Wieso vergeht der Jänner stets langsamer als andere Monate?

Ist heute wirklich erst der 11. Jänner? Dabei liegt die Silvesternacht bereits eine gefühlte Ewigkeit zurück. Dazwischen gab es Spaziergänge und Telefonate, alkoholfreie Abende und den Versuch, jeden zweiten Tag laufen zu gehen, Arbeitstage und noch mehr Spaziergänge. Das reicht für zwei Monate. Aber wieso vergeht der Jänner stets so langsam, während alle anderen Monate danach verfliegen?

Dafür hat Psychotherapeutin Ines Gstrein vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie eine Erklärung. "Zum einen", sagt sie, "haben wir im Jänner so etwas wie einen Post-Holiday-Effekt. Der Dezember ist oft besonders dicht: Die Arbeit ist stressig, Projekte müssen abgeschlossen werden, dazu kommen die vielen Feiern."

Im Jänner schlägt das Pendel in die andere Richtung; aus Übersättigung wird Mangel. Ohne die Weihnachtslichter ist der Winter dunkel, ohne Feiern der Abend lang. Und vielleicht hat man sich Neujahrsvorsätze vorgenommen, deren Einhaltung Geduld abverlangt. 

"Wenn etwas mühsam ist oder wenn man auf etwas verzichten muss, streckt sich die Zeit." Eine halbe Stunde auf einer Party, die man genießt, vergeht schneller als 30 Minuten in einem Fitnessstudio, die zu anstrengend sind. Wenn man sich vornimmt, eine Woche keinen Alkohol zu trinken oder jeden zweiten Tag laufen zu gehen, denkt man am Mittwoch: Oh, immer noch vier Tage!

Zum Post-Holiday-Effekt kommt im Jänner aber auch noch ein weiterer, ergänzt Ines Gstrein, und zwar der Primacy-Effekt: "Der Beginn einer Zeitspanne oder einer neuen Erfahrung kommt uns immer länger vor." Im Urlaub vergehen die ersten drei Tage langsamer als die letzten drei. 

Das Gehirn ist aufmerksamer, muss Eindrücke sammeln, Entscheidungen treffen. Das streckt Zeit. Sobald man dann aber Routine hat, verfliegt sie. Nun hat sich im Jänner vielleicht die Umgebung nicht geändert, und doch ist da eine neue Aufmerksamkeit: Was bringt das neue Jahr? Wie geht es mir mit den neuen Vorsätzen?

So gesehen, sollte man sich vielleicht weniger sorgen, dass der Jänner so langsam vergeht, sondern die anderen Monate so schnell.