USA: Ein Besuch in Kentucky, wo die amerikanische Bourbogne liegt
Am 14. Juni wird in den USA der „National Bourbon Day“ gefeiert. Vor allem in Kentucky, wo 95 Prozent der weltweiten Produktion dieses speziellen Whiskys hergestellt werden. Aber neben dem Bourbon geht’s in Kentucky vor allem um's Pferd.
Wer davon geträumt hat, wirklich mal ein Pferd vor einer Apotheke kotzen zu sehen, dürfte in Kentucky die besten Chancen haben. Es gibt nämlich genau zwei Dinge, um die sich in dem Bundesstaat im Grenzbereich zwischen dem Süden und dem mittleren Westen der USA alles dreht: Pferde und Bourbon. Auf das „Kentucky Derby“ und die wirtschaftliche Bedeutung der Pferdezucht komme ich später zurück. Zuerst zum Whisky. Oder besser: zum Bourbon. Nicht dasselbe! Das ist die erste Lektion, die ein Kentucky-Greenhorn lernt: „Jeder Bourbon ist ein Whisky, aber nicht jeder Whisky ist ein Bourbon.“
Die Unterschiede sind vielfältig, aber wichtig ist nur, dass man Folgendes weiß: 95 Prozent der weltweiten Bourbon-Produktion stammt aus Kentucky. Dass sich ein Getränk Kentucky Straight Bourbon nennen darf, setzt voraus, dass er in Kentucky gebrannt worden ist, in einem brandneuen Eichenfass mindestens ein Jahr gelagert und zu 51 Prozent aus Mais gewonnen wurde. Es ist nicht schwer, diese Informationen abzuspeichern, wenn man in Kentucky zu Gast ist. Sie werden einem schließlich so drei- bis viermal am Tag eingetrichtert. Stets zusammen mit einem Gläschen davon. Ablehnen ist keine Option.
Ich frage in die Runde, ob es in Kentucky möglicherweise mehr Alkoholmissbrauch gibt als anderswo im Land, könnte doch sein. Spöttisches Gelächter in der Runde der Einheimischen: "Schon okay“, wiegelt meine Gastgeberin Chenelle McGee in der Bar "North of Bourbon“ ab: „Bourbon gehört in Kentucky zum täglichen Lifestyle dazu, das ist kein Problem für uns.“ Nun. Im "North of Bourbon“ stehen rund 300 Bourbon-Sorten auf der Karte, auch die meisten der angebotenen 26 Cocktails basieren auf, Überraschung: Bourbon.
© Bild: Harald Braun
In diesem Museum in Louisville wird die Geschichte der berühmten Baseballschläger erzählt, die seit Generationen hier auch für die US-Profis produziert werden. Vor dem Gebäude steht ein überlebensgroßes Exemplar, fast 40 Meter hoch – angeblich der größte Schläger der Welt, sluggermuseum.com
© Bild: Kentucky Tourism
Der „Größte aller Zeiten“ – bekannt ursprünglich auch einmal als Cassius Clay – wurde 1942 in Louisville geboren und dort auch über seinen Tod hinaus heiß verehrt. Auf vier Stockwerken sind die wichtigsten Ausschnitte seiner Kämpfe zu sehen, dazu eine Menge Memorabilien, Fotos und Plakate. An der Gestaltung des Museums war Muhammad Ali noch selbst beteiligt, alicenter.org
© Bild: Harald Braun
Hierbei handelt es sich um ein üppiges Gebilde aus Truthahn, Schinken, Tomaten, Brot, einer delikaten Mornay-Soße und einer Menge Käse. Geschätzter Kalorienanteil: 1000? Wahrscheinlichkeit, es mühelos aufzuessen: 10 Prozent. Und wie schmeckt es? Überraschung: Sehr gut! Die Kult-Wumme wurde um 1920 herum von „The Brown Hotel“ Chefkoch Fred Schmidt eher zufällig gegen zwei Uhr morgens erfunden, um müde Tänzer zu verköstigen, brownhotel.com/dining/hot-brown
Essen gibt’s hier auch, Soulfood mit Louisiana und Mississippi-Wurzeln – mächtige Portionen, stabil paniert. In den nächsten Tagen werde ich allerlei Bars und Restaurants kennen lernen, das Angebot ist nahezu identisch: Stolze Mengen Bourbon, üppige Küche – welcome to Kentucky!
Tatsächlich habe ich es dann man kurz gegoogelt. Es stimmt: Im Ranking aller 51 Bundesstaaten der USA nimmt Kentucky, was den Alkoholkonsum pro Person angeht, einen unauffälligen 17. Platz ein. Nur in Sachen "Betrunken verhaftet“ rückt man landesweit auf Platz sechs nach vorn.
Was mich wiederum verwundert, denn ich habe in einer Woche zwischen Louisville, Lexington und Covington zwar eine Menge Frauen und Männer amtlich bechern sehen, aber niemand wurde aggressiv oder auch nur unfreundlich. Im Gegenteil: Kentuckys Einwohner machen einen überwiegend entspannten Eindruck. "Wo sind denn die ganzen harten Cowboys hin“, frage ich mit Blick auf die braven Kerle, die in ihren Basecaps an der Theke des "North of Bourbon“ hocken. Kein Stetson weit und breit. Chenelle lacht mich spöttisch aus. "Niemand würde sich hier als Cowboy bezeichnen“ sagt sie schließlich, "das wäre in Ihren Augen völlig lächerlich. Sie sind Farmer!“ Bei der Fahrt durch Kentucky ist die überwiegend grüne und hügelige Landschaft aus dem Fenster unseres Vans gut zu erkennen.
Wie im lieblichen Hobbitland, denke ich – für Wanderer also durchaus einladend. Chennelle winkt ab. Wer 41 Bourbon-Destillerien in seinem Bundesstaat vorzuzeigen hat, opfert halt für derlei Ablenkungen keine Zeit. Für die meisten Brennereien in Kentucky gehören die Tastings und Führungen, zu denen Chenelle mich bittet, zum profitablen Geschäftsmodell. Selbst, wenn man keinen eigenen Bourbon brennt, kann man vor Ort im Whisky-Business mitmischen. Mit einem Tasting-Angebot etwa, bei dem jeder Gast aus vier ausgesuchten Bourbon-Sorten mithilfe seiner Geschmacksknospen den eigenen Bourbon zusammenbraut.
So geschehen bei "Wenzel Whisky“ in Covington. Hier erhalte ich meine eigene Flasche Bourbon. Ein Unikat. Auf dem extra für mich beschrifteten Etikett werden die 55 Prozent Alkoholgehalt beglaubigt, die ich mir mit Hilfe von "Wenzel“-Founder Bill Whitlow zusammengebraut habe. Bill Whitlow wird schon bald seine eigene Brennerei aufmachen, die Hallen sind bereits angemietet. "Der Markt für Bourbon in Kentucky ist riesig!“ schwärmt Whitlow. "Was gibt’s Größeres als den eigenen herzustellen?“
Ambitionen, die Brad „Dusty“ Bonds offenbar nicht kennt. Er führt zusammen mit seinen beiden Business-Partnerinnen Shannon Smith und Katie Meyer den "Revival Vintage Bottle Shop“ in Covington. Auf zahlreichen Regalen kuscheln sich braun schimmernde Bourbon-Flaschen mit amüsanten Etiketten aneinander. Zum Teil sind sie fünfzig Jahre alt und älter. Ausgesuchte Tropfen, bei denen Sammlern das Herz aufgeht. Dusty allerdings hält nichts davon, seine Schätze von Old Rip Van Winkle, Yellowstone oder Colonel Lee nur in die Vitrine zu stellen. Täglich öffnet er eine Flasche aus seinem reichhaltigen und ständig nachwachsenden Portfolio und schenkt Genießern für einen schlanken Zehner ein Schlückchen aus. Natürlich erst nachdem er selbst probiert hat. Wie diese Leidenschaft der Gesundheit bekommt, will ich wissen. Er grinst mich nur ungläubig an und zuckt mit den Schultern. Die Sprechblase über seinem Kopf ist nicht zu übersehen: Was will er, der europäische Moralapostel?
Info
Anreise
Kentucky verfügt über drei internationale Flughäfen: Louisville, Lexington und Cincinatti Northern Kentucky. Es gibt keine Direktflüge von Österreich aus nach Kentucky. Die Flugzeit von Wien nach Kentucky beträgt bei einem Zwischenstopp zwischen 12 und 14 Stunden. Preisbeispiel: Austrian Airlines, Wien-Louisville ab 950 Euro
Hoteltipps
– Im Covington Hotel gibt es eine riesige Eingangshalle mit Rezeption, Coffee-Shop und Restaurant. Sie wirkt sehr angenehm turbulent und nach Einbruch der Dunkelheit sorgt die dazugehörige Bar für angemessene Unterhaltung. Und die Zimmer: Bunt und modern.
– Kurze Irritation – ist das 21 c in Louisville ein Museum oder ein Hotel? Beides – die Zimmer sind mit zeitgenössischer Kunst eingerichtet, in den unteren Etagen wandeln Besucher durch lange Flure mit Gemälden und Skulpturen. Sehr besonders.
Restauranttipp
Das Wallace Station Deli wirkt auf den ersten Eindruck unspektakulär, aber liefert dann eine überzeugende Performance: Im Old School-Sandwich & Burger-Laden in Versailles (!) wird nachhaltig gewirtschaftet, neben dem „Best Burger in Town“ gibt“s auch einen Fresh Farm Salad, der seinen Namen verdient.
Weitere Informationen
visittheusa.de/state/kentucky
Eine Sache ist noch ungeklärt: Wie kommt es, dass Kentucky so eine Pferdehochburg ist? Lexington nennt sich unwidersprochen "Pferdehauptstadt der Welt“. Es ist ein Mythos, dem sich der Schriftsteller J.J. Sullivan in einer Art Kulturgeschichte des Pferdesports in Kentucky am Ende auch nur vage nähert: Es hat was mit der geologischen Beschaffenheit Kentuckys zu tun, seinen geschwungenen Hügeln, dem klaren Wasser, den gesunden "Blue Grass“-Weiden.
Fakt ist: Über 50 Pferderassen werden hier gezüchtet, über 400 Gestüte sind daran beteiligt. Das Kentucky-Derby, jährlich stets am ersten Samstag im Mai, ist das wichtigste Pferderennen der Welt. Selbst die englische Queen war zu Lebzeiten da. Keeneland, diese wunderbare Anlage aus Rennbahn und Auktionshaus in Lexington, gilt als heißester Umschlagplatz für Rassepferde aus aller Welt. Zweimal im Jahr wechseln hier Millionensummen den Besitzer. Zuschauer, Züchter, Jockeys, Trainer und Rennstallbesitzer kommen zusammen und tun, was sie am liebsten tun: Auf Pferde wetten. Normalsterbliche beim so genannten "Run for the Roses“-Rennen, dem Kentucky Derby, am Wettcounter.
Die Profis der Branche am Auktionspult in Keeneland. „Ein Glücksspiel ist es für beide Gruppen“ lacht Chenelle. Sie berichtet von einem Herrn aus Übersee, der seit Jahren stets eine Million Dollar auf seinen Favoriten setzt. Limits gibt’s keine, Garantien allerdings auch nicht: Der Millionen-Mann hat bislang immer verloren.
Die Zeit des Kentucky Derbys sei überdies fast eine eigene Jahreszeit, sagt Chenelle: "Es herrscht Ausnahmezustand in der Stadt, überall wird gefeiert, eine Woche lang bleibt hier kein Stein auf dem anderen.“ Immerhin trinken die Leute dann mal was anderes als immer nur diesen Bourbon, werfe ich ein, schließlich habe ich bei unserer Führung in Keeneland gut aufgepasst und weiß daher, dass beim Kentucky-Derbys traditionell "Mint Julep“ ausgeschenkt wird.
Ein letztes Mal lacht Chenelle mich aus, und das habe ich auch nicht besser verdient: Die Zutaten eines Mint Juleps in Kentucky sind: 1,5 cl Zuckersirup. 6-8 Blätter Minze. Und: 7,5 cl Bourbon!
Kommentare