David Safier: Wie Angela Merkel zur Detektivin wurde
„Miss Merkel"-Bestsellerautor David Safier: „Habe meine Neurosen gewinnbringend angelegt“.
Putin hat ausgedient. Zumindest in der Literatur. Das sei kein Name für einen anständigen Mops, verlautbarte David Safier auf Facebook. Also wird er in der zweiten Auflage umgetauft werden. Der knuffige Hund ist der treue Begleiter seines äußerst prominenten Frauchens: Der Autor hat die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Pension nämlich zur Hobbydetektivin gemacht. Auch seine zweite Krimikomödie „Miss Merkel: Mord auf dem Friedhof“ ist – wie vorige Romane wie „Mieses Karma“, „Jesus liebt mich“ oder „Plötzlich Shakespeare“ – ein humorvoller, vergnüglich leicht zu lesender Hit und aktuell auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste Belletristik Paperback. Der Vorgänger „Miss Merkel: Mord in der Uckermark“ folgt gleich auf Rang zwei.
Als der erste Krimi mit ihr rauskam, war Angie noch Bundeskanzlerin. Und schon damals hatte ich das Gefühl, es gibt eine Nostalgie nach ihr. Die trat dann tatsächlich ein. Sie war bis zum Ende ihrer Amtszeit die beliebteste Politikerin. Ganz anders als bei Adenauer, Kohl oder Schröder. Bei denen meinten die Leute damals keineswegs, ach, die hätten noch bleiben sollen.
Die Bücher verbinden einen Krimi à la Agatha Christie mit Humor. Man hat ein Buch des Krimigenres Cozy Mystery, kann mitraten, wer der Täter ist, und zugleich etwas zum Lachen. Angela Merkel als Detektivin, diese Idee allein würde das Phänomen nicht ausreichend erklären. Die Leser mögen die Figuren, erzählen sich gegenseitig davon. Dass der Spaß, den ich beim Schreiben hatte, sich auf die Leser überträgt, freut mich.
Manchmal hat man Ideen, an denen man länger bastelt. Und manchmal passieren einem Ideen. Ich saß mit meinem Agenten zusammen, wir sprachen darüber, was Merkel in der Rente wohl machen würde. Später sah ich zuhause eine Folge „Columbo“. Da fügte sich eines zum anderen.
"Ich bin ein dankbarer Mensch. Aber auch ein schwermütiger. Abends erinnere ich mich an jene Momente, für die ich dankbar sein kann."
Ich mag eigentlich keine Krimis. Die einzigen, die ich mag sind Sachen wie „Columbo“ oder „Mord im Orientexpress“. Die Regeln und die Dramaturgie dieses Genres zu erkunden hat große Freude gemacht. Immerhin hatte ich noch nie einen Krimi verfasst. Was Angela Merkel betrifft, bestand das Vergnügen beim Schreiben darin, hinter der Spitzenpolitikerin einen Menschen zu finden, den dieselben Nöte plagen wie uns.
Nein, das ist ja freundlich geschrieben. Es ist kein böses Buch. Es geht nicht gegen den Menschen Angela Merkel, oder überhaupt gegen Menschen. Und dass man einmal jemand kennenlernt, der ganz anders ist als der Ehepartner und der ganz andere Seiten in einem weckt – ich glaube, das kennt jeder auf der Welt.
Ach, ich schreib’ das, was mir Spaß macht.
Das hat sich so ergeben. In vielen Sitcoms (etwa für die Erfolgsserie "Berlin, Berlin", die von 2002 bis 2005 nach einer Idee von Safier entstand und 2020 einen Netflix-Film nach sich zog, Anm.), die ich geschrieben habe, waren die Protagonisten stets weiblich. Und in meinen Romanen spielen Emotionen eine große Rolle; Frauen sind näher an ihnen dran, können sie besser formulieren, das war auch hilfreich, wenn ich in Ich-Perspektive schreibe. Frauen und Männer sind ja grundlegend nicht so verschieden, sie empfinden dasselbe, Liebe, Liebeskummer, Empathie, Schmerz – Männer reden nur nicht so gern darüber. Überspitzt gesagt: Selbst wenn was Schlimmes passiert, sich etwa meine Frau von mir scheiden lässt – zehn Minuten später geht’s dann doch wieder um Fußball.
Das ist ein Effekt, der entsteht. Ich habe meine Neurosen gewinnbringend angelegt. Wenn ich schreibe, geht es mir gut. Schreibe ich eine Weile nicht, geht’s mir schlechter. Ein Autor wurde in einem Interview einmal gefragt: Sind Sie ein glücklicher Mensch? Eine Journalistin hat sich dann darüber in einem Artikel erbost, was für eine blöde Frage das sei. Wenn Autoren glückliche Menschen seien, hieß es da, würden sie nicht schreiben, sondern segeln gehen. Ein bisschen was ist da dran.
Ob ich glücklich bin, weiß ich nicht. Ich bin ein dankbarer Mensch. Aber auch ein schwermütiger. Abends erinnere ich mich regelmäßig an die schönen Momente eines Tages, für die ich dankbar sein kann. Das habe ich mir als Regel gesetzt.
Ich habe das Glück, dass ich Kritiken nicht sonderlich ernst nehme. Ich werde auch in anderen Ländern vom großen Feuilleton besprochen, werde gefeiert und bekomme Preise. Aber aus diesen Beweggründen macht man’s ja nicht. Am Ende des Tages ist das unwichtig. Auch für den Leser ist es unwichtig. Worauf es ankommt, ist die Verbindung mit den Menschen. Für mich geht es darum, Bücher zu schreiben, die Menschen etwas bedeuten.
Ausschlaggebend ist, ob gelingt, was man macht. Die Menschen berichten mir, sie fanden die Merkel-Krimis wahnsinnig lustig und hätten sie vom Alltag abgelenkt. Oder dass „Mieses Karma“ oder „Plötzlich Shakespeare“ ihnen durch Lebenskrisen geholfen haben. Dass ihnen die Bücher etwas bedeuten. Auch die überwältigenden Reaktionen des spanischen Publikums bei der Filmpremiere von „Love Gets A Room“, einer Tragikomödie im Warschauer Ghetto, die ich geschrieben habe, fielen berührend und großartig aus. Am Ende ist es das, was zählt.
Ich bin der Autor, der ich bin, durch meine Frau. Als ich sie kennenlernte, war ich Journalist und schrieb Hörspiele und Comedy fürs Radio. Als unser Sohn drei Monate alt war, hatte ich die Wahl zwischen einem Angebot für eine Festanstellung und einem einmaligen Drehbuch-Auftrag. Ich musste mich für einen Weg entscheiden. Der einzige Mensch, der mir abriet, auf Nummer sicher zu gehen, war die Frau mit dem Baby im Arm. Sie sagte: schreib. Hätte sie etwas anderes gesagt, ich hätte einen anderen Weg eingeschlagen.
Was ich von meinem Vater vererbt bekommen habe, ist, dass mein Humor jüdisch-wienerisch geprägt ist. Meine Tante ist in Wien in jüdischen Kabaretts aufgetreten, bevor sie fliehen musste. Ich glaube, da besteht eine Verbindung; dass ich in meinem Unterbewusstsein eine gewisse Art dieses Humors behalten habe. Wenn mein Vater – falls überhaupt – über seine Jugend gesprochen hat, war das ganz aufgeregt über das Wiener Kabarett. Darüber, wie er als junger Mann in Wien unterwegs war. Da haben seine Augen geleuchtet. Er hat das Leben in dieser Szene, er saß da wohl als Claqueur, aus ganzem Herzen geliebt. Über meinen Vater bin ich mit dieser Stadt verbunden.
Über den Schrecken, den er in Wien erlebte, erzählte er so gut wie nie. Aber das Kabarett, das hatte er geliebt. Als er 1992 im Krankenhaus lag, war er nicht immer bei Sinnen. Einmal, als ich ihn zum Bett brachte, sagte er die Satzfragmente „Locarno-Pakt“ und „Wo will er denn hin?“ Da dachte ich bei mir, das wird wohl ein alter Witz aus Wien sein, der ihm da in den Sinn gekommen ist.
Das Buch
Nicht immer ist der Gärtner der Mörder. In „Miss Merkel: Mord auf dem Friedhof“ ist er auch die Leiche. Der zweite Fall von Detektivin Angela Merkel. Rowohlt Verlag, 16 Euro
In den Miss-Merkel-Krimis spielt sie keine Rolle. Diese Bücher sind wie eine gut gemachte Praline. Mehr wollen sie auch nicht sein, und ich lege all meine Kunst darin, dass sie das werden. Bei meinen anderen Büchern ist die Kernfrage dagegen: Was für ein Mensch möchtest du sein? Ich bin nicht religiös, aber wenn man sich damit beschäftigt, landet man zwangsläufig bei der Religion. In der griechischen Philosophie gibt es die Auffassung, die einen seien von Natur aus gut oder böse, die anderen würden sich hingegen erst für das eine oder andere entscheiden. Das finde ich interessant. Ich bin für mich zu dieser Schlussfolgerung gekommen: Es ist gut, jetzt schon das Richtige zu tun im Leben – egal ob es ein Jenseits gibt oder nicht. Und egal, ob man dort dafür vielleicht belohnt wird oder nicht.
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