Wirt Pichlmaier: "Sonntags essen zu gehen ist nicht selbstverständlich"

Martin Pichlmaier ist Wien-Sieger im neuen KURIER-freizeit-Gasthausguide und spricht über junge Wilde in der Gasthausszene, teure Beuschel und das Geheimnis des perfekten Schnitzels

Einst prägte der legendäre Koch Heinz Herkner das Lokal im 17. Bezirk Wiens, dann verwandelten es  Martin Pichlmaier (zuvor „Fabios“, „Shiki“) und seine Frau Christiane zu einem modernen Gasthausjuwel. Bei der Wahl der besten Wirtshäuser  schafften sie es mit 95 von 100 Punkten zum Bundeslandsieg.

Gasthäuser sind äußerst beliebt, aber sehr unter Druck. Sie auch? 

Martin Pichlmaier: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Gasthäusern in der Stadt und am Land.

Geht es jenen in der Stadt besser? 

Womöglich ja. Das Gasthaus im Dorf ist vielmehr ein Ort zum Treffen, das Essen gerät etwas in den Hintergrund. Und was das Personal betrifft, ist vor allem das Mittagsgeschäft schwer zu besetzen, das ist auch in den Randbezirken Wiens nicht einfach.

Also auch bei Ihnen?

Es ist herausfordernd, man muss sich fragen: Rentiert es sich, zwei Schichten einzustellen? Findet man die Mitarbeiter überhaupt? Lokale in der Stadt haben immerhin noch die Geschäftsessen als Umsatzbringer. 

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Das war aber immer schon so. 

Ja, doch aktuell kommen Personalnot und  Teuerung hinzu. Am Land haben außerdem oft Familienmitglieder mitgearbeitet, da gab es keine Kostenwahrheit. Jetzt übernehmen die nächsten Generationen den Betrieb oft nicht mehr. Aber eine Krise kann immer auch eine Chance sein, in diesem Fall, dass die Gesellschaft die Dienstleistung der Gastronomie mehr anerkennt. Das heißt: Verständnis für Ruhetage und höhere Preise.

Viele Gastronomen sagen, man könne die Teuerung den Gästen nicht weiterverrechnen. 

Ja, leider. Aber man muss das nicht so negativ sehen. Es ist ein Job der Politik, dass die Dienstleistung mehr geschätzt wird, nicht nur in der Gastronomie, sondern etwa auch in der Pflege. Jeder will am Sonntag essen gehen, bisher war das selbstverständlich. Ist es aber nicht. 

Trotzdem wird mehr Wertschätzung alleine die Kassen nicht füllen. Wird bei Zutaten gespart? 

Jein. Es geht nicht nur um die Speisen, sondern  man hat eine Menge Kosten von Reinigung bis hin zur Wäscherei. Da sieht man jetzt genauer hin. Was die Gerichte betrifft: Wir stehen dazu, dass wir teurer geworden sind. Wollen wir die Kultur erhalten, oder nur mehr darüber reden?

Wie viel teurer wurde es? 

Je nach Gericht zwischen 12 bis 14 Prozent.

Das Beuschel gilt als eines der teuersten Gasthausgerichte, weil es so aufwendig ist. Könnten solche Gerichte verschwinden, weil sie sich  nicht rentieren? 

Nicht alle, bei uns gibt es ein Beuschel etwa noch. Wir verlangen 22 Euro, damit sind wir preislich bei dieser Speise im Spitzenfeld. Aber: Es ist eben eine Arbeit von drei Tagen, das gehört den Gästen kommuniziert. Gerichte wie diese von der Karte zu nehmen ist keine Option, weil es wichtig ist, die Tradition zu erhalten. Das ist Wirtshauskultur.

Einige „junge Wilde“ interpretieren Wirtshausküche neu. Ist das eine Chance oder verwässert es die Tradition? 

Alles muss sich weiterentwickeln, aber die Tradition darf man nicht verschwinden lassen. Das ist auch bei uns so: Wir haben Klassiker wie einen gebackenen Kalbskopf oder einen Tafelspitz – die greifen wir nicht an. Aber wir setzen zusätzlich auf zeitgemäße Gerichte, unser Küchenchef Roman Artner kocht zum Beispiel gerösteten Karfiol mit Kapern und Kräutern oder ein Maroni-Birnen-Tascherl mit Nussbutterbrösel. Das sind Klassiker, modern interpretiert. Es ist wichtig, diesen Spagat zu schaffen. 

Über den Guide

Bundeslandsieger

  • Wien: Pichlmaiers zum Herkner
  • NÖ: Triad
  • Bgld.: Csencsits
  • Stmk.: Steirereck Pogusch und Weinbank (ex aequo)
  • Ktn.: Bärenwirt
  • OÖ: Göttfried und Hopfen & Schmalz (ex aequo)
  • Sbg.: Döllerer
  • Tirol: Linde
  • Vbg.: Mangold

300 Gasthäuser
Rund so viele wurden in  Essen, Service, Getränke und Ambiente bewertet – von Gästen und Fachjury

Gasthausküche ist fleischlastig, doch welche Rolle spielen vegetarische Speisen künftig? 

Eine sehr große, das hat sich sehr gewandelt. Die vegetarische Küche ist für mich eine der spannendsten Küchen überhaupt, weil man sie besonders kreativ gestalten kann.

Und vegane Küche? 

Die finde ich zeitgemäß und persönlich unterstütze ich sie. Aber sie passt nicht in ein Wirtshaus, zumindest nicht in unseres.  

Bei so viel Veränderung: Bleiben Gasthäuser, wie man sie kennt? 

Gebackenes geht immer. Das wird bleiben, das ist Österreich. Aber abgesehen davon: Natürlich muss sich die Gasthausszene weiterentwickeln, das ist eine Pflichtaufgabe.

Gebackener Klassiker ist das Schnitzel, wie gelingt es? 

Frisch panieren, zuvor in fließendes Wasser halten. Das Ei nur leicht verquirlen, kein Soda oder Schlagobers dazu. Die Brösel noch feiner mahlen und nicht zu fest aufs Fleisch drücken. Herausbacken  in Butterschmalz, gemischt mit etwas Öl. 

Welche Trends orten Sie beim Wein? 

Naturweine bezeichne ich nicht mehr als Trend, die sind bereits etabliert, die Nachfrage geht jetzt sogar wieder etwas zurück. Österreich hat tolle Weine in vielen Regionen, etwa in der Wachau oder in der Südsteiermark. Aber irgendwann führen die Wege der Weinliebhaber immer nach Frankreich, etwa zu den Burgundern.

Die Wege von Prominenten hingegen führten auch zu Ihnen. Welche Begegnung werden Sie nie vergessen? 

Etwa die mit Tina Turner. Oder mit Joe Cocker.

Wie war das? 

Etwas schräg. Er kam nach seinem Konzert, schwerst betrunken, und wollte den Kellner abwerben und mitnehmen.

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Marlene Auer

Über Marlene Auer

Chefredakteurin KURIER-freizeit. War zuvor Chefredakteurin bei Falstaff und Horizont Österreich, werkte auch als Journalistin im Bereich Chronik und Innenpolitik bei Tages- und Wochenzeitungen. Studierte Qualitätsjournalismus. Liebt Medien, Nachrichten und die schönen Dinge des Lebens.

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