Selbstversuch Bogenschießen: Wenn man einmal den Bogen überspannt

Beim Training mit Vizeeuropameister Alfred Kreidl schoss der Proband zwar nicht nur einmal übers Ziel hinaus, bekam aber Spaß an der Schießerei

„Die Sicherheit geht vor dem Spaß“, sagt Alfred Kreidl. Immerhin trägt man Pfeil und Bogen nicht aus Jux und Tollerei durch den Grazer Wald. Auch Vergleiche mit etwaigen Legenden dieses Genres lässt der Vize-Europameister nicht zu. „Robin Hood kam im Gegensatz zu euch auch mit dem Pferd, nicht mit dem Auto angereist.“

Besagte Unterschiede betreffen die Adjustierung (Pfeile werden seitlich getragen, nicht hinten), und logischerweise auch die Ziele. Immerhin wird nicht auf Machthaber und Königstreue geschossen, sondern auf Scheiben und künstliche Tiere. Im 3-D-Modus, so als wären sie echt, darauf wird besonderen Wert gelegt. Da gehen Hirsch-Embryos ebenso wenig durch wie zu Dinosauriern hochgezüchtete Hasen oder Gewächse aus Star Wars.

Am Ende marschierte der Spaß doch mit, als ich den Versuch wagte, aus Graz-Andritz Sherwood Forest zu machen. Auch wenn Kreidl immer wieder die Einhaltung der Regeln einmahnt. „Wo spannst du denn den Bogen? Das darfst du nur am Platz, von wo du schießt.“ Ist das dann einmal getan und alle fertig, wird „abgeschossen“ gerufen. Damit keine Stadtmenschen oder andere Leichtfertige durch den Parcours laufen. Klar, mit einem Pfeil im Rücken lässt sich nur unbequem weitersporteln, das war auch mir klar.

Der Meister:   Kreidl vor einem 3-D-Viecherl.

©Privat

Übers Ziel hinaus ...

Dass es mir am Ende keinen Spaß mehr machte und ich beim Wettkampf immer mehr zum John McEnroe des Bogenschützensports mutierte (ich bin ein schlechter Verlierer, deshalb unangenehm oft schlecht aufgelegt), ist eine andere Geschichte (da flog das Sportgerät in weitem Bogen ...). Aber Kreidl verstand es, auch Talente aufzubauen, die nicht nur gelegentlich übers Ziel hinausschießen. „Was war denn das schon wieder? Den Pfeil können wir in der Botanik suchen.“

Trotz der Verfehlungen (damit sind die Ziele gemeint), saßen aber schon bald die Grundregeln. Immerhin durften wir mit einem traditionellen Recurvebogen schießen. Mit jenem Bogen, der als einziger in modifizierter Form bei den Olympischen Spielen, wo seit 1900 mit Pfeil und Bogen geschossen wird, zugelassen ist. Damit man mit Blödeleien den Bogen nicht überspannt, sollte man sich eben an die Grundregeln halten. Das fängt schon bei der Aufnahme des Trainings an. Stand, Hand, Anker, los! So heißt es im Fachjargon, so lernen es auch artfremde Leute wie ich.

Spätstarter

Der 56-jährige Kreidl war 2011 selbst noch artfremd. „Ich habe für mich und meinen Sohn ein Hobby gesucht, schon bald packte mich die Leidenschaft und der Ehrgeiz“. Dieser führte ihn schon bald in den steirischen Landeskader und nicht viel später in den österreichischen A-Kader. „Ich bin in allen Disziplinen österreichischer Staatsmeister geworden.“ Zudem war er Vizeeuropameister, derzeit schießt er sich für die Weltmeisterschaft ab Sonntag in Slowenien ein. Olympia war noch kein Thema. „Ich schieße nur mit dem traditionellen Langbogen, der nicht olympisch ist.“

Der Busfahrer weiß, wo es lang geht. Und ein Umdrehen war schon bald ausgeschlossen. „Es ist ein Sport für die ganze Familie. Zudem ist man in der Natur“, sagt Kreidl, für den sein Sport einer der komplexeren Sorte ist. „Beim Bogenschießen muss man Ausdauer, Konzentration, Kraft und Motorik vereinen.“

Reich wird er freilich nicht damit. „Leben kann man nur in Südkorea und in Amerika davon.“

Kostbar, kostengünstig

Zumindest geht die Ausübung des antiken Vergnügens (Bogenschießen darf sich mit Fug und Recht darauf berufen, einer der ältesten Sportarten zu sein) nicht allzu sehr ins Geldbörserl. Mit zehn Euro war ich dabei, konnte vier Stunden durch die Botanik stapfen und auf die Viecher schießen. Ein Bogen selbst ist für rund 150 Euro zu haben. Kurz – ein billiger Spaß. „Was eigentlich lustig ist“, sagt Kreidl, „im Mittelalter war es der Sport der Elite, war es auf den Höfen vor allem bei den feinen Damen sehr gefragt.“ Gut, wo Robin Hood, der Streiter für die Armen, die Pfeile und Bögen gekauft hat, ist jetzt nicht überliefert, aber auch egal.

Apropos, um jetzt Robin Hood ein letztes Mal zu bemühen: Mit Pfeil und Bogen durch Graz zu laufen, wird allgemein nicht so gerne gesehen. Aber es ist erlaubt. „Es ist keine Waffe, sondern ein Sportgerät“, klärt Kreidl auf.

Keine Sorge, meine Selbstversuche beginnen im Wald und enden auch dort.

Harald Ottawa

Über Harald Ottawa

Der Absolvent des Studiums der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften ist seit 2004 beim KURIER und dort ausgewiesener Tennis-Experte (seit 2016 unter anderem auch federführend beim KURIER-Tennisjahrbuch, dem einzigen österreichischen, periodischen Tennismagazin), aber auch im Fußball, Boxen und Sportpolitik zu Hause. Seit 2020 auch Moderator auf KURIER.TV (unter anderem beim Sport Talk).

Kommentare