Der Sand aus dem die Träume sind: Warum Wüsten faszinieren

Schon seit den 1960er-Jahren sorgt der Kinofilm "Dune" für Furore. Das liegt auch an der Faszination für die geheimnisvolle Landschaft.

Von Nicola Afchar-Negad

So still, dass man selbst Sternschnuppen hören kann und so weit, dass Begriffe wie alles und nichts ineinander verschwimmen. Die Wüsten, die in etwa zehn Prozent der Erdoberfläche bedecken, sorgen seit Menschengedenken für Inspiration

Im zweiten Teil der "Dune"-Saga, der gerade in den Kinos angelaufen ist, geht es zwar um Intrigen, Schlachten und nicht weniger als um die Rettung des Universums, aber bei vielen Kinogängern wird vor allem eines nachhallen: die Allmacht der Wüste. Und: das Glitzern des Sandes. Die tief stehende Sonne, die über den Dünen zu schweben scheint. Das Farbnuancenspiel. Das Abenteuer, das sie verspricht.

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Nicht nur der Science-Fiction-Film macht eindrücklich klar: die Wüste ist unerbittlich, genau das macht den Reiz auch aus. In einer Welt, in der alles nur einen Mausklick entfernt ist, in der Überfluss regiert, becirct sie einen mit ihrer chaotischen Leere. Mit bizarren Felsen, Seen aus Salz und Meeren aus Eis. Die Antarktis ist, das bedenken die Wenigsten, die größte Wüste der Welt. Sie schmilzt und wird kleiner, wogegen andernorts oft von einer Desertifikation gesprochen wird, etwa in Südeuropa, in Spanien.

Geht es um Wüstenlandschaft, assoziieren die allermeisten Sand, obwohl der nur zwanzig Prozent der verwüsteten Flächen einnimmt. Aber die Dünen, sie haben es den Menschen angetan. Die Wüste Gobi, die Sahara, die Kalahari, die namhaften Vertreter sind schnell aufgezählt. Anbieter überschlagen sich geradezu mit ihren Top 10 der abenteuerlichsten Wüsten-Touren. Sandboarding, Dune Bashing (bedeutet einfach nur, mit einem Geländewagen über die Dünen zu brettern), Kamel-Trekking, BBQ unter den Sternen, Sonnenaufgangs- und -Untergangstour, es ist alles dabei.

Szenenbild aus "Dune 2" – der Science-Fiction-Film läuft gerade im Kino

©2023 Warner Bros. Entertainment Inc.

Man darf sich sicher sein, dass mit dem Start des heiß erwarteten Sci-Fi-Spektakels "Dune 2" auch wieder die Filmlocations von Interesse sein werden. Gedreht wurde etwa in der Liwa Wüste vor den Toren Abu Dhabis und schon bereits das zweite Mal in Wadi Rum, in Jordanien. 

Letztere ist längst Touristenliebkind. Schon "Lawrence von Arabien" und "Star Wars – der Aufstieg Skywalkers" verdanken ihren Erfolg unter anderem den spektakulären roten Klippen und zerklüfteten Sandsteinfelsen der Region. Die Kombination aus Sand- und Felswüste, aus zart und hart, umhüllt den Betrachter mit Ehrfurcht – im Film genauso wie im echten Leben. Und aufgrund dieser Ehrfurcht ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich viele Künstler in der Wüste verewigt haben.

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Was für eine Kulisse! JR nennt sich der Künstler, der dieses Werk für die Art D’Égypte schuf.

©APA/AFP/ART DEGYPTE/WALAA AL-SHAER

Größtes Kunstwerk der Welt 

Die Weite öffnet die Seele, die Dünen gleichen einem Katapult, das einen zurück auf sich selbst wirft. Nicht wenige Wüstengeher berichten von einer persönlichen Neuerfindung, einer Art Katharsis. Von einem "Ort der Moral" spricht etwa der bekannte deutsche Gestalter Otl Aicher in seinem viel beachteten Buch „Gehen in der Wüste“. Und wo so große Worte ihren Platz finden, ist Kunst nie weit entfernt. 

Michael Heizers monumentale „City“ in der Wüste Nevadas

©Michael Heizer

Ob "Desert X" in Palm Springs (8.3.-11.5.2025), zeitgenössische Kunst vor den Pyramiden von Gizeh oder Michael Heizers kolossale, 2,5 Kilometer lange und 1,5 Kilometer breite "City" in Nevada. Die Skulptur, die aussieht, als hätten ihre Spitzen gerade den Sand durchbohrt, gilt als größtes Kunstwerk der Welt – und allein dieser Rekord macht es natürlich interessant. Was die brutalistisch anmutende, fast bedrohlich wirkende Architektur hier mitten im Nirgendwo soll, lässt der Künstler bewusst offen.

Wüsten-Installation

©APA/AFP/KHALED DESOUKI

Die Wüste bleibt

Von 1970 bis 2022 hat Heizer an seiner Vision gearbeitet, mittlerweile musste er seine "City" für Besucher zugänglich machen, da sie in den Status eines Naturdenkmals erhoben wurde. Allerdings: streng reglementiert. Wer das Areal mit eigenen Augen sehen möchte, muss sich bewerben, mindestens 16 Jahre alt sein und 150 US-Dollar bezahlen. Nur sechs Personen dürfen die "City" pro Tag betreten – und das nur von Dienstag bis Donnerstag und von Mai bis November, das Wetter muss auch passen. Fotografieren ist verboten. Sitzbänke oder Toiletten: Fehlanzeige.

Ganz schön verrückt, irgendwie. Aber auch das ist charakteristisch für die Wüste. Sie verrückt Maßstäbe und Prioritäten. Und das wird auch so bleiben, wie schon Paulo Coelho in "Der Alchemist" festhielt. "Die Dünen verändern sich mit dem Wind, aber die Wüste bleibt dieselbe."

Eduardo Sarabia's Werk für die "Desert X" in Kalifornien, 2021 

©VALERIE MACON / AFP / picturedesk.com

Wüsten-Wissen von Andreas Bovelino

Wer Wüste sagt, denkt meist an Sand. Aber das ist nur die halbe Miete. Denn Sand ist, genau betrachtet, nur eine Nebenerscheinung, wenn’s um Wüsten geht. Entscheidend für diese faszinierenden Landstriche ist der Mangel an Niederschlag und die praktisch fehlende Vegetation. 

Und nach dieser Definition ist, vielleicht etwas überraschend, die Antarktis die größte Wüste der Welt. Denn tatsächlich kommt es nur in den Küstengebieten zu Niederschlägen, die ausgedehnten Flächen des Landesinneren sind extrem trocken. Hier schneit es auch praktisch nie. Mit einer unglaublichen Fläche von 13.200.000 Quadratkilometern verweist sie die wahrscheinlich berühmtesten Wüsten der Welt, nämlich die Sahara (8.700.000 km²) und Gobi (2.300.000 km²) auf die Plätze.  Schon an vierter Stelle des Rankings ist mit Grönland eine weitere, extrem kalte Wüste (2.160.000 km²). 

"Reality Is Timeless" nennt sich diese Installation des Künstlers Rashid al-Khalifa

©APA/AFP/KHALED DESOUKI

Funfact, sofern man im Zusammenhang mit den kargen Umständen davon sprechen will oder darf: Auch in der trockensten Wüste der Welt – abgesehen von den Polargebieten –  ist es keinesfalls übertrieben warm: In der Atacama in Chile hat es angeblich jahrtausendelang nicht geregnet. 

Seit das Wetterphänomen El Niño kein zartes Kindchen mehr ist, sondern ein ausgewachsener Flegel, regnet es auch hier mehr oder weniger regelmäßig. Nämlich etwa alle zehn Jahre. Und obwohl sie zwischen dem 18. und 25. Breitengrad Süd liegt, also etwa wie die Fidschi-Inseln, ist es hier alles andere als tropisch. Das liegt am kalten Humboldtstrom, der auch mit der extremen Trockenheit dieser Region zusammenhängt. Durch die Kälte entstehen keine Regenwolken, damit auch kein für Küstengegenden sonst typischer Steigungsregen. 

Der Wind kommt meist aus Osten von den Anden und ist dementsprechend frisch. Die hochgelegene Gegend etwas weiter im Landesinneren wird nicht nur oft mit dem Mars verglichen, sie diente auch schon als entsprechende Filmkulisse, unter anderem für den als Pseudo-Doku inszenierten BBC-Spielfilm "Space Odyssey – Mission zu den Planeten". 

Vor etwa 20 Jahren wurden dort die gleichen wissenschaftlichen Tests durchgeführt, mit denen das Viking-Programm auf dem echten Mars nach Leben suchte. Das Ergebnis der NASA: Keine Anzeichen von Leben. In den Küstenregionen der Atacama-Wüste kommt es zwar nicht zu Regen, dafür häufig zu relativ starkem und durchaus pittoreskem Nebel. Weshalb sie auch, wie etwa die Namib in Namibia, zu den Nebelwüsten gezählt wird. 

Wobei dies natürlich nur eine Unterkategorie der generellen Einteilung in Sandwüste (die arabische Rub al-Chali, die asiatische Taklamakan, Teile der Sahara), Kieswüste (Reg und Serir in der Sahara), Felswüste (Gobi, wobei Teile auch Sand- bzw. Kieswüsten sind), Salzwüste (Salar de Uyuni in Bolivien) und die bereits genannten Eiswüsten.

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