Freunde am Gipfel

Warum ist die Aussicht von oben so gut für uns?

Ob auf Türme, Berge oder Aussichtsplattformen, der Mensch liebt die Sicht auf die Welt aus der Vogelperspektive.

Was wäre Österreich ohne  Berge? Um einige Perspektiven ärmer. Auch wer in Wien lebt, hat grandios viele „Aussichten“ auf die Stadt. Vom „Haus des Meeres“ – nur in Kombination mit Reservierung im 360° Ocean Sky-Café – bis zum Leopoldsberg. Der Blick von oben über Dächer und ameisengroße Menschen mit ihren Spielzeugautos ist genauso faszinierend wie jener auf Weinberge, Donau und Wolkenkratzer-Skyline. Was alle Aussichten gemeinsam haben: Sie pusten einem Alltagsproblemchen aus dem Hirn und schenken sogar  eine kleine Auszeit von echten Sorgen.

Woran liegt es, dass uns die Sicht  von oben  so fasziniert  (die Höhenangst jetzt mal außer Acht gelassen)? Vielleicht lässt sich das mit dem „Overview Effect“ begründen, der bereits 1987 im gleichnamigen Buch des Amerikaners Frank White beschrieben wurde. Darin geht es um die besondere Erfahrung, die Astronauten im All gemacht haben:  „ihren“ Planeten als Ganzes zu sehen.  Der  ehemalige Kosmonaut Pham Tuân erklärte sein Erleben so: „Nach acht Flugtagen im Weltraum erkannte ich, dass der Mensch die Höhe vor allem braucht, um die Erde, die so vieles durchlitten hat, besser zu verstehen und manches zu erkennen, was aus der Nähe nicht wahrgenommen werden kann.“

Unser „Overview“ von Türmen und Hügeln wirkt nicht ganz so einschneidend, kann  aber auch  Klarheit bringen. Probieren Sie es  wieder mal: Die Wahrnehmung ist eine andere, wenn man ins Land hinabschaut. Andrew Huberman, Neurowissenschaftler an der Stanford University, hat erforscht, welchen Einfluss die Art des Sehens auf den Menschen hat. „Wenn man den Blick zum Horizont oder in die Ferne schweifen lässt, dann schaut man nicht lange an eine Stelle“, erklärt er in „Spektrum der Wissenschaft“. „Hält man den Kopf dabei ruhig, kann man den Blick weiten, so dass man bis an die Ränder des eigenen Blickfelds sehen kann.“ Wer das praktiziert, mindert Stressgefühle. Huberman spricht hier vom „Panoramablick“ und die Übung braucht weder Hügel noch  Aussichtsterrasse, sondern kann überall ausgeführt werden. Das sind doch auch gute Aussichten.
 

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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