in den bestehenden Lehrberuf des Kochs und der Köchin einzubauen, etwa über Ausbildungsverbünde. Das würde auch die Arbeitsmarktmobilität sichern.

Teil der Jugendlichen lehnt Fleisch ab

"Völlig außer Acht lässt die Arbeitnehmerseite das Problem, dass gerade vegetarisch/vegane Jugendliche mit Fleisch gar nicht in Berührung kommen wollen", kritisiert Jungwirth. So würden dann auch Ausbildungsverbünde keine Option darstellen, außerdem seien solche oft kompliziert zu organisieren. Die von der Gewerkschaft ins Treffen geführte Zersplitterung des Lehrlingswesens ist aus Sicht der Grünen Folge einer "generell voranschreitenden Spezialisierung in allen Branchen".

Die Studie der FH Wiener Neustadt zeigt, dass die Nachfrage in jüngeren Gesellschaftsschichten deutlich über jener bei älteren liegt. 19 Prozent der 30- bis 39-Jährigen sagen, sich vegetarisch zu ernähren, 5 Prozent vegan. Bei den 50- bis 65-Jährigen behaupten das nur 6 Prozent. Bei den über 65 Jahre alten Menschen sind es überhaupt nur 2 Prozent.

72 Prozent sagen, Allesesser zu sein - diese Gruppe besteht zu 54 Prozent aus Männern und zu 46 Prozent aus Frauen. Bei Flexitarierinnen, Vegetariern und Veganerinnen beträgt der Frauenanteil hingegen rund zwei Drittel.

Haushalte, die sich vegan ernähren, investieren laut Studie, die der APA vorliegt, monatlich durchschnittlich 442 Euro in Lebensmittel. Bei den Allesessern sind es 398 Euro. Fleischloses Essen im Gasthaus lassen sich Veganer im Monat im Durchschnitt 160 Euro kosten, sagen sie. Bei Allesessern sind es 145, bei Flexitariern 115 und bei Vegetariern 114 Euro.

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