Damastmesser aus Ernstbrunn: Wie ein junger Schmied ein altes Handwerk neu belebt

Feuer und Stahl: Die schillernden Messer des 30-jährigen Florian Stockinger sind bei österreichischen Haubenköchen besonders beliebt.

Noch herrschen eiskalte Temperaturen in der Schmiede. Bedrohlich züngeln die weißen und hellgrünen Flammen aus dem Ofen – der Meisterschmied überprüft die Temperatur des im Jahr 1940 erbauten Schmitz & Apelt. Der riesige Ofen ist sein ganzer Stolz: Erst vor Kurzem hat sich der 30-Jährige das spezielle Arbeitsmittel geleistet und selbst restauriert.

Nach einer guten Stunde Aufheizen zeigt das Thermometer 1.300 Grad: Florian Stockinger steckt den Stahl in die Flamme und dann geht es mit dem glühenden Teil zum Amboss. Ein wenig wärmer ist die kleine Halle nun – geschmiedet wird nur in den kalten Monaten, denn am Ende des Tages wird es angenehme 25 Grad rund um den Ofen haben. In den Sommermonaten finden schließlich die Schleifarbeiten statt.

Rittergeschichten

Bereits im Alter von neun Jahren stellte der Niederösterreicher sein erstes Messer im Garten der Eltern her – über einem offenen, selbst entfachten Feuer: „Ich besitze es noch, aber herzeigen möchte ich es lieber nicht. Wie das ausschaut ...“, der Schmied schlägt sich die Hände vor sein Gesicht. Die Faszination für Rittergeschichten, altes Handwerk, die Arbeit mit dem Feuer sowie „etwas Sinnvolles“ herzustellen, ließ ihn nie an der ungewöhnlichen Berufswahl zweifeln. „In meiner Kindheit waren wir oft campen und auf Hütten – jene Messer, wie ich sie mir gewünscht habe, gab es nicht.“

Wissenswertes

Stahl ist eine Legierung von Eisen mit anderen Elementen wie Kohlenstoff. Stahl lässt sich kalt und warm formen.

Eisenzeit: Die ältesten Funde von Damaszenerstahl sind keltische Schwerter, die um 300 v. Chr. entstanden.

2.400 Stahlsorten sind in Europa bekannt.   
 

Vor sieben Jahren eröffnete der gelernte Maschinenbauer seine Werkstatt „Lilienstahl“ in einer ehemaligen Eisengießerei in Ernstbrunn (NÖ): „Bei der Arbeit mit Feuer muss man voll dabei sein – es ist eine ruhige Arbeit, ich kann mich während des Schmiedens gut konzentrieren“, erzählt Stockinger im Gespräch mit uns. „Von manchen Messern kann ich mich leichter trennen als von anderen. Generell mache ich die Messer nicht für mich – ich behalte mir nur jene, die Fehler haben und verwende sie zu Hause.“

Damastmesser

Derzeit feilt der Messerschmied an Prototypen für ein Gemüsemesser, das sich auch ein Hobbykoch leisten können soll. Denn die Preise für seine Damastmesser liegen zwischen 1.000 und 2.200 Euro das Stück – und sind für Profis gedacht. „Die Kosten erklären sich durch die aufwendige Produktion und die Lebensdauer der Handwerkskunst. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Markenmesser bleiben meine Messer zehnmal so lange scharf.“

Ein Santoku, ein japanisches Fleischermesser  aus Dreilagen-Stahl, beim Schneidetest von Paradeisern 

©Kurier/Gerhard Deutsch

Haubenköche wie Heinz Reitbauer vom „Steirereck“, Thomas Dorfer vom „Landhaus Bacher“ oder Josef Floh von der „Gastwirtschaft Floh“ gehören zu seinen prominenten Kunden. Für die begehrten Küchenmesser aus Damaszenerstahl verschweißt der Messerschmied-Meister 40 Schichten diverser Stahlsorten zu einem Stück. Auf diese Weise entstehen handgeschmiedete Messer aus regionalen Materialien.

Knetmasse

Der Unterschied zu einfachen Lagenmessern liegt nicht nur in der Anzahl der Schichten: „Bei einem Damastmesser spielt man sich mit unterschiedlichen Stahlsorten, damit ein besonders belastbares Messer mit einem dekorativen Muster entsteht. Das Ausgangsmaterial ist bei beiden Messerarten geschmiedeter und gewalzter Messerstahl – mehrere Stücke werden zu einem Paket gelegt und wie Knetmasse in der Hitze in die Länge gezogen. Dieses Paket wird dann immer wieder gestückelt, gefaltet und geschmiedet. Am Ende werden aus den 40 Schichten rund 280 bis 300 Lagen.“

©Kurier/Gerhard Deutsch

Mit konzentriertem Blick und eiligen Schritten holt der Schmied nach einigen Minuten den 1.300 Grad heißen Stahl aus dem Ofen, um ihn unter einem riesigen Lufthammer flach zu klopfen. Jetzt verschmelzen die einzelnen Stahlschichten miteinander. Gehärtet werden die Messer in einem Ölbad.

©Kurier/Gerhard Deutsch

Mooreiche

Um das Reliefmuster der Damastmesser sichtbar zu machen, wird das Messer in Säurebäder getaucht. Es sind unendlich viele Arbeitsschritte – am Ende des Tages ist das Messer geschmiedet, doch es fehlt die Feinarbeit wie das Bearbeiten des Holzgriffes.

Mindestens genauso viel Leidenschaft wie in die Metallverarbeitung steckt Stockinger in das Schnitzen der Holzgriffe. Seine liebsten Holzsorten sind das ölige Olivenholz und die leicht modrig riechende Mooreiche. „Mittlerweile sind die Preise für Mooreiche in die Höhe geschnellt. Ich liebe den Gedanken, dass der Baum vor mehr als 1.500 Jahren in einen Fluss gefallen ist und das Holz mit der Zeit die schwarze Farbe des Moors angenommen hat.“

Für die Pflege von Messern nennt der Profi zwei Tipps: „Damastmesser müssen trocken gelagert werden, damit die Klinge rostfrei bleibt. Rostfreie Messer würde ich nicht in den Geschirrspüler geben, weil das Wasser die Klinge rund wäscht.“

Anita Kattinger

Über Anita Kattinger

Leidenschaftliche Esserin. Mittelmäßige Köchin. Biertrinkerin und Flexitarierin. Braucht Schokolade, gute Bücher und die Stadt zum Überleben. Versucht die Welt zu verbessern, zuerst als Innenpolitik-Redakteurin, jetzt im Genuss-Ressort.

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