
Chef des ältesten Cafés in Wien: So verändert sich die Kaffeehaus-Kultur
Alte Kaffeehäuser anderswo schließen oder sind Touristenattraktionen. Der Chef des ältesten Cafès der Stadt verrät, wie es in Wien läuft.
Wo einst Goethe, Casanova, Papst Leo XIII. und Sophia Loren an ihrem Espresso nippten, sind heute die Türen zu und es tobt seit Jahren ein erbitterter Rechtsstreit. Das Caffè Greco, mit Blick auf die Spanische Treppe in Rom, soll zwangsgeräumt werden. Die Miete sei von 22.000 auf 120.000 Euro erhöht worden, das wolle man nicht zahlen, sagen die Betreiber – und verloren vor Gericht in allen Instanzen.
Anfang September sollte die Räumung über die Bühne gehen, die Frist wurde auf 22. September verschoben. Die Betreiber hätten die denkmalgeschützte Einrichtung widerrechtlich entfernt, sagt der Hausbesitzer und erstattete Anzeige. Es sieht nicht gut aus für das Kaffeehaus, das Mitte des 19. Jahrhunderts eröffnet wurde und das älteste der Ewigen Stadt sein soll.

Antico Caffè Greco: Mitte des 18. Jahrhunderts in Rom eröffnet, tobt nun ein Rechtsstreit.
©Getty Images/Photo Beto/iStockphotoAuch im ältesten Kaffeehaus Italiens, dem Caffè Florian in Venedig, kehrten Goethe und Casanova einst ein, genau wie Hugo von Hofmannsthal und Marcel Proust. Heute drängen sich dort hauptsächlich Touristen und posten danach empört über die exorbitanten Preise. Am Markusplatz verlangt man zwölf Euro für einen großen Espresso, will man ihn mit Schlag, kostet er 16.

Caffè Florian am Markusplatz in Venedig: 1720 eröffnet, heute Touristenmagnet.
©APA/AFP/STEFANO RELLANDINICafé Frauenhuber: 50 Prozent Touristen, 50 Prozent Einheimische
Ganz anders ist die Lage in Wien. Auch hier ist das älteste Kaffeehaus der Stadt ein Touristenmagnet. Das Café Frauenhuber in der Himmelpfortgasse ist zwar jünger als etwa das Café Mozart, ist jedoch seit 1824 durchgehend in Betrieb, länger als jedes andere Traditionshaus in Wien.
Der große Schwarze oder Braune kostet bei Chef Wolfgang Binder 6,90 Euro, genau wie die Melange. „Wir haben ungefähr einen 50-Prozent-Touristenanteil, 50 Prozent sind Einheimische“, erklärt der Kaffeehauschef im Interview mit dem KURIER. Das sei eine Seltenheit und habe etwa auch in der Coronazeit geholfen, als die Urlauber ausblieben.
Was Touristen wollen und was die Einheimischen
„Sicher muss man sich auch anpassen an die gesellschaftlichen Veränderungen“, sagt Binder. „Man muss sein Angebot erweitern.“ Kaffee in verschiedenen Geschmacksrichtungen und mit Alkohol, „das hat es früher in dem Ausmaß nicht gegeben“. Touristen würden nach Kaffee mit Mozartlikör, Baileys oder Karamell suchen.
„Vor 15 Jahren haben wir gemerkt, der einheimische Kunde isst weniger zu Hause und sucht die traditionellen Wiener Gerichte im Kaffeehaus.“ Darauf habe er reagiert, indem er die Speisekarte angepasste. „Wir versuchen, das Wiener und das ausländische Publikum gleich zu behandeln.“

Das Café Tomaselli in Salzburg ist Österreichs ältestes Kaffeehaus. Gegründet wurde es 1703.
©FREMD/Vogel ReinhardVom "Gschloder" zum guten kleinen Schwarzen
Auch beim Kaffee selbst haben sich die Zeiten geändert. „Wenn man vor 20, 25 Jahren gefragt hat, wie der Kaffee in diesem oder jenem Kaffeehaus schmeckt, hat man meist gehört: ,Des is a Gschloder‘.“ Weil zu Hause nicht mehr nur Filterkaffee getrunken wird, sondern die meisten Espressomaschinen haben, habe sich die Kaffeequalität „nicht bei allen, aber bei den meisten“ Kaffeehäusern, extrem verbessert.
Die Bohne selbst macht laut Binder 30 Prozent des Geschmacks aus, die restlichen 70 Prozent bringe die Zubereitung. Heute würden Kaffeemaschinen besser und öfter serviciert und der Kaffeeanteil pro Tasse sei höher.
Früher hätte er deshalb 60 bis 70 Prozent Melange verkauft, „mittlerweile halten sich der kleine Schwarze oder Braune und die Melange die Waage. Wenn der kleine Schwarze besser schmeckt, dann kann ich auf die Milch verzichten.“

1686 gegründet, gilt das Pariser Café Le Procope als das älteste Europas, ist nun aber eher Restaurant.
©Getty Images/Bim/iStockphotoDie Jungen trinken Latte, die Älteren schwarz
Bei den Jungen gehe der Trend in Richtung Caffè Latte, „aber wir merken, dass sich das mit dem Alter der Gäste verändert. Früher wurde Milchkaffee getrunken, jetzt geht’s, umso älter die Gäste werden, umso mehr Richtung schwarzer Kaffee.“
Manchen Trends müsse man folgen, weiß Wolfgang Binder, während man andere getrost ignorieren könne. Kleine, neue Coffeeshops in Wien würden sich gut behaupten. Daran sehe man auch, was der Kunde wünscht.
Coffee to go? Nicht im Wiener Kaffeehaus
Coffee to go „haben wir, aber das ist ein Nischenprodukt. Wenn ich drei, vier am Tag verkaufe, ist das viel.“ Wenn, dann würden eher Touristen danach verlangen.
Den Gästen im Café Frauenhuber sei vor allem eines wichtig: „Die Leute wollen Zeit verbringen in einem Kaffeehaus.“ Das sei aus Wien nicht wegzudenken und das werde sich auch nicht ändern. Darauf legen auch die Jungen Wert.
Vielfalt in der Tasse
- Klassiker
Die Wiener Melange ist kein Cappuccino! Ein Mokka wird mit heißem Wasser etwas verlängert, mit heißer Milch aufgegossen und mit Milchschaum vollendet. Im Gegensatz dazu serviert man den Großen oder Kleinen Braunen mit Obers. - Kleine Schale Gold
Eine Art Mini-Melange: Ein Mokka mit etwas heißer Milch und Milchschaum in einer kleinen Tasse. Mancherorts ist auch das „Schalerl Gold“ bekannt: Filterkaffee wird durch Kaffeeobers goldfarben. In die Kaisermelange kommen hingegen Eigelb und Cognac. - Überstürzter Neumann
Doppelter Mokka wird über eine kleine Tasse mit Schlagobers gegossen. Ein Kaffee für Eilige. - Kapuziner
Eine Melange mit Schlagobers statt Milchschaumhaube. - Obermayer
Ein doppelter Mokka, mit dem über einen umgedrehten Kaffeelöffel flüssiges Obers gegossen wird. - Kaffee Verkehrt
Die Wiener Version des Caffè Latte: ein Mokka mit viel Milch.
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