Von Röstung bis Menge: So gelingt der perfekte Espresso

Robusta ist minderwertig? Filterkaffee kommt zurück? Kaffee-Spezialist Marco Salvatori räumt mit Missverständnissen auf, verrät, warum Kaffee zum Luxusgut wird und wie der perfekte Espresso gelingt.

Es geht um die Bohne, gerade am heutigen Tag des Kaffees. Was für Österreicher zum normalen Genussalltag gehört, hat mehr Facetten als man meinen möge – und eine Zukunft, die sich verändern wird. Marco Salvatori ist Experte auf diesem Gebiet, eigentlich kommt er aus Mailand in Italien, und aus der Verpackungstechnologiebranche. 1997 lernte er das Haus Naber kennen, wechselte die Seiten und fasste in der Kaffeebranche Fuß, 2015 stieg Café+Co bei Naber ein, Salvatori entwickelte mit dem „Schaumweinkontor“ einen weiteren Geschäftszweig. Daher gilt er als Experte in Sachen Kaffee und Schaumwein - und nimmt sich kein Blatt vor den Mund wenn es um Missverständnisse geht.

Ist italienischer Kaffee die Benchmark in Sachen Kaffeekultur?
In der Zubereitung ja. In der Kaffeequalität selbst nicht unbedingt.
Was machen Italiener anders?
Sie brühen kürzer, 25 ml Flüssigkeit in der Tasse ist die maximale Menge für einen Espresso. Dafür ist die Menge des Kaffeepulvers ideal. Bei derselben Menge auf 40 ml hat man eine ganz andere Dichte und Wahrnehmung am Gaumen.
Warum machen wir es ihnen dann nicht so nach?
Wenige tun das, und die haben kein Problem damit, den Kunden immer wieder zu erklären, dass es richtig ist, wenn man so wenig Flüssigkeit in der Tasse hat.
Dennoch ist auch Österreich für seine eigene Kaffeekultur bekannt.
Die sieht vor, dass die Tasse gefüllt ist. Dass dies aber nicht der italienischen und idealen Originalform eines Espressos entspricht, hat man in den vergangenen Jahren immer mehr gemerkt. Weil auch seitens der Röster mehr Geschmacks-Kultur etabliert wurde. Als ich nach Wien kam, gab es hauptsächlich Verlängerte, jetzt geht der Trend hin zu kurzen Formen. Medial kommt der Filterkaffee immer wieder zurück, aber das entspricht nicht der Realität. Ich sehe und fühle das nicht, stattdessen aber die Zubereitung mit frisch gemahlenen Bohnen. Problem ist nur oft, dass eine offene Packung ausraucht, oxidiert. So wird der Kaffee ranzig. Nach drei Stunden beginnen die Bohnen, Aroma abzubauen.

Rund zehn Sorten führt die Manufaktur, die ihre Produktionsstätte in Wien hat.

©Kurier / Gerhard Deutsch
Aber wie sollte man den Kaffee in einem kleinen Haushalt in so kurzer Zeit aufbrauchen?
Kleinere Verpackungseinheiten kaufen, etwa 250 Gramm, und diese immer luftdicht verschließen. Nicht in andere Behälter füllen, da bekommen die Bohnen eine Sauerstoffdusche.
124 Kaffeesorten wachsen wild, die gängigsten sind Arabica und Robusta – letzterer ist als minderwertig verschrien. Zu Unrecht?
Ja, total. Große Marken im Retailbereich benutzen oft den Slogan „100 Prozent Arabica“, was oft zutreffend ist, aber nicht stimmen muss. Es gibt Robustas, die besser schmecken und teurer sind. Arabica bringt natürlich eine gewisse Eleganz und Sanftheit in eine Mischung, aber das Rezept für den perfekten Espresso besagt, dass es mindestens 20 Prozent Robusta-Anteil braucht – er verleiht einen unvergleichbaren Körper, eine interessante, schokoladige Note und mindert die Gesamtsäure des Arabicas.
Wie entstehen eigentlich solche Cuvées?
Die Länder erzeugen Kaffeebohnen, die unterschiedlich schmecken, das liegt am Terroir und am Klima – wie im Weinbau. Es geht auch um die Aufbereitung der Kirsche nach der Ernte. Man braucht mehrere Sorten, um den Gaumen voll anzusprechen. Und dabei geht es nicht um schwachen oder starken Kaffee, sondern um die Dichte. Am Ende geht es auch um die Zubereitung: Je mehr ein Kaffee extrahiert wird, etwa bei Crema-Varianten wie Verlängerten, werden Inhaltsstoffe an den Gaumen gebracht, die nicht immer wünschenswert sind. Deshalb nimmt man bei Crema mildere Sorten und lichtere Röstungen.
Mikro-Röstereien machen mittlerweile eigene Mischungen. Ein Trend, der bleibt?
Der Markt ist groß genug für alle. Leider werden aber die Kleinen oft größer und zur Industrie. Klein zu bleiben ist schwierig. Bei Naber haben wir einen Wachstumsschwung, weil wir uns stärker vermarkten als früher. Wir haben aber das Glück, dass die Manufaktur über 100 Jahre eine solche geblieben ist. Die von Hand gesteuerte Anlage mit ihrer Technologie ist aus den 1960er-Jahren. Wir produzieren 450 Tonnen Kaffee im Jahr, in zehn Sorten, und beliefern die Luxus-Gastronomie und Hotellerie damit, für Privatkunden gibt es ein kleines Angebot über den Onlineshop und ein paar Geschäfte. Für den großen Lebensmittelhandel könnten wir die Mengen gar nicht bewerkstelligen.
Klimawandel, Teuerung: Ist auch Kaffee in der Krise?
Ja, zum Teil ist das aber positiv. Der hohe Rohkaffeepreis führt dazu, dass die Bauern wesentlich mehr Geld erhalten als früher. So kommen sie nicht auf die Idee, statt Kaffee Avocados anzubauen. Schlecht ist, dass Wetterperioden wie Regenzeiten und Trockenheit sich verschieben – die Pflanzen können nicht rechtzeitig geerntet werden, weil eine Bauernfamilie nicht nur von der Kaffee-Ernte lebt und auch andere Produkte anbaut. Die Klimaerwärmung führt auch dazu, dass Kaffee in immer höheren, kühleren Lagen angebaut werden muss, das bedeutet: weniger Fläche, steilere Hänge.
Wird Kaffee damit zum Luxusgut?
Ja, auf längere Sicht gesehen sicher. Die jetzigen Lagen werden immer wärmer und können dann nur noch für Robusta verwendet werden. Gute Sorten werden also immer rarer. Außerdem gibt es mehr Wassermelonenarten als Kaffeearten, der genetische Pool der Kaffeepflanze ist weltweit enorm zurückgegangen.
Sie schaffen auch eine Verbindung von Kaffee zu Champagner. Inwiefern?
Aus privater Leidenschaft habe ich den Geschäftszweig mit dem „Schaumweinkontor“ innerhalb von Naber aufgebaut. Die Schaumwein-Sparte wächst, Sparkling liegt im Trend. Auch hier zeigt sich: Der Gaumen wird reifer, vielen reicht der Prosecco nicht mehr – er besteht auch nur aus einer Rebsorte, ist sehr simpel. Wie beim Kaffee braucht man mehr Aroma, verschiedene Weinsorten. Es muss dabei nicht das Edelste sein, wir haben etwa auch unter anderem hochwertigen Lambrusco im Programm, der oft verschrien wird.
Die Verbindung von Kaffee und Alkohol äußert sich auch im Trend-Drink Espresso Martini. Fatal?
Ja, aber nur wenn man keinen eigenen Kaffeelikör hat wie unseren Wiener Mocca Likör. Aber wir geben ja auch Milch zum Kaffee und vermischen ihn damit. Kaffee in Drinks ist an sich animierend, da darf man keine Religion daraus machen.
Marlene Auer

Über Marlene Auer

Chefredakteurin KURIER-freizeit. War zuvor Chefredakteurin bei Falstaff und Horizont Österreich, werkte auch als Journalistin im Bereich Chronik und Innenpolitik bei Tages- und Wochenzeitungen. Studierte Qualitätsjournalismus. Liebt Medien, Nachrichten und die schönen Dinge des Lebens.

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