Warum sitzen viele am liebsten in Fahrtrichtung?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die euch überraschen werden.

Menschen, die oft mit dem Zug unterwegs sind, kennen das Phänomen: Fenstersitze in Fahrtrichtung sind die begehrtesten Plätze. Auch Psychologe Johannes Achammer, selbst viel mit der Bahn unterwegs, kann das aus persönlicher Erfahrung und Beobachtung bestätigen: "Gibt es einen Halt im Bahnhof und ein volles  Abteil leert sich, setzen sich viele Reisende um, damit sie in Fahrtrichtung weiterreisen  können. Es ist interessant, zu sehen, wie sie sich dann sofort entspannen.“

Das hat seine Gründe: Wir sind in einer Welt unterwegs, in der unendlich viele Informationen auf uns einprasseln, die wir mit allen Sinnen aufnehmen. Brechen wir dann auch noch aus Gewohntem aus, gerät einiges durcheinander und "beeinträchtigt unseren Wohlfühlfaktor“, so der Psychologe.

Während des Rückwärtsfahrens erleben wir einen Konflikt der Sinne – der Blick geht nach vorne, der Gleichgewichtssinn registriert die gegenteilige Bewegung, einigen wird davon sogar schlecht. Zudem können wir  nicht erkennen, was auf uns zukommt. Deshalb schlägt unser Ur-Instinkt  Alarm, "da sind wir ja immer noch auf dem Stand des Neandertalers“, lacht Achammer. Denn auch dem modernen Menschen gehe es darum, sich zu vergewissern, dass keine Gefahr auf einen zukomme. "Sehen wir nicht, wohin wir fahren, kann sich das wie Kontrollverlust anfühlen.“ Für viele eine Herausforderung: Wer nicht selbst am Steuer sitzt, wie das eben in Zug, Bus oder U-Bahn der Fall ist, muss sich auf jemand anderen verlassen, ob er will oder nicht. Zumindest ein Auge drauf will man da schon haben.

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Es gibt aber noch einen weiteren Grund: den sozialen Faktor. Psychologe Achammer: "Am beliebtesten sind ja die Zweiersitze in Fahrtrichtung. Hier sitzt man auf der sicheren Seite, kann ein Buch lesen, sich entspannen.“ Erwischt man  die Viererkombination, hilft ein Fensterplatz in Fahrtrichtung,  Augenkontakt und Kommunikation mit dem Gegenüber zu vermeiden, ohne ständig aufs Handy schauen zu müssen. Die Ausrede ist fast heroisch: Einer muss ja die herannahenden Gefahren im Blick haben.

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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