Karriere am Berg: Warum eine 27-Jährige zur Hüttenwirtin wird

Der Wilhelm-Eichert-Hütte auf der Hohen Wand kam der Pächter abhanden. Spontan sprang Michelle Brandstätter ein. Warum?

Der Frühling wird ein Neustart für Michelle Brandstätter. Die 27-jährige Pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin aus Wiener Neustadt wird dann nämlich auf den Berg ziehen. Doch es ist nicht nur die idyllische Landschaft, die sie lockt – obwohl der Blick „super schön“ sei. Brandstätter wird gemeinsam mit Koch Sebastian Mika die Wilhelm-Eichert-Hütte auf der Hohen Wand übernehmen.

Es ist ein Sprung ins kalte Wasser. Bisher kannte die junge Frau die Schutzhütte nur vom Wandern und durch Mika. Der war schon bisher dort als Koch beschäftigt.

Doch nachdem Anfang März der bisherige Pächter nach elf Jahren kurz vor Saisonstart das Handtuch geworfen hatte, startete der Österreichische Touristenklub Sektion Wiener Neustadt unter anderem im KURIER einen Aufruf, dem Brandstätter gemeinsam mit ihrem 31-jährigen nunmehrigen Geschäftspartner spontan gefolgt ist. Ihr eigener Chef zu sein, das habe sie gereizt, erzählt die 27-jährige Noch-Angestellte.

Damit schwimmt die Neo-Gastronomin gegen den Trend auf den Bergen. Zuletzt haben in NÖ einige Hüttenwirte den Job an den Nagel gehängt, andere suchen verzweifelt nach Personal. Der Fachkräftemangel macht eben auch vor den Berggipfeln nicht halt. Und auf neue Wirte kommen zusätzlich noch strenge behördliche und gesetzliche Auflagen zu. Schmäh zu führen und Mehlspeisen sowie Schnaps aufzutischen, reicht nicht aus.

Brandstätter und Partner Mika

©Privat

Das weiß auch Brandstätter. Mut und die Bereitschaft, viel zu arbeiten, brauche man, um eine Schutzhütte zu übernehmen, sagt sie. Ganz neu ist die 27-Jährige in der Gastro aber nicht: Sie hat die HLW Wiener Neustadt mit einer Koch- und Kellnerprüfung abgeschlossen.

Mika habe schon länger überlegt, die Hütte zu übernehmen. „Ich habe dann gesagt, jetzt oder gar nicht“, sagt die 27-Jährige, die sich selbst durchaus als wagemutig beschreibt. „Ich glaube, wir sind ein gutes Team. Wir schaffen das“, sagt Brandstätter.

Jung und motiviert

Sorge, dass sie wie Kollegen ohne geeignetes Personal dastehen wird, hat sie nicht. Denn jetzt, zum Saisonstart, ist noch gar keines eingeplant. Vielmehr setzt die junge Frau auf Freunde und Familie. Unter der Woche kämen sie zu zweit durch, ist Brandstätter überzeugt. „Wir sind jung und motiviert.“ Doch generell sei es in der Gastro schwer. „Es ist schon ein sehr anstrengender Job. Man hat eine Sechstagewoche. Wenn der Partner nicht mitmacht, ist es schwierig.“

Diese Hütten suchen noch einen Pächter:

Personalproblem
Der Fachkräftemangel macht auch vor den Schutzhütten nicht halt. Mitunter setzen Wirte bereits auf Mitarbeiter aus Nepal

Karrierechance
Wer auf den Geschmack gekommen ist: Der ÖTK sucht Pächter für das Defreggerhaus am Großvenediger in Osttirol, das Karl-Ludwig-Haus auf der Rax und das Mugelschutzhaus in der Steiermark. Der Alpenverein Edelweiss sucht für seine Edelweisshütte am Schneeberg einen neuen Wirt

Mit der Wilhelm-Eichert-Hütte übernehmen die beiden nun ein Stück Kulturgut auf der Hohen Wand. Auf dem Plateau der „Großen Kanzel“ auf 1.056 m Seehöhe gelegen, wurde sie 1899 eröffnet und ist die älteste und höchstgelegene Schutzhütte im Naturpark Hohe Wand.

An klaren Tagen können die Besucher bis zum Neusiedler See sehen. Die Hütte ist bei Wanderern und Kletterern beliebt. Bis zu 250 Essen verlassen an starken Tagen die Küche. Auch für Feiern ist sie zu mieten, zudem kann man nächtigen.

Die Wilhelm-Eichert-Hütte

©ÖTK

Modernisiert

Mit der neuen Pächterin soll die Schutzhütte sanft modernisiert werden. So will Brandstätter mehr Events veranstalten, auch für Hochzeiten sei man schon gebucht. Neben den traditionellen Gerichten sollen sich künftig auch Speisen „für junges Publikum“ auf der Karte finden, etwa vegetarische Currys.

Ein Kinderspielplatz soll neu gestaltet werden; Brandstätter schwebt auch ein Streichelzoo vor. „Das ist in diesem Jahr aber vielleicht noch nicht umsetzbar“, sagt sie.

Beim ÖTK Wiener Neustadt ist man froh, so rasch Nachfolger gefunden zu haben. Der jungen Wirtin traue man die Aufgabe zu, betont Josef Zwickl. Nun hoffe man auf eine Weiterentwicklung der Hütte. „Wir wollen sie so umgestalten, dass sie auch für mehrtägige Aufenthalte attraktiv ist“, sagt er. In den nächsten fünf Jahren möchte man zudem mit Photovoltaik-Anlagen und Stromspeicher energieautark werden.

Brandstätter will spätestens am 7. Mai aufsperren. „Das wird ein echtes Abenteuer“, sagt sie.

Katharina Zach

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