Flaschenpost: Venzianische Schattengewächse

Schon einmal etwas von "ombra" gehört? Was sich hinter den venezianischen Weinen aus Schattengewächsen verbirgt.

Der Mensch betrügt sich gerne selbst. Man kann aber auch sagen, er schafft sich eine Illusion, die eine mitunter kantige Realität abzufedern vermag. Eine der charmantesten Selbstbetrugsinstitutionen sind die "ombre“, wie die Venezianer ihre önologischen Gaumenkitzler nennen. "Andare a bere un’ombra“, gehört zur gepflegten Alltagskultur dieser Stadt, die an sich schon eine atemberaubende Illusion ist.

Die Bezeichnung kommt aus einer Zeit, als der Markusplatz noch eine gewöhnliche, wenn auch wunderschöne Piazza war, die den Venezianern gehörte. Man traf sich dort zum Tratsch und trank ein Gläschen apulischen Wein, der im Gegensatz zu den süßen Weinen aus Griechenland auch für das gemeine Volk leistbar war. Um den Wein auch im Sommer kühl zu halten, folgten die Händler dem Schatten, l’ombra, des Campanile. Auch heute werden meist eher schlichte Gewächse als Ombra verkauft. Aber es gibt auch Weinbars, die richtig guten Stoff ausschenken, wie etwa das "Vino Vero“. Ganz in der Tradition der Bàcari, der venezianischen Weinschenken, schmaust man dazu cicchetti – die Kunst Brötchen so zu belegen, beherrschen sonst nur die Spanier. Hierzulande vermisst man derlei Meisterwerke der Illusion bitter – diesen Hauch von Wein und Essen, der weder betrunken noch satt, aber alles irgendwie besser macht.

Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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