Caspar David Friedrich in Hamburg: Himmel, Hafen, Bilderflut

Im Lichte einer famosen Ausstellung zum Maler Caspar David Friedrich zeigt sich Hamburg als Kunst-Destination

Wer am frühen Abend an einem der Kanäle steht, die in die Hamburger Speicherstadt führen, kann ihn mit etwas Glück sehen: Den Himmel, der dann sehr weit und klar wirkt und in rötliches Licht getaucht ist, fast wie in einem Gemälde von Caspar David Friedrich. Zumindest ist dieser Gedanke unausweichlich, wenn man zuerst jene Ausstellung gesehen hat, die noch bis 1. April in der Hamburger Kunsthalle läuft – die erste in einer Reihe von Gedenkausstellungen zum 250. Geburtstag des Malers.

©Hamburger Kunsthalle / bpk

Auch wenn der im nordostdeutschen Greifswald geborene und vorrangig in Dresden tätige Künstler gar nicht so oft in Hamburg vorbeikam, spielte die Stadt doch eine zentrale Rolle für seine posthume Karriere: Der erste Direktor der Kunsthalle, Alfred Lichtwark, trug um 1900 eine der größten Sammlungen des damals weitgehend vergessenen Künstlers zusammen und verantwortete 1906 eine erste Friedrich-Mania.

Infos

Anreise
Mit dem Nightjet täglich direkt von Wien nach Hamburg-Altona, Schlafwagen ab 169,90  €

Unterkunft 
Der Autor war auf Einladung von Hamburg Tourismus im „Hotel Reichshof“ untergebracht, kann von früheren Reisen aber auch das  „25 hours Hotel HafenCity“ empfehlen

Street Art
Neben den Museen findet sich auch viel  Kunst auf Hauswänden in Hamburg. Das Tourismusamt bietet dazu  eigene  Vorschläge für Rundgänge an

Auskunft
hamburg-tourism.de
 

Und es war der Gründungsdirektor des Wiener Museums des 20. Jahrhunderts (heute mumok), Werner Hofmann, der sich in seiner Funktion als Hamburger Kunsthallen-Direktor 1974 anschickte, den Künstler nach dessen Vereinnahmung durch die Nazis wieder neu zu erforschen und zu präsentieren – als einen Wegbereiter der Moderne. Heute ist Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ das absolute Aushängeschild, im Jubiläumsjahr wurde eine Variante nun an eine Hauswand in der Ditmar-Koel-Straße im „Portugiesenviertel“ gesprayt. Das Gemälde hatte die Kunsthalle übrigens erst 1970 erstanden – mit Hilfe von Gönnern.

©Deichtorhallen Hamburg/Foto: Henning Rogge

Kultur und Kaufleute

Ja, die Mäzene: Ohne sie würde in der Handelsmetropole kulturell wohl kaum etwas laufen. Da die Aufmerksamkeit – und der Geldfluss – in den vergangenen Jahren stark auf die spektakuläre Elbphilharmonie fokussiert war, stand die bildende Kunst ein wenig im Schatten – zu Unrecht, wie sich zeigt. Da ist etwa das von der Stiftung des ZEIT-Verlegers Gerd Bucerius initiierte Kunstforum gleich hinter dem Rathaus: Hier widmet man sich wenig beschrittenen Pfaden der Kunstgeschichte und Klassikern der Moderne.

©Grafik

Die hervorragende Ausstellung „Geniale Frauen“, die historische Künstlerinnen und ihr Karriereumfeld vorstellt, läuft noch bis 28. 1. und reist nach Basel weiter (ab 2. 3. ), es folgt eine Schau des spanischen Malers Ignacio Zuloaga (ab 17. 2.) und des Foto-Meisters Henri Cartier-Bresson (ab 15. 6.)

Fotografie im Container

Fotokunst hatte in Hamburg schon lange ein Standbein, nicht zuletzt weil der Fotograf F. C. Gundlach – lange selbst für die in der Stadt produzierten Illustrierten „Stern“ und „Quick“ tätig – seine Sammlung als Dauerleihgabe an die städtischen Deichtorhallen andockte. In Sichtweite des „Spiegel“-Hauptquartiers gelegen, sind die einstigen Markthallen ein Fixpunkt jedes Hamburg-Besuchs, auch wenn die der Fotografie zugedachte Halle gerade renoviert wird und das Programm in einen Containerbau ausgelagert ist.

Schräge Sammlungen

Im Foyer der Haupthalle wird derzeit an den im Vorjahr verstorbenen Sammler Harald Falckenberg erinnert – noch ein Mäzen, der die Entwicklung der Kunststadt in jüngerer Zeit nachhaltig prägte. Falckenbergs Sammlung fokussierte oft auf das Schräge, Abseitige: In einem eigenen Gebäude, das im Vorort Harburg an Wochenenden bei freiem Eintritt zu besichtigen ist, sieht man das in Inszenierungen der Künstlerin Cindy Sherman (bis 2. 3.). Demnächst wird das u. a. durch den Biennale-Pavillon 2022 bekannte österreichische Duo Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl hier gastieren (ab 27. 4.). Die aktuelle Deichtorhallen-Schau „Dix und die Gegenwart“ (bis 1. 4. ) bringt ebenfalls Groteskes zum Vorschein.

Miniaturwelt und Museum

Dass der Unternehmergeist und der Wunsch nach Kultur in Hamburg nicht haltmacht, ist vor den Toren des Ausstellungshauses zu merken. Die historische Speicherstadt, aus Hochwasserschutzgründen nur eingeschränkt bewohnbar, dient etwa als Heimstatt für die „Miniaturwelt“ und das Maritime Museum – nicht nur bei Kindern angesagte Destinationen. Geht die Sammlung maritimer Schätze auf Peter Tamm, den langjährigen Vorstandsvorsitzenden des Axel Springer-Verlags, zurück, so will der Gründer der Social-Media-Plattform Xing, Lars Hinrichs, 2025 in der nahen „Hafencity“ ein Museum für Digitalkunst eröffnen. Nur die Wolken, die ziehen seit Caspar David Friedrichs Zeit unverändert über die Stadt.

Michael Huber

Über Michael Huber

Michael Huber, 1976 in Klagenfurt geboren, ist seit 2009 Redakteur im Ressort Kultur & Medien mit den Themenschwerpunkten Bildende Kunst und Kulturpolitik. Er studierte Publizistik und Kunstgeschichte und kam 1998 als Volontär erstmals in die KURIER-Redaktion. 2001 stieg er in der Sonntags-Redaktion ein, wo er für die Beilage "kult" über Popmusik schrieb und das erste Kurier-Blog führte. Von 2006-2007 war Michael Huber Fulbright Student und Bollinger Fellow an der Columbia University Journalism School in New York City, wo er ein Programm mit Schwerpunkt Kulturjournalismus mit dem Titel „Master of Arts“ abschloss. Als freier Journalist veröffentlichte er Artikel u.a. bei ORF ON Kultur, in der Süddeutschen Zeitung, der Kunstzeitung und in den Magazinen FORMAT, the gap, TBA und BIORAMA.

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