Darum feiert die Südsee-Insel Kiribati als Erstes ins neue Jahr
Die erste Adresse zu Silvester: Wegen eines Versprechens im Präsidentschaftswahlkampf knallen hier zuerst die Korken.
Überblick
mind. 30 bis 50 Stunden
Ca. 120.000
Kiribati-Dollar oder Australische Dollar
Tarawa
Wer in Kiribati am Strand liegt und auf den Pazifischen Ozean blickt, wünscht sich wohl, dass einfach nur die Uhr stillsteht. Ein türkis-blaues Meer, eine badewannenwarme Wassertemperatur, ein grüner Landstreifen mit im Wind wehenden Palmen, weißer Sand, prächtige Korallenriffe vor der Nase. Und kaum eine Menschenseele weit und breit. Auf einer Meeresfläche von 5,2 Millionen Quadratkilometern liegen 33 idyllische Atolle in Polynesien und Mikronesien, die aussehen, wie ein tropisches Paradies eben aussehen soll. Und sie formen den größten Staat, der nur aus Atollen besteht.
Während die einen die Zeit anhalten wollen, haben die Regierenden der Südsee-Republik zwischen Australien und Hawaii diese sogar zurückgedreht – und ab 1995 die Datumslinie dezent ausgehebelt. Damit waren die Inselbewohner die Ersten weltweit, die das neue Millennium feiern durften. Zuvor lag ein Teil des Landes westlich, der andere östlich der „International Dateline“. Wer von Westen nach Osten über die Datumsgrenze gereist war, war also plötzlich im Gestern. Präsidentschaftskandidat Teburoro Tito versprach im Wahlkampf, den Zeiten-Fleckerlteppich zu beseitigen. Er gewann, der ganze Staat nahm die Zeitzone der westlichen Landesteile an und war plötzlich im weltweiten Jahreswechsel-Rennen führend.
Das Ganze hätte rein gar nichts mit dem neuen Jahrtausend, viel PR und daher vielen Touristen zu tun, beteuerte damals Präsident Tito. Das wäre lediglich von verwaltungstechnischer Natur.
Millennium-Island
Nichtsdestotrotz änderte die Regierung den Namen seines östlichsten Eilands von Karolinen-Insel auf Millennium-Island. Immerhin war es der erste Platz der Welt, wo im Jahr 2000 die Sonne aufging. Es folgten diplomatische Verstimmungen mit anderen Südsee-Staaten – etwa Fidschi. „Mehr als 180 Grad geht nicht, und mehr als zwölf Stunden vor Greenwich geht auch nicht“, erklärte Fidschis früherer Regierungschef Sitiveni Rabuka laut Spiegel damals. Der Staatschef reagierte seinerseits mit einem Millennium-Denkmal auf diesem 180. Längengrad.
Mittlerweile hat auch Samoa nachgezogen und ist wegen vereinfachter Handelsbeziehungen mit Neuseeland, Australien und Asien zum Jahreswechsel 2011/2012 auf die andere Seite der Datumsgrenze gehüpft. Somit muss sich Kiribati das erste Korkenknallen mit Samoa teilen. Das zu den USA gehörende Amerikanisch-Samoa feiert übrigens mehr als einen Tag später Silvester.
Auf jeden Fall: Der Schritt hat sich für Kiribati ausgezahlt. Etliche zahlungskräftige Touristen reisten in den Südpazifik, um mit den damals rund 80.000 Einwohnern des Inselstaates (heute sind es rund 120.000) als Erste in das neue Jahrtausend zu feiern. Nur nicht auf die Millenniumsinsel, weil die ist unbewohnt.
Parlament vom Meer umgeben
Das Jahr 2000 muss generell große Symbolkraft für das Land gehabt haben, das 1979 von Großbritannien unabhängig wurde. Da begann für die 44 Abgeordneten des Maneaba ni Maungatabu, des Parlaments, eine neue Zeitrechnung. Sie zogen in der Hauptstadt South Tarawa in ein neues Gebäude ein. Es ist im Stil der klassischen kiribatischen Versammlungshäuser erbaut, liegt auf einer vorgelagerten Insel und hat ein kleines Häuschen mit Strohdach abgelöst.
Ausländer können sich das derzeit nicht ansehen. In Kiribati gilt ein Einreiseverbot für Personen, die aus einem Land mit bestätigten Covid-Fällen einreisen. Wenn die Pandemie vorbei ist, finden Reisende dort aber Ruhe und faszinierende Flecken. Und sie finden eines der letzten intakten Ökosysteme unter Wasser mit unzähligen kunterbunten Fischen und farbenfrohen Korallen. „Wäre ein Außerirdischer nur einen Tag lang auf der Erde und wollte ein Korallenriff sehen“, sagte Enric Sala zu National Geographic, „dann würde ich ihm die Millenniumsinsel zeigen.“
Der Meeresbiologe ist Naturschützer für die internationale Medienmarke und reist auf der Suche nach unberührten Orten um die Welt.Auf einigen Riffen, die Sala und sein Team betaucht hatten, wuchsen die Korallen so dicht, dass sie 90 Prozent des Meeresbodens bedeckten. Zum Vergleich: In der an Korallen nicht armen Karibik sind es oft nur fünf bis zehn Prozent. Dazu leben in den Lagunen bis zu 40 Riesenmuscheln auf einem Quadratmeter. Während anderswo Riesenmuscheln immer weniger werden, sind die Riffe um die Millenniumsinsel laut Sala „geradezu mit ihnen gepflastert“.
Bis zu 325 Fischarten haben die Forscher und Umweltschützer bei ihren Tauchgängen registriert. Und die von ihnen geschätzte Biomasse aller Fische ist die höchste, die je für ein Korallenriff angenommen wurde. Artenreich ist auch die Vogelwelt auf den Inseln – gerade die unbewohnten sind wichtige Rast- und Brutplätze. Von den 77 registrierten Arten, die global bedroht sind, gibt es hier zwölf.
Zuletzt stand Kiribati in Kritik, weil der Staat ein Meeresschutzgebiet und Weltnaturerbe für den Fischfang öffnen will. Und auch sonst ist die grandiose Natur bedroht – durch die Klimakrise. Ein Großteil der Fläche liegt höchstens drei Meter über dem Meeresspiegel. Daher gilt Kiribati als jenes Land, das als Erstes zwischen 2060 und 2070 wegen des steigenden Meeresspiegels im Meer versinken könnte. Der ehemalige Präsident Anote Tong kaufte 2014 Land auf Fidschi, wohin die Bewohner notfalls flüchten könnten. Mittlerweile setzt man auf eine Landanhebung, die die Küstenerosion aufhalten soll. Auch Mangrovenwälder, die angepflanzt werden, sollen die Inseln schützen. Und dann möchte man wieder die Zeit anhalten. Diesmal aber, damit dieses Paradies erhalten bleibt.
Wo wird zuerst Silvester gefeiert?
31.12., 11:00 MEZ: Auf Kiribati und Samoa knallen zuerst die Korken
12:00: In Neuseeland und auch im Nordosten Russlands können die Bewohner feiern
14:00: In Sydney und auch in Wladiwostok geht es hoch her.
22:00: Zehn Stunden nach den ersten Menschen in Russland dürfen auch die Moskauer anstoßen
1.1., 00:00 MEZ: In mehr als 40 Ländern heißt es jetzt: „Gutes neues Jahr„ oder „Bonne année“ oder „štastný nový rok“ oder ...
12:00: Einen Tag später als alle anderen starten die Bewohner von Amerikanisch-Samoa ins neue Jahr
Anreise und Einreise
Derzeit herrscht ein Einreiseverbot für alle Reisenden, die aus oder über ein Land mit bestätigten Covid-Fällen einreisen. Sollten Reisen wieder möglich sein, müssen Ankommende ein gültiges Rück- oder Weiterreiseticket und ausreichend finanzielle Mittel für den Aufenthalt nachweisen können. Es gibt Flüge ab Australien (Melbourne, Sydney oder Brisbane) über Nadi (Fidschi) bzw. Honiara (Salomonen) in die Hauptstadt Tarawa. Rechnen Sie aus Europa mit 30 bis 50 Stunden Anreisezeit.
Alternative Anreise: Eine vollkommen umweltfreundliche Anreise nach Kiribati ist leider nur schwer möglich. Außer man verfügt über ein eigenes Segelboot, nautische Fähigkeiten, viel Zeit und Unerschrockenheit. Man kann aber versuchen, für Teile der Strecke Platz auf einem Segelschiff zu finden. Angebote dazu gibt es etwa auf den Homepages handgegenkoje.de oder findacrew.net. Auch Frachtschiffe nehmen zeitweise Passagiere mit. Infos etwa hier: langsamreisen.de/frachtschiffreisen
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