Unendliche Weite und Farbspiele: „White Pocket“ ist weniger bekannt als „The Wave

Utah: Das typisch andere Amerika

Außer den bekannten Nationalparks bietet der US-Staat auch weniger frequentierte Routen. Und ein ganzes Städtchen im Western-Flair.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind für vieles bekannt, unter anderem für außergewöhnliche Vornamen. Deswegen hört man schon genauer hin, wenn sich der Guide, der einem die großartige Natur in Utahs Süden näherbringt, vorstellt: Orion, benannt nach einem Sternenbild. Der Typ mit dem wilden Bart unter dem breitkrempigen Hut erzählt offensichtlich nicht zum ersten Mal, wie es zu dem Namen kam.

Der naturverbundene Guide Orion

©Teufl Ingrid

Während der Tagestour im robusten Allrad-Wagen zur White Pocket, einem erwanderbaren Naturschutzgebiet, ist genügend Zeit dafür, aber auch für Fragen der Passagiere. Orion hat genug Geschichten auf Lager. Nicht nur persönliche, auch Wissenswertes über die Region. Zum Namen: Den verdankt der 34-jährige begnadete Sanddünenfahrer den Flitterwochen seiner Eltern, man kann sich das vorstellen.

Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt, wieder ein typisch amerikanisches Bild, eingeprägt durch Roadmovies und Literatur. Weit sind die Wege, die Straßen breit und oft schnurgerade in den USA. Vom Städtchen Kanab geht es zur White Pocket. Ein spektakulärer Ort im Südwesten Utahs, der ohnehin reich an beeindruckenden Natur-Orten ist. Fünf der schönsten Nationalparks („The Mighty Five“) findet man im Bundesstaat. Die bizarren Hoodos des Bryce Canyon oder der tiefe Canyon, den der Vergin River in die Felsen des heutigen Zion National Parks geschnitten hat, sind ungleich bekannter. Besucher müssen sie vor allem in der Hochsaison mit zahlreichen anderen teilen.

Bryce Canyon

©Getty Images/iStockphoto/Cavan Images/iStockphoto.com

Auf klassisch-amerikanischen Highways verläuft die Strecke, vorbei am weithin sichtbaren Grand Staircase Escalante National Monument. Dann folgen Schotterpisten auf alten Siedlerwegen, in trockene Täler mit spärlicher Vegetation. Bis Arizona führt der Trip, rot leuchten die Vermillon Rocks herüber. Und dann nur mehr purer roter Sand, mitunter zu nicht ungefährlichen Dünen aufgetürmt. Ohne Allradantrieb und entsprechende Fahrkenntnisse ist eine gebuchte Tour die klügere – und entspannendere – Wahl.

Utah, USA

©Grafik

Gestein in Wellen

Immer wieder hält Orion im Gelände an, zeigt Steine und spitze Gebilde, vermutlich Speerspitzen einer einst im Südwesten lebenden, plötzlich verschwundenen Native-Americans-Population, den Anasazi. Bizarre, vegetationslose Hügel, die wie zusammengenähte Teile wirken, sind ein erster Höhepunkt. Einige erinnert die Fläche an ein Riesen-Gehirn, andere einen überdimensionalen Schildkrötenpanzer.

Nach der nächsten Kurve ein völlig anderes Bild: Das Gestein schlägt Wellen und Wirbel, ist von roten Striemen durchzogen, wechselt unvermittelt die Richtung. Übereinander gelagerte Sanddünen waren sie einst, erklärt Orion. „Der Wind verwehte sie in unterschiedliche Formationen.“ Und die wie salopp hingeworfenen, roten Farbstriche? Schlicht Eisen. „Je röter der Sandstein ist, desto mehr Eisen enthält er.“

Nicht mehr steigerbar diese Eindrücke, der eigene Kopf signalisiert kompletten Aufnahmestopp. Und doch gleiten die Blicke weiter rastlos über eine außerirdisch wirkende Welt, lauschen die Ohren jedem Windhauch in der fast totalen Stille, registriert die Haut den ins Gesicht geblasenen Sand.Orion freut die stille, dennoch fast greifbare Begeisterung seiner Gruppen sichtbar. Zur Eile treibt er trotzdem. „Das war noch nichts, das Beste kommt erst.“ Glauben will ihm niemand – und doch hat er recht. Natürlich. Unzählige Male war er hier. „Breathtaking“ – atemberaubend – das einzige Wort, das passend ist für den roten Wirbel, der sich nach der nächsten Ecke völlig unerwartet auftut. Steil geht es bergab, ein Strudel an Farbschattierungen und Formationen. Die schmale Öffnung lässt sich dennoch erstaunlich gut rutschend bewältigen. Und dann ein einmaliger Kontrast, wenn sich über den roten Wellen in der Ferne eine schier endlose Weite und ganz klein die umliegenden Plateaus auftun.

Die „Parry Lodge“, in der die Western-Stars logierten

©Teufl Ingrid

Nach der Fremdheit, der fast außerirdischen Atmosphäre der White Pocket wirkt die Region um Kanab irgendwie vertraut. Nicht zufällig, das Städtchen ist als „Little Hollywood“ bekannt, rund zweihundert Westernklassiker entstanden hier, Regie-Star John Houston drehte etwa mit John Wayne, Gregory Peck oder Ronald Reagan. In der „Parry Lodge“ logierten sie alle, auch Frank Sinatra, der den Pool hinter dem Motel bezahlt haben soll. Vor einigen Jahren drehte auch Nicolas Cage hier für „The Watcher“. Er nächtigte allerdings im „Canyons Boutique Hotel“.

Kanab ist heute idealer Stützpunkt für die Erkundung der Region. Auch Bryce Canyon und Zion National Park sind von hier aus gut erreichbar. Orion kam vor dreizehn Jahren her. „Damals war nicht viel los, nur das Hollywood Museum war ein Anziehungspunkt. Durch Covid und die Pandemie ging die Region durch die Decke.“ Auch durch die sozialen Medien kamen mehr und mehr Menschen. Und natürlich durch eines der jetzt beliebtesten Sightseeing-Motive im Süden Utahs, „The Wave“, die Microsoft als Hintergrundbild auf Bildschirmen verwendet. Wo es dort Besucherbeschränkungen gibt, hat White Pocket nicht nur mehr zu bieten, sondern ist frei zugänglich.

Eng wird’s – und nass

Im Zion National Park, einem der beliebtesten der USA, ist eine Permit, eine Erlaubnis, nötig. Und dort kann es mitunter etwas eng werden. Auf den Straßen durch den Park ebenso wie auf beliebten Wanderrouten. Regelrecht Programm ist die Enge dann in „The Barrows“, dem engsten Abschnitt des Zion Canyon. Fast senkrecht fräste sich der Virgin River mehr als siebenhundert Meter in den Sandstein, bildete eine naturgemachte Verengung. Platz für Fußwege ließ der Fluss nicht, Wanderer müssen ins Wasser.

Die Wasserwege in „The Narrows“

©Teufl Ingrid

Im zentralen Ort Springhase bieten spezialisierte Ausstatter daher Neopren-Hosen und -Schuhe an. Ein Spaziergang, der Trittsicherheit und je nach gewählter Länge Kondition erfordert, sich allerdings lohnt. Kleine Wasserfälle bringen die spiegelglatten Felsen zum Schimmern, ermöglichen faszinierende Lichtspiele. Ein Abenteuer.

Wie überhaupt eine Reise durch die Natur im Südwesten Utahs. Mit Bildern so typisch amerikanisch; und dennoch wie eine andere Welt.

Info

Anreise
Utahs Süden ist über Las Vegas (Nevada) gut erreichbar.
CO2-Kompensation (auf atmosfair.de): 143 €

Scenic Byways
Landschaftlich interessante Nebenroute: Scenic Byway 12

Stateparks
Neben Nationalparks sind auch viele State Parks (z. B. Snow Canyon) und Monuments lohnenswert; oft weniger Touristen

Übernachten
– in Kanab: canyonshotel.com
– Bryce Canyon City: rubysinn.com
– Zion/Springdale: wyndhamhotels.com/laquinta

Essen
– Sego: Fine Dining bei Haubenkoch Shon Foster in Kanab, segokanab.com
– i.d.k. barbecue: Diner mit guten Burger in Tropic (Zion), idkbarbecue.com

Weitere Infos
visitutah.com, visit-usa.at

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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