
Cumberbatch und Colman: "Immer nett, die Sau rauszuzulassen"
"Die Rosenschlacht": Benedict Cumberbatch und Olivia Colman über das Geheimnis einer guten Ehe und die Kunst der Komödie.
Sie lieben sich – und zwar aufrichtig und leidenschaftlich. Doch irgendwann bekriegen sie sich bis aufs Blut, entführen sich die Haustiere und beim Dinner pinkelt einer auf den Fisch. Der Film „Der Rosenkrieg“ mit Michael Douglas und Kathleen Turner aus dem Jahr 1989 ist Kult, im Deutschen wurde der Begriff sprichwörtlich für strittige Scheidungen, „eine der fiesesten Komödien aller Zeiten“, nannte sie der Guardian.

Kult-Komödie: Bei Kathleen Turner und Michael Douglas fliegen in „Der Rosenkrieg“ 1989 die Fetzen
©imago images/Mary Evans/Imago-ImagesJetzt kommt eine Neuauflage ins Kino. Benedict Cumberbatch („Sherlock“) und Oscar-Gewinnerin Olivia Colman, zwei Brit-Stars in Hollywood, spielen in „Die Rosenschlacht“ (ab 28.8. im Kino) das Ehepaar.
Ivy und Theo führen scheinbar das perfekte Leben: Ihre Karrieren sind erfolgreich, die Ehe liebevoll, sie haben tolle Kinder, leben in einem Traumhaus. Doch dann verliert er seinen Job, ihre Karriere nimmt Fahrt auf, es kommt zu Rivalitäten – und zwischen dem Vorzeigepaar fliegen die Fetzen. Scharfe Wortgefechte, beißender Humor, emotionale Grausamkeiten: Die zwei Stars genießen es sichtlich, dabei alles zu geben. Wir sprachen sie im Doppelinterview.
Sie spielen voller Hingabe ein Ehepaar, das sich erst sehr geliebt hat, doch dann in emotionalen Grausamkeiten und körperlichen Attacken ergeht. Konntet ihr euch am Ende eines Drehtags überhaupt noch in die Augen schauen?
BENEDICT CUMBERBATCH: Ich muss zugeben, ich war ziemlich traumatisiert, als es anfing, zwischen uns ernst zu werden. Denn anfangs schien es, als hätten wir Spaß zusammen, zwar mit ein paar kleinen Problemen, aber wir mochten uns. Doch dann wurde es ziemlich düster, und ich dachte mir: Können wir uns abseits unseres Schlagabtauschs nicht wenigstens ab und zu mal gegenseitig fragen, wie es so geht?
OLIVIA COLMAN: Ich habe Sachen nach ihm geworfen und ihn nach allen Regeln der Kunst beschimpft, und irgendwann fragte er mich: „Können wir mal reden, ob alles okay ist zwischen uns?“
CUMBERBATCH: Ja, weil sie wirklich gut darin ist, im Sachen-werfen und Schimpfen.
COLMAN: Das war wirklich süß von ihm. Er ist einfach ein viel netterer Mensch als ich.

„Ich glaube an die Ehe“, sagt Benedict Cumberbatch. Wie auch Olivia Colman. In „Die Rosenschlacht“ spielen die beiden Ehekrieg. Privat sind sie (nicht miteinander) glücklich verheiratet
©Bryan Adams/Searchlight PicturesManchmal beginnen die Probleme in einer Beziehung erst dann, wenn die Frau beginnt erfolgreicher zu werden als der Mann. Im Film jedenfalls scheint das so. Wie sehen Sie das?
COLMAN: Ich sehe dieses Problem nicht als geschlechtsspezifische Angelegenheit. Beide übernehmen die Elternrolle, beide die Rolle der Hauptbezugsperson, beide sind abwechselnd der Hauptverdiener. Ich glaube nicht, dass die Probleme des Film-Ehepaars ein Problem zwischen den Geschlechtern ist. Sie selbst sehen das auch nicht so. Das Paar könnte in meinen Augen genauso gut ein gleichgeschlechtliches Paar sein.
Manche beurteilen es so, dass man Frauen lieber nicht erfolgreich sehen möchte.
COLMAN: Und ich bin überrascht davon, wie viele Leute den Film so interpretieren. Keiner von uns, die beteiligt sind, haben das so empfunden. Mich macht das ein bisschen traurig. Es macht mir klar, dass die Leute immer noch denken, es sei ein Problem, wenn die Frau die Ernährerin in der Familie ist.
CUMBERBATCH: Ich stimme dem vollkommen zu. Selbst wenn alles umgekehrt wäre, Theo Ivy wäre und dieselben Veränderungen und Umbrüche durchmachen würde, würde die Beziehung der beiden trotzdem schiefgehen. Es geht hier darum, dass Menschen massive Veränderungen meistern müssen und ihre Ideale einer Partnerschaft über Bord werfen. Das ist, was in dieser Beziehung wirklich passiert.
Es ist immer nett, wenn man von der Leine gelassen wird und die Sau raus lassen darf, stimmt’s? Und wie einfallsreich die Grausamkeiten sind, die wir uns antun! Ich mag das.
Der Ehekrieg beginnt nicht aufgrund von Geschlechterrollen-Stereotypen, sondern wegen veränderter Lebensumstände.
CUMBERBATCH: Es sind extreme Herausforderungen, vor denen das Ehepaar Rose im Film steht. Das wirkt sich auf die Einheit aus, die beide bis dahin gebildet haben, die blendend funktioniert hat. Sie verlieren sich als Paar aus den Augen. Dafür bauen sieRessentiments auf. Anstatt dass einer zum anderen sagt: „Ich liebe dich, aber ich habe ein kleines Problem damit, dass du im Privatjet sitzt, während ich hier alleine Familie und Haushalt schupfen muss – ich fühle mich alleingelassen“, versuchen sie, alles was sie stört runterzuschlucken und zu tolerieren. Die Unzufriedenheit, die sie empfinden, ist gerechtfertigt, aber sie kommunizieren sie nicht gut. Das entzweit sie, anstatt dass es sie zusammenbringt. Und das hat nicht nur mit Geschlechterrollen zu tun.
COLMAN: Ich möchte wirklich nicht, dass die Leute den Film sehen und dann sagen: „Siehst du, Frauen sind erfolgreich, und schon geht alles den Bach runter.“
CUMBERBATCH: Ich finde es auch erniedrigend für die Figur, die ich spiele, dass sie so empfindet. Dass er eingeschnappt ist, nur weil er gezwungen ist, eine Rolle einzunehmen, von der er denkt, sie sei für eine Frau vorgesehen. Denn das ist nicht der Fall.

"Wovor ich Angst habe, ist mich in einer Art alberner Komödie zu verrennen", sagt Benedict Cumberbatch
©Bryan Adams/Searchlight PicturesDer Film vereint Komödie und Tragödie. Was hat Sie mehr erfüllt: die Szenen zu spielen, in denen sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen, oder jene voller Verletzlichkeit und Liebe?
CUMBERBATCH: Es ist immer nett, wenn man von der Leine gelassen wird und die Sau raus lassen darf, stimmt’s? Und wie einfallsreich die Beschimpfungen und die Grausamkeiten sind, die wir uns antun! Ich mag das. Aber ich liebe es auch, wenn wir unsere Emotionen zeigen. Wir lieben unseren Job. Deshalb machen wir ihn.
COLMAN: Wenn Sie einen ganzen Tag damit verbringen könnten, an dem Sie einfach schreien und weinen dürfen, und dafür auch noch bezahlt werden, würden Sie sich am nächsten Tag großartig fühlen. Ein gut geschriebenes Drehbuch zu haben und das mit jemand durchspielen zu können, den man bewundert, ist ein großartiger Tag.
Als ich geheiratet habe, wurde mir geraten: ,Liebe hält sich gegenseitig keine Fehler vor’ – dieser Ratschlag ist schwierig zu befolgen, aber wirklich gut.
Das Ehepaar Rose hat schweres emotionales Gepäck zu tragen. Wie haben Sie es angestellt, dass trotzdem die Leichtigkeit nicht abhanden kommt?
CUMBERBATCH: Ich habe keine Angst davor, dreidimensionale Menschen zu spielen und versuche, jeden Moment so authentisch wie möglich zu gestalten. Wovor ich Angst habe, ist mich in einer Art alberner Komödie zu verrennen. Komödie muss realistisch bleiben. Das macht sie zugänglicher.
COLMAN: Wenn man Komödie spielt und dem natürlichen Instinkt nachgibt, das lustig zu finden, wird es garantiert nicht lustig. Man muss sich bewusst machen, dass man es realistisch halten muss, damit es lustig ist. Das erfordert eine gewisse Demut.
CUMBERBATCH: Es ist eine ernste Angelegenheit, eine gute Komödie zu machen.
COLMAN: Es ist sogar viel ernster als ein ernstes Drama zu machen.

"Man muss sich bewusst machen, dass man es realistisch halten muss, damit es lustig ist", so Oliva Colman
©Bryan Adams/Searchlight PicturesDer Film übersetzt die Kult-Story mit Michael Douglas und Kathleen Turner quasi ins Heute. Welchen Einfluss hatten die originalen Rollen auf Sie?
COLMAN: Nicht viel.
CUMBERBATCH: Olivia und ich sind schon lange Freunde, wir schätzen die Arbeit des anderen. Uns ging es vor allem darum, einen Film zusammen zu machen. Deshalb haben wir dieses Projekt ins Leben gerufen.
COLMAN: Wir sind Fans und Bewunderer von „Der Rosenkrieg“, aber vor allem gereizt hat uns der gemeinsame Ausgangspunkt: die Idee eines verliebten Paares, das Krieg gegeneinander führt. Dann haben wir es geschafft, etwas ganz anderes daraus zu machen. Unser Film hat einen anderen Ton.
CUMBERBATCH: Natürlich gibt es Momente, die dem Original ähneln. Wie die Roses den jeweils anderen zerstören wollen, sich Streiche spielen oder auf kreative Art versuchen, sich das Essen zu ruinieren und andere Anspielungen. (lacht) Das Budget, ein Auto zu zertrümmern, hatten wir allerdings leider nicht ...
Wenn Sie dem Ehepaar einen Rat geben könnten, welcher wäre es? Ein neues Kapitel aufschlagen? Sich einen Therapeuten suchen, um die Wut auf den anderen zu verarbeiten? Das eigene Ego zurückstellen?
COLMAN: Ich finde, die beiden sollten sich eine Kinderbetreuung organisieren, dann könnten sie auch ungehindert ihren Jobs nachgehen. Und sie sollten sich beieinander bedanken, für die Arbeit, die der andere leistet. Ob in der Karriere oder zuhause – beide Jobs sind unschätzbar wichtig und notwendig.
CUMBERBATCH: Ja, sie brauchen eine Nanny. Und ich würde ihnen raten, Raum für ihre Beziehung zu schaffen, um wieder zueinander zu finden. Sie nehmen die beruflichen Umstellungen, mit denen sie konfrontiert sind, mit derselben Begeisterung und romantischen Abenteuerlust in Angriff, wie sie das immer tun. Doch wenn man mittendrin ist, seine Kinder zu erziehen, geht man das besser etwas vorsichtiger und zurückhaltender an.
COLMAN: Als ich geheiratet habe, wurde mir geraten: „Liebe hält sich gegenseitig keine Fehler vor“ – dieser Ratschlag ist schwierig zu befolgen, aber wirklich gut. Theo und Ivy wäre damit geholfen. Dann könnten sie tief durchatmen und sich daran erinnern, dass sie sich eigentlich lieben.

Neuinterpretation: "Die Rosenschlacht“: ab 28. 8. im Kino
©Jaap BuitendijkWie weit darf eine Schwarze Komödie gehen?
CUMBERBATCH: Ziemlich weit.
COLMAN: Ich habe einmal in einer Comedy-Serie namens „Peep Show“ mitgespielt, in der ein Hund gekocht wurde. Schrecklich – und urkomisch! Selbstverständlich wurde er nicht wirklich gekocht. Der Hund hieß Mummy, und es war lustig, wie wir alle um den Grill herum sitzen und sagen: „Oh, mein Gott, wir essen Mummy!“ Es ist albern, es geht zu weit, und ich finde es sehr lustig.
CUMBERBATCH: Wenn man ein Schockelement verwendet, dient es in der Regel dem Zweck, dich in die Erzählung hineinzuziehen. Schwarze Komödien sind gut. Je unangenehmer sie sind, desto besser. Ihr Spaß ist ansteckend. Auf gewisse Weise funktionieren sie wie Horrorfilme. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die schockierenden Momente schütteln deinen ganzen Körper durch und regen deine Auseinandersetzung mit der Geschichte an.
COLMAN: Es darf aber auch nicht zu grausam sein, indem es sich über eine bestimmte Person lustig macht.
CUMBERBATCH: Es sei denn, es handelt sich um eine gravierende Kritik. Sehr heikel, das alles.
Benedict Cumberbatch wurde 1976 in London geboren. Seine Eltern sind Schauspieler, er ging auf ein teures Nobelinternat. Bekannt wurde er mit der Serie „Sherlock“ als Detektiv, war „Doctor Strange“, wurde für „The Imitation Game“ und „The Power of the Dog“ Oscar-nominiert. Verheiratet, zwei Kinder.
Gibt es nach einem Film wie diesem überhaupt noch überzeugende Argumente für die Ehe?
COLMAN: Oh ja, die gibt es! Die Roses haben sich nie wirklich entliebt. Sie haben das Gefühl, sie hätten es, aber sie halten immer noch zusammen, und ich glaube, dafür gibt es einen Grund. Sie sind immer noch verliebt. Und länger zusammen als viele andere Paare, die dasselbe durchgemacht haben.
Olivia Colman wurde 1974 im englischen Norwich geboren und studierte an einem Cambridge-College, um Volksschullehrerin zu werden. Für „The Night Manager“ gewann sie den Golden Globe, für „The Favourite“ als Königin Anne den Oscar, für „The Crown“ als Elisabeth II. den Emmy. Verheiratet, drei Kinder.
CUMBERBATCH: Im Scherz haben wir gesagt: Das sollte ein Film sein, den sich frisch verheiratete Ehepaare in der Hochzeitsnacht anschauen. Als Warnung, damit die sich denken: Oh Gott, zum Glück sind wir nicht so! Es ist eine Liebesgeschichte, die ein bisschen schiefgeht. In bestimmten Verhaltensweisen kann man sich wiedererkennen.
COLMAN: Und es macht definitiv mehr Spaß, sie auf der Leinwand streiten zu sehen, als ein Paar, das toll miteinander auskommt, ohne jeden Zwist. Die Lektion, die wir aus dem Film lernen, ist: Man sollte dem anderen seine Aufmerksamkeit widmen, sich gegenseitig fragen, wie es geht und was man fühlt, nett zueinander sein und gegenseitig Danke zueinander zu sagen.
CUMBERBATCH: Ich glaube an die Ehe. Und das scheint mir das Wichtigste dabei zu sein, damit die ganze Sache funktioniert.
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