Warum gibt es in fast jedem Aufzug einen Spiegel?

Ein psychologischer Trick ist unter anderem der Grund, warum wir im Lift von Spiegeln umgeben sind.

Schon klar: Jene Zeitgenossen, die an keinem Schaufenster vorbeigehen können, ohne im gedrosselten Schritttempo bewundernd ihr Antlitz zu begutachten, all jene stellen sich die oben formulierte Frage selbstverständlich nicht. Sie sind beglückt, sobald eine sie spiegelnde Oberfläche sich unversehens im Alltag entdecken lässt. Und das mit gutem Recht: Schönheit will bewundert werden, zur Not von einem selber. Und wir alle sind schön, jeder auf seine Art, und ihr, liebe Leserin, lieber Leser, seid sowieso die Schönsten.

Zum Glück muss man sich unterwegs aber nicht nur mit Auslagen, Autoscheiben oder den Metallschildern von Ärzten und Rechtsanwälten behelfen. Die Menschen hängen in nahezu jedem Aufzug einen Spiegel auf, meist ist der halbe Lift sogar eingerichtet, als befände man sich im Spiegelkabinett. Warum?

Psychologie im Lift 

Nun, nicht nur, um sich praktischerweise im Auf- und Abwärts des Alltags noch die Frisur zu richten oder den Sitz der Krawatte. Es ist ein Trick! Und zwar ein psychologischer. Denn die meisten Fahrstuhlbesitzer haben es lieber, dass die Passagiere ihr Spiegelbild anhimmeln, als dass sie randalieren.

Und dazu scheinen sich die Leute in Aufzügen, sobald sie unbeobachtet sind, aus irgendeinem Grund animiert zu fühlen. Dann ritzen sie den Namen der Liebsten mit einer Münze in die Wand, oder ein obszönes Wort für Geschlechtsverkehr. Ein Spiegel gibt einem jedoch das Gefühl, beobachtet zu werden. Und schon sind alle ganz brav. Der Wunsch, den Fahrkorb zu beschmieren oder ein Schild aus der Wand zu reißen, wird unterdrückt, stattdessen verhält der potenzielle Vandale sich moralisch richtig. Und weil die Betreiber das wissen, hängen sie Spiegel auf, um mutwilligen Beschädigungen vorzubeugen.

Der Spiegel hat aber noch andere Gründe. Taschendiebe halten sich zurück, weil man ihnen so leichter beim Stibitzen zusehen kann. Menschen im Rollstuhl macht er das Ein- und Aussteigen leichter. Außerdem wirken die engen Kabinen größer, was für Platzangst-Geplagte nicht ganz unwichtig ist. Und alle anderen? Haben Gelegenheit, dem Zeitphänomen Aufzugselfie zu frönen.

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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