Das ist die neue Staffel von "Black Mirror": Zurück in die Zukunft

Staffel sechs der Kultserie ist nun auf Netflix abrufbar, es gibt fünf neue Folgen.

Streamingfernsehen ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Sondern ein Instrument des Überwachungsstaates, das die Seher ausspioniert – und bei Serientauglichkeit ihr Leben verfilmt. Durchaus auch ohne deren Wissen. Und ohne deren Einverständnis. Mit allen den kleinen Geheimnissen, die man lieber für sich behalten würde.

Dass man jetzt vielleicht nicht ganz gleich weiß, ob das alles (noch) Fiktion oder (schon) Realität ist, das ist genau die Stärke von „Black Mirror“. Die Serie blüht und gedeiht in jenen unangenehmen Aussichten auf die nahe Zukunft, die sich ergeben, wenn man nur unsere durchtechnologisierte Gegenwart genau ansieht. Nun ist die neue Staffel da.

Wenn man weiterdenkt, was im Daten- und Überwachungskapitalismus jetzt schon passiert, wie wenig privat das Privatleben ist, wie die Demokratie wegen des Social-Media-Hasses ächzt und wankt, wie bereits Vorstufen von Künstlicher Intelligenz den Alltag und die Jobs vieler Menschen durcheinanderschütteln, dann sind unangenehme Zukunftsaussichten nicht Angstlustluxus, sondern plötzlich allzu logisch.

Und genau das alles, was uns demnächst blühen könnte, bildet Serienmacher Charlie Brooker gerne ab. Etwa in der eingangs beschriebenen ersten Folge „Joan is Awful“ der sechsten Staffel, die nun auf Netflix abrufbar ist: Eine ganz normale Frau (gespielt von Annie Murphy) kommt drauf, dass ein Streamingdienst ihr Leben verfilmt, sie wird von Salma Hayek (gespielt von Salma Hayek) dargestellt.

©Netflix

Unangenehm, aber nicht so erschreckend, wie vieles, das folgt.

„Black Mirror“ hat in seiner Geschichte ikonische Folgen geschaffen, etwa jene, in der sterbende Menschen in einer lebensnahen virtuellen Welt wieder jung sein dürfen. Oder jene, in der die Social-Media-Bewertungen plötzlich bestimmen, ob man den besseren Job, die bessere Wohnung bekommt – und das eigene Leben so von den Launen der anderen abhängt. Oder gleich die erste, in der ein Politiker auf öffentlichen Druck einem Schwein sehr nahe kommt.

In den fünf Folgen der sechsten Staffel setzt Brooker vergleichsweise stark auf alternative Realitäten: In „Beyond the Sea“ (mit Aaron PauL) ist man im Jahr 1969, wo zwei Austronauten auf einer gefährlichen Mission eine beklemmende Tragödie entdecken.

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Und in „Dämon 79“ muss eine Britin schreckliche Taten vollbringen, um eine Katastrophe zu verhindern – die beiden Folgen sind mit um die 80 Minuten (das war mal Spielfilmlänge, bis sich die Kinos plötzlich mit 180-Minuten-Epen füllten) auch die längsten.

Paparazzi

Nah an der Realität – zumindest im Setting – ist „Mazey Day“: Hier muss eine Schauspielerin nach einem Unfall mit Fahrerflucht den Paparazzi entkommen. Und bei „Loch Henry“ wird für ein Paar der Dreh einer Naturdoku zu einer emotionalen Riesenherausforderung: Sie decken ein sehr, sehr dunkles Geheimnis eines schottischen Städtchens auf.

Es wird große Diskussionen geben, ob die aktuellen Folgen so gut sind wie die der vorhergehenden Staffeln; und ob Brooker „Black Mirror“ ausreichend treu geblieben ist. Eines aber ist klar: Der Stoff für düstere Zukunftsbilder wird ihm so schnell nicht ausgehen.

Georg Leyrer

Über Georg Leyrer

Seit 2015 Ressortleiter Kultur und Medien, seit 2010 beim KURIER, seit 2001 Kulturjournalist. Zuständig für alles, nichts und die Themen dazwischen: von Kunst über Musik bis hin zur Kulturpolitik. Motto: Das Interessanteste an Kultur ist, wie sie sich verändert.

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