Frau trinkt Rotwein

Nichts ist relativ: Ja, es gibt objektive Qualitätserkmale bei Wein

Schönheit, so sagt man, liegt im Auge des Betrachters – und Geschmack sei relativ.

Was so tolerant klingt, ist womöglich nur flach gedacht. Freilich, jedem gefällt und schmeckt etwas anderes, aber entscheidet tatsächlich der Gaumen des Trinkers über die Qualität des Weins? Verhielte es sich so, könnte man fortan jegliche ernst zu nehmende Diskussion darüber bleiben lassen. Jeder trinkt, was er mag und verzieht sich damit schweigend in sein Eck. Funktioniert aber nicht. 

Nichts scheint unerträglicher als jemand mit einem anderen Geschmack als dem eigenen.

Es liegt offenbar in der Natur des Menschen, Recht haben zu wollen und andere zu missionieren. Nichts scheint heute unerträglicher als jemand mit einem anderen Geschmack als dem eigenen. Man sieht, in puncto Qualität kommt man mit Relativismus auf keinen grünen Zweig. Querschmecker mögen jetzt aufjaulen, aber es gibt so etwas wie objektive Qualitätskriterien. Balance etwa, die Harmonie einzelner Faktoren. Balance bedeutet keineswegs Einheitsbrei. Balance ist vielmehr die hohe Kunst, unterschiedliche, mitunter widersprüchliche Ingredienzien, Aromen im Gleichgewicht zu halten, ohne dass sie ihre jeweilige Eigenwilligkeit einbüßen. Sie nicht nieder zu bügeln, sondern zu akzentuieren, zu jonglieren.  Gelingt das bei einem Wein, dann – und nur dann – kann man von Vielschichtigkeit und Charakter sprechen. Dass mag in Zeiten, in denen jedem hundsordinären Fruchtbrei Authentizität bescheinigt wird, schwer auszuhalten sein, aber großer Wein ist komplex, herausfordernd und sicher nicht gefällig, selbst wenn er gefällt.

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Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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