Vollgas: Ein Tag mit dem Stuntfahrer von James Bond
Der 007-Stuntfahrer von „Keine Zeit zu sterben“ gibt Einblick in seine Arbeit. Dann klemmen wir uns selbst hinters Steuer.
Sir, sind Sie okay? – Die Stimme der Dame klang ernst, irgendwie besorgt, gleichzeitig liebevoll. – Sir, Sie hatten einen Unfall, können Sie mich hören? – Eindeutig, die Worte kamen aus dem Off. Allerdings NICHT aus dem Walkie-Talkie. Woher bloß? – Sir, ich schicke Ihnen einen Rettungswagen. – Evangelos Grecos lag in jenem Moment kopfüber baumelnd in einem 6-Punkt-Gurt am Steuer eines Land Rover Defender, mit dem er sich eben krachend überschlagen hatte und auf dem Dach gelandet war, irgendwo im braunen, nassen, dreckigen Mohr der Highlands von Schottland. Und zwar mit voller Absicht.
Stuntfahrer Grecos lacht. Des Rätsels Lösung: Die Stimme kam vom SOS-Notrufsystem des Wagens, nach dem Überschlag hatte es automatisch eine telefonische Verbindung zum Fahrer hergestellt. Was die nette Frau am anderen Ende der Leitung nicht wusste: Es ist der tägliche Broterwerb des 49-Jährigen, im Affentempo extreme Manöver mit Autos zu veranstalten und sie notfalls in einen Berg Blech zu verwandeln. Und: Sie spielte gerade live in einem James-Bond-Film mit.
Evangelos Grecos ist seit 27 Jahren im Geschäft und einer der gefragtesten Stuntmen Hollywoods. Der Deutsche mit griechischen Wurzeln performte in Stuntshows vor Publikum, zudem arbeitete er an mehr als 100 Filmen mit. Kassenschlagern mit Adrenalin-Garantie: „Das Bourne Ultimatum“, „Fast & Furious“, „Wonder Woman 1984“, „Justice League“, auch im neuen „The Batman“ mit Robert Pattinson steigt Grecos aufs Gas. Vor allem aber wirkte er in vier James-Bond-Filmen mit, sein erster war „Ein Quantum Trost“, der aktuellste läuft mit „Keine Zeit zu sterben“ gerade im Kino.
"Bei Bond wird nicht getrickst"
„An jeder Verfolgungsjagd, die im Film zu sehen ist, bin ich beteiligt“, sagt Grecos. In zwei davon sind Range Rover SVRs und die Defender von Land Rover eingebunden, die Marke pflegt eine jahrzehntelange Beziehung zu 007. Im neuen Abenteuer beweist etwa der neue Defender, wie tough er ist, wenn es ins Gelände geht. „Alles, was zu sehen ist, sind wir in echt gefahren. Bei Bond wird nicht am Computer getrickst.“ Herzstück der Action ist dabei eine Jagd, die auf einer Küstenstraße beginnt. Zwei Fahrzeuge hetzen Bond auf Teufel komm raus, eines wird von 007 links den Berg runter abgedrängt, überschlägt sich. Das andere zieht auf der rechten Seite den Kürzeren und hebt kurzerhand in die Luft ab, dreht sich um die eigene Achse und landet ebenfalls unsanft.
Danach geht es ins Gelände, eine Armada an Land Rovern jagt den Agenten über Feld und Wiese, meterhoch springen sie ins Bild, ein Kometenregen aus Autos. „Dazu fuhren wir auf Auffahrrampen, die uns fünf Meter hoch in die Luft katapultierten und 30 Meter weit springen ließen“, erzählt Grecos vom spektakulären Stunt. „Du sitzt hinterm Steuer, siehst nur noch Himmel, hast das Gefühl, du würdest fliegen – bis sich der Rover langsam nach vorne neigt und du den Boden plötzlich rasend schnell auf dich zukommen siehst. Du denkst: Oh, Shit! Du schlägst hart mit dem Wagen auf, der völlig die Balance verliert, nach links springt, dann nach rechts, versuchst, den anderen zwei Autos und dem Bike neben dir nicht reinzufahren – das war extrem schwierig. Dann fährst du wieder zurück, lässt den Wagen sauber spritzen und machst es noch einmal. 12 bis 13 Mal insgesamt. Ein wirklich cooler Tag – aber danach war ich wirklich müde.“
Selber driften wie Bond
Wer jetzt übrigens annimmt, Bond-Darsteller Craig würde beim Dreh von Action-Sequenzen lieber mit einem Häferl heißer Schokolade vorm Kamin sitzen, während die Stuntmen die Drecksarbeit erledigen, irrt. Auch er saß beim neuen Bond-Film am Lenkrad, auch Driften und sogar einen J-Turn (reversieren, dann 180-Grad-Drehung) soll er beherrschen. „Daniel Craig ist ein cooler Typ. Und ein guter Autofahrer, das auch“, weiß Grecos. Wir sind bei dem Mann also in besten Händen. Denn wir treffen ihn in Köln auch deshalb, um mit ihm im Orginal-Defender-Stuntauto von „Keine Zeit zu sterben“ ein paar Runden zu drehen – und dann selbst hinters Steuer zu klettern.
Es regnet durchgängig auf dem Gelände des Schloss Ehreshoven, was die Aufgabe nicht einfacher macht. Die Wiese ist nass, die Erde aufgeweicht. „Als wir die Offroad-Verfolgungsjagd für Bond gedreht haben, war es ähnlich wie heute: ein Sauwetter und extrem rutschig“, sagt Grecos. Na denn. Schwarz glitzernd steht der Defender V8 im Schnürlregen vor uns, wie eine Raubkatze, die auf ihren Einsatz lauert. 300 Stück bloß gibt es davon in der Bond-Edition. Ein Powerpaket mit 525 PS und 22-Zoll-Rädern, Acht-Gang-Automatikgetriebe, Top-Speed 240 km/h. Von null auf 100 ist der Offroader in 5,2 Sekunden. Zuvor haben wir eine Fahrt über den Parcours mit Evangelos Grecos hinterm Volant gemacht. Sah eigentlich ganz leicht aus. Holprig, klar. Rutschig, logisch. Offroad-Erfahrung habe ich keine. Trotzdem, das sollte klappen.
Weil der Defender das Original aus dem Film ist, ist er auch Stunt-gerecht ausgestattet. Heißt unter anderem: Rennpedale, Schnelllenkstange, Überrollkäfig, Renngurte, Rennsitze und eine hydraulische Handbremse – wichtig für den Drift-Spaß, den wir anstreben. Und tatsächlich klappt es anfangs ganz gut. Okay, ein paar Ausritte sind dabei. Am Auto liegt’s nicht. „Nicht zu heftig am Lenkrad drehen, wenn du versuchen willst, den rutschenden Wagen auf der schnittigen Strecke abzufangen“, lässt mich Evangelos am Beifahrersitz wissen. Die grüne Wald- und Wiesenwelt außerhalb des Autofensters ist ein einziges Wackeln, Ruckeln, Ab- und wieder Auftauchen. Jetzt gerade auf die große Kurve hin, auf die wir, wie’s scheint, zufliegen, dann die Handbremse betätigen – die maximale Bremswirkung tritt ein und wir driften sanft um die Kurve. Reicht vielleicht nicht für die Rolle als neuer James Bond. Aber uns gefällt’s.
Und auch am Nachmittag bewährt sich der Wagen: Böschungswinkel von 40 Grad sind kein Problem, man nimmt die Füße von Bremse und Gaspedal, und mit Bedacht klettert der Defender den Berg dank Bergabfahrhilfe von selbst hinab wie eine Gämse. Problemlos durchqueren wir Bäche, fahren sicher über eine Brücke aus Baumstämmen, bewältigen jede Grube, auch mal mit dem vierten Rad in der Luft. Hollywoodreif.
Ob der Job auf Dauer in die Knochen geht?, fragen wir Stuntfahrer Evangelos. „Klar, wenn man sich ständig mit dem Auto überschlägt oder irgendwo reinscheppert, das spürt man“, sagt er. Der Mann wirkt ständig, als könne ihn nichts aus der Ruhe bringen. Weder ein Bond-Bösewicht, noch ein 30 Meter weiter Sprung mit dem Auto, wahrscheinlich nicht einmal Léa Seydoux. „Doch je trainierter man ist, umso besser kann man es wegstecken. Also bleibt man fit.“ Tja, erst kommt die Action – und erst danach die Martinis.
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