Legendäre Fotografin, einmalige Erscheinung: Lisl Steiner ist tot

Die gebürtige Wienerin, die 1938 vor den Nazis fliehen musste, wurde mit spontanen Aufnahmen berühmter Persönlichkeiten bekannt

"Sagen wir mal, Sie sind Lisl Steiner und wollen ganz klein sein. Aber die Leute lassen Sie das gar nicht", sagte die Fotografin, als der KURIER sie im Jahr 2016 interviewte. Die Inszenierung von Macht, die Wichtigkeit einer Person, die sich in gestylten Fotografien zeigt - das werde den Menschen vielfach von außen oktroyiert, fand sie. Doch Lisl Steiner gelang es, die Blase der Inszenierung zu durchbrechen. Sie erwischte Größen der Weltgeschichte in scheinbar unbeobachteten Momenten - Che Guevara, B.B. King,  Henry Kissinger und zahllose weitere Persönlichkeiten aus Politik, Kunst, Musik.

"Ja, ich hab wichtige Sachen gemacht, aber auch, weil das damals leicht war", sagte sie dem KURIER fast beiläufig. Den Zugang konnte sie sich freilich auch durch eine entwaffnende Art und eine authentische Inszenierung ihrer eigenen Person schaffen.

Nun ist Lisl Steiner, die Weltbürgerin mit Geburtsort Wien, im Alter von 95 Jahren gestorben. Die New York Times widmete der Fotografin einen ausführlichen Nachruf und berief sich dabei auf ihre engen Freundinnen Ingrid Rockefeller and Vivian Winther, die auch einen Dokumentarfilm über Steiner gedreht hatten.

Steiner, 1927 in Wien geboren und 1938 nach Argentinien emigriert, lebte zuletzt in New York, hatte aber auch enge Verbindungen nach Österreich. Der Fotoverlag Lammerhuber in Baden bei Wien ehrte sie 2015 mit einem umfassenden Bildband, und Steiner entschied, ihren Vorlass der Österreichischen Nationalbibliothek zu überlassen. Neben der Fotografie hatte die große Neugierige auch eine große Menge Zeichnungen hinterlassen, die teilweise direkt bei den von ihr so geliebten Klassik-Konzerten entstanden.

2021 - während Spitzenzeiten der Corona-Pandemie - widmete das Österreichische Kulturforum (ACFNY) Steiner noch ein Online-Event, in dem die "Scheherazade der Fotografie" ausführlich über ihr Leben erzählte.

Michael Huber

Über Michael Huber

Michael Huber, 1976 in Klagenfurt geboren, ist seit 2009 Redakteur im Ressort Kultur & Medien mit den Themenschwerpunkten Bildende Kunst und Kulturpolitik. Er studierte Publizistik und Kunstgeschichte und kam 1998 als Volontär erstmals in die KURIER-Redaktion. 2001 stieg er in der Sonntags-Redaktion ein, wo er für die Beilage "kult" über Popmusik schrieb und das erste Kurier-Blog führte. Von 2006-2007 war Michael Huber Fulbright Student und Bollinger Fellow an der Columbia University Journalism School in New York City, wo er ein Programm mit Schwerpunkt Kulturjournalismus mit dem Titel „Master of Arts“ abschloss. Als freier Journalist veröffentlichte er Artikel u.a. bei ORF ON Kultur, in der Süddeutschen Zeitung, der Kunstzeitung und in den Magazinen FORMAT, the gap, TBA und BIORAMA.

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