Warum Wein ein guter Grund ist, nach Chile zu reisen

Bei den starken klimatischen Unterschieden im Land treffen Extreme auf Genuss. Oft machen sie ihn aber auch überhaupt erst möglich

Chile übertreibt. Aber auf sympathische Art und Weise. Denn um einer Beschreibung des Landes gerecht zu werden, muss man in Superlative verfallen. Im Norden die Atacama-Wüste – der trockenste Ort der Welt – wo es in Teilen seit Jahrzehnten nicht geregnet hat. In Zentralchile extrem heiße, trockene Sommer und feuchte, kalte Winter. Im Süden, wo die chilenische Seenregion und Patagonien liegen, muss man das ganze Jahr über mit massiven Niederschlägen rechnen, die regelmäßig zu Überschwemmungen führen. Und dennoch, oder gerade deshalb, wird in fast allen Teilen des Landes Wein angebaut.

Tatsächlich hat man in Chile eine Kunst daraus gemacht, aus diesen extremen Bedingungen etwas Außergewöhnliches zu schaffen. Die Weine gelten als besonders fruchtig und aromatisch – heiße Tage und kühle Nächte sind ideale Voraussetzungen. Rundwege, Erlebniswelten und Kulinarik-Angebote locken Weinfreunde aus der ganzen Welt an.

Typisch ist die Rebsorte Carménère, die ursprünglich aus Frankreich stammt. Auch Malbec, Cabernet Sauvignon und Syrah werden hier angebaut. Sauvignon Blanc und Chardonnay gelten als die herausragenden weißen Trauben. Schon vor fünfhundert Jahren wurde in Chile Wein hergestellt.

Dass auch leistbare Premiumweine produziert und international vertrieben werden, dafür ist unter anderem Aurelio Montes, Winzer und Pionier in der Branche, verantwortlich.

"Wir wollen Weine für abenteuerlustige Genießer kreieren, die Außergewöhnliches fern der Norm erleben wollen“, erzählt er bei einer Führung durch das Hauptweingut von Viña Montes in Apalta, südlich von Santiago de Chile. Möglich machen das verschiedene Mikroklimata und die besondere Bodenbeschaffenheit, wie ein Mitarbeiter in einem Loch zwischen den Reben zeigt (siehe Bild unten). Lehm sei wie eine Art Schwamm und speichert gut Feuchtigkeit. "Das mag der Cabernet.“

Gastfreundschaft

Steht Montes am Dach des Hauptgebäudes in Apalta und spricht über das Weinkreieren, ähnelt er ein wenig dem Schauspieler Clint Eastwood. Vielleicht liegt das an den Bergen Chiles im Hintergrund, die an den Wilden Westen erinnern und seiner rauen Stimme. Er vereint Eigenschaften, die man den Chilenen allgemeinhin nachsagt – die Leidenschaft für das Schöne im Leben sowie die Gastfreundschaft.

Die wird hier zum Beispiel im Restaurant "Fuegos de Apalta“ gelebt, wo vor allem Fisch, Rind und Gemüse frisch in einem riesigen Ofen gegrillt wird. Man diniert – das Wort essen wäre an dieser Stelle frevelhaft – mitten in den Weinreben. Das Lokal ist zu großen Teilen komplett offen sowie mit Glasfront ausgestattet und bietet so einen Blick auf die Weingärten, die ins Endlose zu führen scheinen, um dann doch mit den Bergen dahinter zu verschmelzen.

Dazu ein Schluck vom Carménère "Purple Angel“ mit einem Aroma, das an dunkle Schokolade erinnert.

Feng-Shui und Gesang

Doch warum sollte man gerade hier die Geschichte des chilenischen Weins hören? Das Besucherzentrum, die "La Finca de Apalta“, ist mit seinem sehr speziellen Design eine Sehenswürdigkeit an sich. Als ein Highlight gilt der halbkreisförmige Keller. In achthundert französischen Eichenfässern wird Montes Wein von gregorianischen Gesängen begleitet.

Alles hier ist nach Feng-Shui, der chinesischen Lehre der harmonischen Lebens- und Wohnraumgestaltung, geschaffen.

Der Ort sei ideal, sagt Montes: Die Bergkette biete Schutz, die Sonne falle wunderschön aus Südost herab und mit dem Konzept bleibe die Energie im Weingut und im Fluss. Zudem finden sich immer wieder Engel – in Form von Statuen oder Bildern – im Gebäude, die seit der Unternehmensgründung die Flaschenetiketten zieren.

Wer Weingärten vor allem in europäische Landschaft eingebettet gesehen hat, kommt beim Anblick der Reben in Chile ins Staunen. Der Boden staubtrocken und neben den reifenden Trauben wachsen meterhohe Kakteen. Die extreme Trockenheit schadet aber nicht unbedingt. Sogar das Gegenteil sei der Fall.

Gar nicht so unglücklich

"Keep the wine a little unhappy“, drückt es Montes aus. Dann entstehe ein intensiverer Geschmack. Bei wenig Wasser und viel Wind habe man zwar weniger Früchte auf den Reben, dafür aber eine bessere Qualität. Die Hauptarbeit passiere nun einmal im Weingarten.

Man müsse die Trauben so vorsichtig wie kleine Babys behandeln.

Touristen, die sich auf den Wegen des Weins bewegen, erfahren dabei auch viel über die Kultur des Landes sowie über die Naturschätze.

Wer gut zu Fuß ist, kann Verkostungen auch mit Wanderungen – etwa im Colchagua-Tal – verbinden. Viele schöne Strecken finden sich ganz abseits der Massen.

Abenteuerlustige können eine Tour durch die Weingärten auch auf dem Pferd zurücklegen – mit Pause bei einem Asado (chilenisches Grillfest) oder einem Picknick mit Verkostung in der Natur.

Bei dem Anblick der Landschaft verzeiht man Chile dann gerne jede Übertreibung.

Teresa Sturm

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