But first, let's take a selfie

Warum sind wir uns selbst auf Fotos oft so fremd?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die Sie überraschen werden.

Das bin doch nicht ich!“ – „Sehe ich wirklich sooo aus?“ – „Lösch das Foto, sofort, ich bitte dich!“

Wir kennen das, haben's schon oft gehört und vielleicht auch selbst gesagt. Das Foto, auf dem wir drauf sind, sieht irgendwie ... anders aus. Falsch. Oder eigentlich: Während alle anderen eben genau so aussehen, wie wir sie kennen, manche sogar noch viel besser, weil DIE eben richtig fotogen sind, stimmt bei uns einfach etwas nicht. Wir kennen uns doch, sehen uns jeden Tag x-mal im Spiegel, beim Rasieren, Zähneputzen, Händewaschen. Und eigentlich finden wir uns doch auch ganz passabel. Nur warum sieht man auf dem verdammten Foto hergottnochmal nicht so aus, wie man sich selbst sieht?!

Weil wir uns eben normalerweise NICHT selbst sehen, sagt die Wissenschaft. Also nicht wirklich. Was wir täglich von uns zu Gesicht bekommen, ist unser Spiegelbild. Das kennen wir in- und auswendig, mit dem haben wir uns arrangiert. Die Psychologie spricht hier vom „Mere Exposure Effect“, der wurde 1968 von Stanford-Professor Robert Zajonic entdeckt. Der besagt, dass wir das, was wir wirklich oft sehen, irgendwann auch mögen. Lernen. Außer die ursprüngliche Abneigung ist zu groß, dann hassen wir das Gesehene immer mehr, aber das passiert beim eigenen Bild zum Glück doch eher selten. Also mögen wir auch unser Spiegelbild.

Das Problem ist nur: Unser Spiegelbild entspricht nicht dem, wie andere – und eben auch die Kameras – uns sehen. Kein Gesicht ist symmetrisch, wir kennen das, haben alle eine Schokoladenseite. Bei dem Menschen, der wir angeblich sein sollen und der uns von diesem Foto so linkisch entgegengrinst, wie wir in unserem ganzen Leben noch nicht gegrinst haben, ist diese Schokoladenseite aber nicht da, wo wir sie vermuten. Wir sehen einen Fremden, der vorgibt, wir zu sein.

Die einzige Abhilfe: Sich viel fotografieren lassen – und die Bilder nicht gleich löschen, sondern genau anschauen. Sich selbst kennen lernen. Und nein, Selfies – zumindest Android – helfen da nicht, die werden nämlich spiegelverkehrt gespeichert. Ach DESHALB finden sich die ganzen Influencer also so cool!

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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