Frau schaut nachdenklich aus dem Fenster

Smiling Depression: Psychiater erklärt, was dahintersteckt

In der Öffentlichkeit fröhlich, zu Hause traurig? Eine sogenannte Smiling Depression könnte die Ursache sein.

Nur weil eine Person sich in Gegenwart anderer stets froh und mit einem Lächeln zeigt, bedeutet das nicht, dass es auch in ihrem Inneren so positiv aussieht. In Fachkreisen ist ebenjenes Verhalten auch als Smiling Depression bekannt, die gleichermaßen - wenn nicht sogar - noch ernster zu nehmen ist, als eine Depression. 

Denn Diagnose und Hilfe seien hier oftmals schwerer, wie Dr. Andreas Hagemann, Psychiater und Ärztlicher Direktor der Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck, in Interview mit spot on news erklärt.

Was ist eine Smiling Depression?

Dr. Andreas Hagemann: Depressive Menschen wirken auf ihr Umfeld längst nicht immer schwermütig und traurig. Auch hinter einem stets fröhlichen und unbeschwerten Lächeln kann sich eine tiefe Verstimmung verbergen. Smiling Depression nennt sich diese psychische Erkrankung. Menschen mit dieser atypischen Depression unterdrücken und verbergen ihre wahren Gefühle und inneren Konflikte vor den Mitmenschen. Oftmals sind sie sich ihrer Probleme nicht bewusst oder befürchten negativ bewertet zu werden - was Diagnose und Hilfe erschwert.

Was sind typische Anzeichen für die Krankheit?

Dr. Hagemann: Prinzipiell gibt es bei den Diagnosekriterien zwischen einer typischen und einer atypischen Depression keine Unterschiede. Eine Smiling Depression kann auch als "hochfunktionale Depression" bezeichnet werden, da sich die Beschwerden zunächst wenig bis gar nicht auf den Lebensalltag auswirken. Bei dieser atypischen Form einer Depression versuchen Betroffene, ihre Verstimmungen durch "gute Laune" zu kaschieren. Die allgemeinen Symptome einer Freud- und Lustlosigkeit bei zuvor als angenehm erlebten Tätigkeiten, einer abnormen Erschöpfbarkeit oder Antriebsverlust sowie eine depressive Stimmung die meiste Zeit des Tages über mehr als zwei Wochen gelten aber auch hier. Häufig stehen jedoch neben Stimmungsschwankungen ein erhöhtes Schlafbedürfnis, ein verstärktes Verlangen nach übermäßigem Essen sowie eine geringe Kritikfähigkeit und ein Schweregefühl in Armen und Beinen im Vordergrund.

Inwiefern unterscheidet sich eine Smiling Depression von anderen Formen der Depression?

Dr. Hagemann: Smiling Depression ist kein eigentlicher Fachbegriff. Er verdeutlicht jedoch ein häufig zu beobachtendes Verhalten bei Menschen mit einer sogenannten atypischen Depression, da sie die typischen, oben beschriebenen, Symptome kaschieren. Betroffene versuchen ihre Erkrankung durch eine aufgesetzte positive Stimmung zu überspielen, einen "normalen Lebensalltag" aufrechtzuerhalten und somit ihre Depression zu verheimlichen. Sie möchten nicht auffallen und erst recht nicht zur Last fallen, haben ein starkes Bedürfnis nach Harmonie. Die stets "lächelnde Maske" fällt nur dann, wenn sich Betroffene unbeobachtet fühlen. Negative, oft extrem selbstkritische und abwertende Gedanken, eine leichte Irritierbarkeit durch andere und die oft mit einer depressiven Erkrankung einhergehenden körperlich erlebten Schmerzen werden als "normale Hoch- und Tiefphasen" oder als sonstige körperliche Symptome und Erkrankungen erklärt.

Wie gefährlich ist eine Smiling Depression?

Dr. Hagemann: Betroffene machen auf Außenstehende einen gesunden Eindruck. Sie führen scheinbar ein ganz alltägliches Leben ohne psychische Probleme. Dadurch bleibt die Schwere der Erkrankung oft selbst Familie und Partnern verborgen. Korrigierende Rückmeldungen, die wichtige Hilfestellung durch nahestehende Personen und die (Für-)Sorge anderer bleibt aus. Trotz der belastenden Konflikte wird oft keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Ist die Hürde sich Hilfe zu suchen einmal genommen, werden misslingende Versuche im Rahmen der selbstkritischen, abwertenden Gedanken als persönliche Niederlage erlebt, weitere Versuche bleiben bei fehlender Energie oft aus. Die Suizidrate ist relativ hoch.

Hilfsangebote

Beim psychologischen Beratungsservice des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen könnt ihr euch kostenlos und anonym beraten lassen. Telefonnummer: 01/504 8000.

Ebenfalls Hilfe findet ihr bei der Telefonseelsorge unter der Notrufnummer 142. Falls ihr nicht telefonieren wollt, könnt ihr auf ihrer Homepage telefonseelsorge.at auch über den Sofortchat um Hilfe ansuchen.

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