Ebbe: Urlauber klagte, weil das Meer "weg" war

Rechtsanwalt berichtet von teils skurrilen Gerichtsfällen. "Eine Urlauberin hat geklagt, weil sie in Ankara kein Meer vorgefunden hat

Eine Grado-Urlauberin war außer sich. Just als sie baden gehen wollte, war das Meer weg. Meterweit habe sie dem Wasser hinterherlaufen müssen – so sei das nicht im Prospekt gestanden. Wieder daheim, zog die Österreicherin vor Gericht und klagte auf entgangene Urlaubsfreuden. Allerdings ohne Erfolg. "Der Richter hat ihr dann das Phänomen Ebbe und Flut erklärt“, erzählt der Wiener Rechtsanwalt Eike Lindinger eine Anekdote aus der Praxis.

Seine alljährlich aktualisierte Liste zur Reisepreisminderung (4. Auflage erschienen bei Manz) liest sich steckenweise wie eine Ideensammlung für Querulanten. Dabei handelt es sich um ein Nachschlagewerk über Reisebeschwerden, die vor Gericht gelandet sind – Prozentsatz des letztlich rückerstatteten Reisepreises inklusive.

Die Palette der Urlaubsärgernisse reicht von dreckigen Zimmern (bei mangelnder Hygiene werden durchschnittlich drei bis 10 Prozent Preisminderung zugesprochen) bis zu ausgefallenen Landausflügen bei Kreuzfahrtpassagieren. So bekam ein Reisender 20 Prozent Preisminderung zugesprochen, weil ein Dorfbesuch zu einem Nomadenvolk in Sibirien  gestrichen wurde und damit die Gelegenheit, die Lebensweise der Einheimischen kennenzulernen. Das Alternativprogramm – Besuch von Kirchen und Kultureinrichtungen – sei in diesem Fall nicht gleichwertig gewesen, urteilte der Richter.

Meerurlaub ohne Meer

Mitunter scheinen Reisende übrigens gar nicht so genau zu wissen, wo sie landen. "Eine Urlauberin hat eine Reise nach Ankara gebucht und dann geklagt, weil es dort kein Meer gegeben hat“, erzählt Lindinger. Mit ihrem Argument, dass der Reisebüro-Mitarbeiter sie nicht darauf hingewiesen, also schlecht beraten habe,  blitzte sie beim Richter allerdings ab. Schließlich habe sie im Beratungsgespräch nicht gesagt, dass sie einen Badeurlaub machen möchte. Lindinger: "Vermutlich hat sie bei der Buchung Antalya mit Ankara verwechselt.“

Sprachlos sei er auch oft, wenn es um die Ansprüche mancher Urlauber in afrikanischen Ländern geht. "Manche erwarten sich hier mitteleuropäische Standards. Ein Urlauber zog vor  Gericht, weil ein Vorhang im Zimmer nicht blickdicht geschlossen hat.“

Generell würden aber immer weniger Fälle vor Gericht landen, beobachtet Lindinger. "Weil die Beschwerdeabteilungen der Veranstalter professioneller werden und es viele außergerichtliche Lösungen gibt. Dass sich die Leute weniger aufregen als früher, glaube ich nicht.“ Auch an Ideenreichtum mangelt es offenbar nicht. So hat im Vorjahr jemand auf Preisminderung gepocht, weil der Aschenbecher auf seinem Balkon nicht regelmäßig ausgeleert wurde. Lindinger: "Auf die Idee, das selbst zu machen, ist der Gast offenbar nicht gekommen.“

Praxisbeispiele

70 Prozent
anteilig vom Tagesreisepreis für die betroffenen Tage bekamen Kreuzfahrtpassagiere erstattet, weil sie Pandemie-bedingt auf ihren Zimmern bleiben mussten

5 Prozent
anteilig vom Tagesreisepreis: Weil eine Slowmobiltour nach Auffassung der Reisenden zu kurz war

Simone Hoepke

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