Warum sind wir im Urlaub abenteuerlustiger als zuhause?

Das Jahr über im Alltag, im Urlaub Tiger reiten: warum?

Das Leben ist ein Abenteuer. Ist es? Sagen doch alle. Doch warum gleichen dann so viele unserer Tage denen davor? Also: ausbrechen. Jeder muss ja mal raus, mit den Gefühlen Gassi gehen. Nun reiben sich manche aus Vorfreude auf die Weihnachtsfeier jetzt schon die Hände. Die anderen buchen einen Abenteuerurlaub: Nichts wie rauf auf den Vulkan! So dröge kann der Schreibtischjob nine to five gar nicht sein. Schon springt Lieschen Müller, Flosse voraus, ins Meer und schnorchelt mit den Haien.

Otto Normalverbraucher durchquert mal eben eine Wüste, zum Sandskiing. Und Max Muster geht auf Safari, obwohl ihm im Patschenkino schon „Universum“ das Fürchten lehrt. Der Rest: trainiert mindestens für das Erklimmen des Kilimandscharo. Apropos exotisch: Niemals, wirklich niemals, würden wir daheim Thunfischaugen bestellen (in Japan schon), oder Surstromming – die übelst riechenden Heringe sind eine schwedische Spezialität. Und da reden wir noch gar nicht von der Gefahr, die vom Urlaubsflirt ausgeht: dem waghalsigsten Abenteuer überhaupt.

Was uns zu Abenteurern macht

Hilmar Brohmer von der Universität Graz macht drei Gründe aus für die urlaubsbedingte Lust am Risiko. Erstens: Wir sind ganz wild auf Dopamin und Serotonin. Wir wissen, ein Abenteuer wirkt bei uns neuronal aufs Belohnungszentrum im Gehirn und bringt uns in den biochemischen Genuss dieses Hormoncocktails. Also sind wir ganz wild drauf. Zweitens: emotionale Erbauung. Wir spüren sie, wenn wir auf einem Bergplateau auf ein herrliches Panorama blicken, es durchkitzelt unseren ganzen Körper. Wir spüren Verbundenheit, mit uns, dem Universum. Und das erwartet einen halt eher selten in der Wiener U6.

Drittens: Die gute, alte FOMO (Fear of missing out), die Angst, etwas zu verpassen. Weil wir auf Social Media auch so spektakuläre Fotos wie die Influencer wollen, geht es nicht als Urlaub durch, solange wir nicht auf einem Tiger geritten sind. Übrigens: Im Alltag auch stets den Adrenalin-Kick zu suchen, sei gar nicht ratsam, weiß Brohmer. „Andauernde Anspannung lässt uns den Sinn fürs Besondere verlieren. Es braucht den Alltag, um vom Urlaub runterzukommen.“

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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