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Snackification: Wie gesund sind Snacks im Alltag?

Snacks ersetzen Mahlzeiten. „Snackification“ heißt der Trend – bequem, doch für Gesundheit, Blutzucker und Verdauung riskant.

Frühstück, Mittag, Abendessen“ – so wurde es immer gepredigt. Drei feste Mahlzeiten galten als Garant für Struktur, Sättigung und Gesundheit. Doch die aktuelle Realität sieht anders aus: Der Mensch snackt – immer öfter. „Snackification“ heißt der Begriff, mit dem dieses Phänomen beschrieben wird.

Die Essgewohnheiten haben sich verändert, allein in Europa wird der Markt für Snacks 2025 auf über 200 Milliarden Euro geschätzt, Tendenz steigend. Mehr als die Hälfte der Menschen ersetzt zumindest gelegentlich eine Hauptmahlzeit durch Snacks – sei es ein Proteinriegel im Büro, ein Müsliball auf dem Weg zur U-Bahn oder ein Kombucha-Shot nach dem Sport.

Algen und Insekten

Besonders gefragt sind minimal verarbeitete Produkte wie Nüsse oder Trockenfrüchte, ebenso funktionale Snacks, die mit Protein, Probiotika oder Adaptogenen angereichert sind. Der Fantasie sind mittlerweile keine Grenzen mehr gesetzt. Wer heute Lust auf das „kleine Zwischendurch“ hat, kann auch zu Algensnacks oder interessanten Köstlichkeiten mit Mehlwürmern und Insekten als nachhaltige Proteinquelle greifen. Gleichzeitig boomt die Premium-Nische: Mini-Appetithappen mit „Clean Label“, handwerklicher Optik und Zutaten aus fairem Handel als kleine „Gönnung“ in einem allzu gedrängten Alltag.

Für die Ernährungstrainerin Elisabeth Koller ist das Phänomen psychologisch einfach erklärbar: „Das Arbeitsleben ist für die meisten mittlerweile so dicht, dass klassische drei Mahlzeiten kaum mehr Platz haben. Dann wird halt zwischendurch gegessen.“ Auch, weil das angenehm und einfach ist: „Sowohl unser Gehirn als auch der Körper lieben den bequemen Weg. Heißt: schnell irgendwo etwas reinschieben, wenn der Hunger kommt oder man gerade Lust darauf spürt.“ Zudem sei das Angebot omnipräsent: „Heute gibt es an jeder Ecke eine Snack-Option: Sushi, Maki, Riegel, Bubble Tea. Die Verfügbarkeit macht es so leicht.“

Flexibler essen

Dabei ist das tradierte Drei-Mahlzeiten-Schema gar nicht so alt. Erst mit der Industrialisierung und fixen Arbeitsrhythmen im 19. Jahrhundert setzte sich in Mitteleuropa die klassische Struktur von Frühstück, Mittag und Abend durch. Davor aßen Bauern oft nur zwei kräftige Mahlzeiten, während sich der Adel an mehreren kleine Gängen über den Tag hinweg delektierte.

Insofern ist Snackification auch eine Rückkehr zu flexibleren Essmustern – nur eben unter den Bedingungen von Zeitdruck und einer „Always on“-Kultur. Sie erzählt von Arbeitsverdichtung, Mobilität, von Social-Media-Ritualen und viralen Rezeptideen. Aber auch vom Wunsch nach Kontrolle und Genuss: das kleine Päckchen Edelnüsse, die Proteinwaffel mit Matcha oder der vegane Energy Ball sind Identitätsmarker – Mini-Luxus im schnöden Einerlei. Besonders sichtbar wird Snackification auf Social-Media-Plattformen wie TikTok. Unter Hashtags wie #snackhack oder #foodtok kursieren Millionen Kurzvideos, die zeigen, wie man aus drei Zutaten einen „High-Protein-Cookie“ zaubert oder aus ein paar Reiswaffeln einen viralen Mitternachts-Snack macht.

Selbstinszenierung

Marken greifen diese Trends naturgemäß auf, entwickeln Produkte mit „Instagram-Moment“ – bunt, ästhetisch, teilbar. Snackification ist damit nicht nur ein Ernährungs-, sondern auch Medienphänomen: Wer snackt, inszeniert sich gewissermaßen selbst. Was ebenfalls dazu kommt: Snacks sollen heute nicht mehr nur Lust, sondern auch Leistung bringen: Chips und Riegel werden mit Protein und „cleveren“ Zutaten wie Süßkartoffel oder Kichererbse aufgewertet. Das Marketing-Versprechen: Naschen ohne Reue – Genuss plus Mehrwert. Ernährungsmediziner warnen allerdings, dass funktionale Snacks zwar besser sättigen, aber klassische Mahlzeiten nicht ersetzen sollten.

Der Körper braucht Pause

Gesundheitlich ist das Dauerknabbern nämlich heikel. Sogenanntes „Grazing“ – also permanentes Snacken – geht oft mit einer höheren Kalorienaufnahme und geringerer Ernährungsqualität einher.  Ein weiteres Problem: Wer ständig isst, nimmt dem Verdauungssystem die nötigen Pausen. Mediziner verweisen hier auf den „Migrating Motor Complex“ – eine Art „Putzphase“ im Dünndarm, die nur zwischen den Mahlzeiten aktiv ist, also im „nüchternen“ Zustand. Wird diese durch permanentes Snacken blockiert, kann das langfristig zu Blähungen und zu anderen Verdauungsproblemen beitragen. Auch das Risiko bakterieller Fehlbesiedelung erhöht sich.

Elisabeth Koller betont: „Magen und Darm sollten regelmäßige Ruhepausen haben. Denn, wenn man sich vorstellt, im Darm sitzen kleine Menschen mit Werkzeug, die ständig reparieren müssen – und von oben kommt dauernd etwas nach – dann sind die irgendwann überfordert. Der Darm kann seine Arbeit nicht tun.“ Ideal sind drei bis vier Stunden Abstand zwischen den Mahlzeiten. Auch wegen des Blutzuckerspiegels, der selbst durch vermeintlich gesunde Snacks in eine Achterbahnfahrt geschickt wird. „Rauf, runter, rauf, runter, was kurzfristig müde und hungrig macht und langfristig Stoffwechselprobleme wie Übergewicht, Fettleber oder Diabetes begünstigen kann.“

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©Martina Berger

Satt – oder doch nicht?

Außerdem würde man durch die Nonstop-Nascherei das Hungergefühl verlieren, Sättigungssignale werden übergangen. „Leptin und Ghrelin – also das Sättigungs- und das Hungerhormon – kommen beim ständigen Snacken völlig durcheinander. Der Körper hat dann kein klares Signal mehr, ob er satt ist oder wirklich Hunger hat.“ Und schließlich ist der Körper rhythmisch so programmiert, dass Verdauung, Stoffwechsel und Enzymaktivität zu bestimmten Tageszeiten besser laufen. Häufiges Snacken, besonders spätabends, kann diese Rhythmen stören.

Heißt das nun, Snackification sei per se ungesund? Nicht unbedingt. Entscheidend sind Zeitpunkt und Qualität. Hochwertige Snacks (z. B. Obst, Nüsse, Joghurt) können die Gesamtqualität der Ernährung verbessern. Wer jedoch am späten Abend noch schnell zu Chips oder Schokolade greift, schwächt seine Ernährungsbilanz. Ernährungswissenschaftler empfehlen daher, Snacks eher am Vormittag oder frühen Nachmittag zu platzieren – und sie bewusst auszuwählen, statt wahllos zuzugreifen.

4 gesunde Snack-Hacks

Roasted spicy chickpeas in rustic wooden bowl. Healthy snack.

Geht schnell, gesund

©Getty Images/DronG/istockphoto

Geröstete Kichererbsen

Zutaten:
1 Dose Kichererbsen (abgetropft, abgespült)
2 EL Olivenöl
1 TL Kreuzkümmel
½ TL Paprikapulver, ge-räuchert; Salz, Pfeffer  

Zubereitung:
1. Kichererbsen  trocken tupfen, mit Öl und Gewürzen mischen
2. Auf einem Blech bei 
200 °C (Umluft) ca. 30–35 Minuten knusprig rösten.  

Apfel-Crunch

Zutaten:
1 Apfel in Scheiben geschnitten
2 EL Mandel- oder Erdnussmus
etwas Granola oder gehackte Nüsse zum Bestreuen
optional ein paar Beeren.

Zubereitung:

1. Apfelscheiben mit Nussmus bestreichen 
2. Mit Granola oder Nüssen toppen, nach Belieben auch mit frischen Beeren. Sofort servieren – knackig, fruchtig, sättigend.

Energy Balls

energy balls on a light table, bowl. Homemade healthy sweets

Schneller Energiekick

©Getty Images/NatalyaStepowaya/istockphoto

Zutaten:
150 g entsteinte Datteln
80 g zarte Haferflocken
50 g  Walnüsse gehackt, 
1 EL Leinsamenschrot
2 EL Mandelmus
1/2 TL Zimt oder Vanille 
Kokosraspeln zum Wälzen

Zubereitung:
Im Mixer mischen. 12–14 kleine Kugeln rollen, in Kokosraspeln wälzen. Im Kühlschrank fest werden lassen. Hält ca. eine Woche.

Feta-Röllchen

Zutaten:
1 große Gurke
80 g Feta
1 EL Naturjoghurt
frische Minze oder Dill, etwas Pfeffer

Zubereitung:
1. Gurke mit dem Sparschäler in lange Streifen schneiden.  
2. Feta mit Joghurt und Kräutern zerdrücken, nach Belieben pfeffern. 
3.  Je einen Klecks auf ein Gurkenband geben, einrollen, mit Zahnstocher fixieren.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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